Unfall bei Luzern
Pilot schätzt Wind zu optimistisch ein – Cessna landet auf dem Kopf
Im Juni 2020 stürzte ein Kleinflugzeug am Schweizer Flugplatz Beromünster direkt nach dem Start in ein Feld und überschlägt sich. Die Insassen bleiben unverletzt. Nun ist der Schweizer Abschlussbericht erschienen und erklärt die Ursache.
Die Cessna F152 mit der Kennung HB-CXV: Die Maschine stürzte nach dem Start ins angrenzende Feld.
Die Cessna F152 mit der Kennung HB-CXV: Die Maschine stürzte nach dem Start ins angrenzende Feld.
Dass er gleich bei seinem ersten Schnupperflug abstürzen würde, hätte sich ein zukünftiger Flugschüler im Juni 2020 nicht gedacht. Kurz nach dem Abheben vom Boden schlug das Flugzeug zuerst mit dem Hauptfahrwerk auf, dann mit dem Bugrad im angrenzenden Feld. Die Maschine überschlug sich. Beide Insassen konnten die Cessna 152 unverletzt verlassen.
Wie es dazu kommen konnte, zeigt jetzt der Abschlussbericht der Schweizer Untersuchungsbehörde Sust. Das Wetter war am 12. Juni im schweizerischen Kanton Luzern gut. Im Tagesverlauf stieg die Temperatur auf 23 Grad. Die Sicht war gut, einzig die starken Böen von bis zu 15 Knoten pro Stunde waren problematisch, wie Sust in ihrem Abschlussbericht festhält.
Warten auf besseres Wetter
Die Böen waren auch recht stark, als sich Fluglehrer und Schnupperflugschüler gegen 15:00 Uhr am Flugplatz Beromünster trafen. Beide begannen ganz normal mit den Vorbereitungen für den Flug, der an diesem Tag mit der Cessna F152 mit dem Kennzeichen HB-CXV stattfand.
Der Fluglehrer entschied aufgrund des starken Südföhns, den Start zu verschieben. Er fragte auch am Flugplatz an, ob vielleicht ein Flugzeug mit mehr Leistung verfügbar wäre und hatte Glück. Eine Cessna F172 war am Nachmittag verfügbar. Allerdings wollte der Flugschüler gern die 152. So entschieden sich beide, zu warten, bis sich die Böen gelegt haben.
400 Meter Startrollstrecke
Die Zeit überbrückten die beiden im Flugplatzrestaurant. Der Lehrer nutzte die Zeit, um dem Schüler zu erklären, unter welchen Voraussetzungen ein Start abgebrochen werden muss – verhindert wurde der Unfall durch dieses Wissen aber nicht. Beide berechneten gemeinsam die Startstrecke. Am Abend schien das Wetter zu passen, die Böen nahmen ab.
Der Flugplatz von Beromünster hat eine 510 Meter lange Graspiste. Am 12. Juni standen 400 Meter zur Verfügung. Daher entschied sich der Pilot für einen Kurzstart. Laut Handbuch muss dieser mit voller Leistung bei angezogenen Bremsen stattfinden. Die Landeklappen müssen sich auf 10 Grad befinden.
Soweit so normal
Kurz vor 19 Uhr ließ der Pilot den Motor der F152 an, das Flugzeug rollte zum Rollhaltepunkt der Piste 33. Kurz vor dem Lösen der Bremsen «kontrollierte der Pilot noch mal den Windsack, der laut seiner Wahrnehmung etwa 3 Knoten Rückenwind mit leichtem Seitenwind von rechts zeigte», heißt es im Abschlussbericht.
Um 19:05 Uhr löste der Pilot die Bremsen. Die Maschine startete mit Vollgas. An der Halbbahnmarkierung las der Fluglehrer gemäß eigenen Angaben 35 Knoten auf dem Geschwindigkeitsmesser ab. Kurze Zeit später spürte der Pilot die erhoffte Entlastung des Bugfahrwerkes und ein leichtes Abheben der Maschine. Soweit so normal.
Einziger Ausweg Notlandung
Doch dann blieb die erwartete weitere Beschleunigung aus. Die Cessna gewann nur gering an Höhe. Der Fluglehrer ließ den Gashebel auf Vollgas, um so viel Auftrieb wie möglich zu generieren. Ein normaler Start war allerdings nicht mehr möglich. Der Fluglehrer entschied sich für eine Notlandung. Nach dem Aufsetzen überschlug sich die Maschine im angrenzenden Feld. Flüssigkeiten wie Treibstoff traten keine aus und die Maschine fing auch kein Feuer. Beide Insassen konnten die Maschine verlassen.
Laut des Abschlussberichts hatte die Cessna ein Startgewicht von 742 Kilogramm. Die maximal zulässige Abflugmasse beträgt 758 Kilo. Bei einem Kurzstart muss die Maschine laut Handbuch eine Geschwindigkeit von 50 Knoten erreichen. Dann wird die Flugzeugnase angehoben und das Bugfahrwerk hebt ab.
Startrollstrecke zu optimistisch
An diesem Tag standen der Cessa 400 Meter Piste zur Verfügung. Der Pilot rechnete mit einer Rückenwindkomponente von 3 Knoten. Dies ergab eine Startrollstrecke von 398 Meter. Im Abschlussbericht heißt es, dass die Berechnung der Startrollstrecke «unter zu optimistischen Annahmen erstellt» wurde.
Die tatsächlichen Windverhältnisse waren stärker als die angenommenen 3 Knoten. Tatsächlich lag Rückenwindkomponente zwischen 5 und 10 Knoten und somit hätte die Startrollstrecke zwischen 430 und 520 Meter betragen müssen. Letztlich wurde das Flugzeug aber bereits nach rund 350 Meter Rollstrecke in die Luft gebracht.
Bei Rückenwind ist der Ground Speed höher als der Air Speed
Der Rückenwind von 5 bis 10 Knoten führte aber dazu, dass das Abheben mit einer angezeigten Geschwindigkeit zwischen 40 und 45 Knoten erfolgte, was deutlich unter der für einen Kurzstart vorgeschriebenen Geschwindigkeit von 50 Knoten lag. Bei Rückenwind ist Geschwindigkeit über Grund höher als Geschwindigkeit zur Luft.
«In diesem Geschwindigkeitsbereich reichte die zur Verfügung stehende Startleistung nicht aus, um es beschleunigen oder in einen Steigflug bringen zu können, so dass eine Notlandung unvermeidlich wurde», schreibt die Sust.
Sust empfiehlt Sicherheitsmargen
Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle empfiehlt allen Pilotinnen und Piloten, die Leistungsberechnungen für Start und Landung auf kurzen Pisten und bei anspruchsvollen Boden- bzw. Wetterbedingungen mit großzügigen Sicherheitsmargen zu versehen.