Neun Seiten Vorwürfe
Pamphlet über Carsten Spohr macht bei Lufthansa die Runde
Neun Seiten voller Vorwürfe - ein bitterböses Schreiben über den Konzernchef macht gerade bei Lufthansa die Runde. Das kommt nicht bei allen Mitarbeitenden gut an.
Lufthansa-Flieger: Das wütende Schreiben kommt nicht überall gut an.
Lufthansa-Flieger: Das wütende Schreiben kommt nicht überall gut an.
Der Frust bei den Angestellten von Lufthansa Cityline ist groß. Kein Wunder – denn die Lufthansa-Zubringerairline mit Basis in München wird es nicht mehr lange geben. Die neu gegründete City Airlines ersetzt sie. Die Angestellten können zu angepassten Bedingungen zur neuen Airline wechseln. Gewerkschaften warfen Lufthansa deshalb schon Tarifflucht vor.
Offenbar ist die Wut noch nicht heruntergekocht, zumindest nicht bei allen. Sie ist sogar noch so groß, dass eine oder mehrere Personen ein neunseitiges Dokument verfasst haben, das aktuell in Lufthansa- und Luftfahrtkreisen die Runde macht und das aeroTELEGRAPH vorliegt. Es trägt den Briefkopf der Personalvertretung Bord von Lufthansa Cityline, welche das fliegende Personal der Airline vertritt. Unterschrieben ist es allerdings nicht.
Rundumschlag
Die Überschrift zeigt, in welche Richtung es geht: «Deus ex Machina oder der Spruchpilot». Darauf folgen neun Seiten an Vorwürfen gegen Konzernchef Carsten Spohr. Es ist ein Rundumschlag, der bei der Überarbeitung des Markenauftritts beginnt, auch auf Probleme mit der neuen Allegris-Kabine eingeht und der zum Schluss Kritik von Aktionären aufnimmt, der prominenteste zuletzt Großaktionär Klaus-Michael Kühne. Doch vor allem wird es sehr persönlich.
«Wie sich noch zeigen wird, schwingt beim Vorzeige-CEO das Pendel zwischen geschickter Kommunikationsstrategie, Pinocchio-Münchhausen-Syndrom, selektiver Amnesie und frappierender Ahnungslosigkeit wild hin und her», heißt es giftig über Spohr. «Mithin ist es für sein Gegenüber schwer auszumachen, in welcher Hemisphäre die Kugel gerade kreist.» So müssten etwa die Streiks der Mitarbeitenden im Frühling in übermäßigem Ausmaß dafür herhalten, die schlechten Finanzergebnisse zu rechtfertigen.
«Spohr-Mausoleum»
Auch der Neubau nahe dem Lufthansa-Group-Hauptsitz erzürnt den oder die Verfasser des Schreibens. Lufthansa baut für die beiden historischen Flugzeuge Ju 52 und Super Star in nächster Nähe ihres Verwaltungssitzes am Frankfurter Flughafen ein neues Gebäude. Sie sollen dort ab dem Frühjahr 2026 dauerhaft ausgestellt werden und werden dank einer großen Glasfassade auch von außen sichtbar sein.
Als «Spohr-Mausoleum» bezeichnet das Pamphlet den Bau. «Da im Konzern trotz der angeknacksten Erfolgsstory offenbar immer noch Geldmittel im Überfluss nach einer sinnvollen Verwendung lechzen, hat man sich dann schlussendlich auch den naheliegenden Dingen, wie dem Bau eines schmerzlich fehlenden Konferenz- und Besucherzentrums verschrieben», heißt es. Zum Eröffnungstermin zum 100. Jubiläum fügt man hinzu: «Wenn es bei der gewohnten Pünktlichkeit bleibt, darf auch das bezweifelt werden. So wie die Sinnhaftigkeit des gesamten Unterfangens.»
Mitarbeitende sehen Schreiben kritisch
Bei den Mitarbeitenden von Lufthansa stößt das Schreiben auf gemischte Reaktionen. Während eine Reihe der Angestellten die Aussagen unterstützen, kommt es gleichwohl nicht nur gut an. Auch wenn es vielleicht berechtigte Kritik an einigen Stellen gebe – das sei definitiv zu persönlich, so ein Mitarbeiter. Nicht an allen negativen Punkten sei Spohr schuld, heißt es von einem anderen. Eine solche Generalabrechnung sei wenig konstruktiv. Auch sind nicht alle Vorwürfe faktisch korrekt.
So wird in dem Schreiben auch erwähnt, dass 150 Millionen Euro für die gescheiterte Restaurierung der Super Star draufgingen. Spohr machte diese Zahl zwar im Jahr 2020 bei der Hauptversammlung öffentlich. Doch die Verantwortung dafür trägt er als Manager nicht, weil sie vor seiner Zeit im Chefsessel gefällt wurde. Lufthansa selbst hat sich auf Anfrage von aeroTELEGRAPH bis zum Erscheinen des Artikels nicht zum Schreiben äußern wollen.
Geschäftsführer äußern sich intern
Allerdings äußerten sich die Cityline-Geschäftsführer Wolfgang Diefenbach und Frank Weinreich im internen Crewportal der Airline. Man halte das Schreiben «in Tonfall und Inhalt für unangemessen», schreiben sie. «Uns ist bewusst, dass wir eine tiefgreifende Transformation durchlaufen. Bei aller Intensität der aktuellen Diskussionen: Persönliche Diskreditierungen sind nicht akzeptabel und haben keinen Platz in der Cityline», so die Geschäftsführer. Sie fordern zu einem sachlichen und professionellen Dialog auf.