Regionalverkehr
Neue deutsche Airline Flyv will festen Flugplan abschaffen
Wer kleine Regionalflughäfen bedienen will, braucht ein flexibleres Modell als einen langfristigen Flugplan, glaubt man bei Flyv. Algorithmen, Zeitfenster und kleines Fluggerät sollen zum Erfolg führen.
Flugzeug, das virtuell eine Flyv-Bemalung erhalten hat: 2023 soll es losgehen.
Flugzeug, das virtuell eine Flyv-Bemalung erhalten hat: 2023 soll es losgehen.
Ein Unternehmen aus der Nähe von München schickt sich an, die Regionalluftfahrt zu revolutionieren. Flyv mit Sitz in Unterhaching hat sich zum Ziel gesetzt, Reisende auf dezentralen Routen schneller von A nach B zu bringen. «Aus unserer Sicht ist es nicht mehr der richtige Ansatz für dünne und volatile Routen, ein halbes Jahr vorher einen Flugplan festzulegen», erklärt Ko-Geschäftsführer Anton Lutz im Gespräch mit aeroTELEGRAPH.
Der 24-jährige teilt sich die Geschäftsführung mit Tomislav Lang, dem ehemaligen Chef der ehemaligen Schweizer Regionalairline Skywork, der auch Haupteigentümer von Flyv ist. Sie wollen mithilfe von Computerrechenleistung ein neues Modell etablieren. «Unsere Algorithmen werden für jeden Tag einen neuen Flugplan bauen», sagt Lutz.
Bei Buchung noch keine präzise Uhrzeit
«Stellen Sie sich vor, Sie sind in Limoges in Frankreich und müssen nach Modena in Italien», sagt der Ko-Chef als Beispiel. «Wenn Sie mit Air France über Paris und Bologna fliegen, sind sie mindestens sechs bis sieben Stunden unterwegs, mit dem Auto ohne Pause mindestens zehn Stunden und mit dem Zug circa 20 Stunden.»
Lutz hofft, dass jemand in dieser Situation in Zukunft auf die Webseite von Flyv geht und dort nach einem Flug sucht. «Unsere Algorithmen berechnen dann, ob es wir Ihnen für den gewünschten Tag und die gewünschte Uhrzeit ein Angebot machen können», erklärt er. «Dann bekommen Sie Zeitfenster vorgeschlagen.»
Direktflug wird nicht garantiert
Die Zeitfenster könnten etwa lauten: Frühester Abflug um 6 Uhr, späteste Ankunft um 12 Uhr. Oder frühester Abflug um 7 Uhr, späteste Ankunft um 10 Uhr. Je kleiner das Zeitfenster, desto teurer das Flugticket. Wenn der Fluggast dann bucht, erhält er drei Tage vor Abflug Bescheid über die Details. «Zum Beispiel, dass der Abflug in Limoges um 7:25 Uhr ist, es eine kurze Zwischenlandung in Bern gibt, und die Landung in Modena um 9:45 Uhr stattfinden wird», so Lutz.
Flyv liefert im Gegensatz zu herkömmlichen Airlines also nicht schon bei der Buchung feste Abflug- und Ankunftszeiten. Zudem garantiert sie nicht, dass es einen Direktflug gibt. Gut möglich, dass die Reisenden ein oder mehrere Zwischenlandungen erwarten. Dennoch sollen sie schneller ankommen als mit jedem alternativen Angebot, so die Idee.
Flugzeuge mit weniger als 20 Plätzen
Eigentlich plante das Unternehmen, als virtuelle Airline zu starten – der ganze Name lautet «Flyv – Flyvirtual». Mittlerweile will man sich aber doch eigenes Fluggerät zulegen – kleine Maschinen mit weniger als 20 Plätzen. Erste Gespräche mit Herstellern laufen laut Lutz bereits. Namen nennt er nicht. Allerdings ist auf der Webseite von Flyv eine Grafik mit einer Do 328 zu sehen, die auch Skywork einst einsetzte. Und in Leipzig entsteht derzeit die neue Variante D328 Eco.
«Unser Plan ist es, zunächst mit fünf bis zehn Flugzeugen zu starten in einem kleinen isolierten Netzwerk mit fünf bis zehn Destinationen», sagt Lutz. «Denn man kann zwar alles berechnen, aber was wir nicht wissen ist, wie die Kunden reagieren und was sie bereit sind zu zahlen. Das müssen wir testen.» 2023 will Flyv erste Verbindungen anbieten, für die Zeit ab 2026 ist Wachstum anvisiert.
Kleine Airports ohne Slot-Knappheit
Aber was ist mit den Slots, also den festen Zeitfenstern, die Airlines für ihre Starts und Landungen an Flughäfen zugeteilt bekommen? Das Startup will dieses Problem vorerst umgehen, indem es kleine, unterversorgte Flughäfen ansteuert, an denen es nur wenige Flugbewegungen gibt. Auf einer Konferenz kürzlich habe man mit 60 Airports gesprochen und sei auf reges Interesse gestoßen, so Lutz.
Für die Zukunft hofft Flyv zudem, auch Senkrechtstarter einzusetzen, die dann auch an größeren Flughäfen landen könnten, ohne sich mit den großen Fliegern von Airbus, Boeing und Co. in die Quere zu kommen. In Skandinavien sehe man entsprechende Planungen bereits, sagt Lutz. Nordeuropa hat er für den Start ebenso im Blick wie Deutschland, Österreich, die Schweiz, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich und Norditalien.
Noch ein Startup ohne Flugplan
Ein anderes Startup namens Vairtual verfolgt ebenfalls die Idee, einen Flugplan überflüssig zu machen. Dort plant man, dass Nutzer Wunschrouten und -daten angeben. Darauf basierend will Vairtual innerhalb weniger Tage Flugzeug und Crew organisieren und den interessierten Passagierinnen und Passagieren ein konkretes Angebot machen.