Letzte Aktualisierung: um 19:43 Uhr

Business Aviation

Mit einem blauen Auge durch die Krise

Die europäischen Businessjet-Anbieter spüren die Corona-Krise ebenfalls deutlich. Mit neuen Diensten, Angeboten und Frachtflügen versucht sich die Branche aber, den Schaden zu begrenzen.

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In der Luftfahrt gibt es heute kaum noch einen Zweig, der nicht von den Auswirkungen der Covid-19 Pandemie betroffen wäre. Das gilt auch für die annähernd 700 europäischen Businessjet-Anbieter. Doch im Vergleich zu den  klassischen Airlines konnte sich ihr Geschäft über den Sommer immerhin annähernd stabilisieren, wie neue Zahlen der European Business Aviation Association EBAA Studie zeigen.

Noch im April gerieten die europäischen Privatjetanbieter gehörig in Turbulenzen. Die europaweiten Grenzschließungen führten verbunden mit den staatlich angeordneten Lockdowns zu einem massiven Einbruch der Flugbewegungen um 71 Prozent. Auch der deutschsprachige Markt bekam dies zu spüren, wobei Deutschland mit einem Rückgang von 64 Prozent zu kämpfen hatte, während die Schweiz (minus 78 Prozent) und Österreich  (minus 79 Prozent) noch markanter im Minus lagen.

Chancen wahrgenommen

Raphael Spindelberger vom österreichischen Businessjetanbieter Jet Fly bestätigt gegenüber aeroTELEGRAPH: Wenn man die Zahlen der durchgeführten Flüge beziehungsweise der Flugstunden pro Flugzeug von März bis 15. Juni, als die Grenzen wieder geöffnet wurden, mit denen früheren Jahre vergleiche, «so müssen wir einen Rückgang um zirka 80 Prozent feststellen. Die einigen wenigen durchgeführten Rückholflüge könnte man im besten Fall als Ergebniskosmetik bezeichnen».

Die betroffenen Anbieter haben jedoch rasch die neuen Chancen der Krise erkannt. Während man im Verlauf eines regulären Linienfluges mit hunderten von anderen Passagieren reist, bietet der Privatflug naturgemäß eine wesentlich geringere Ansteckungsgefahr. Zudem haben die Privatfluglinien und Flughäfen zusätzliche Maßnahmen ergriffen, um die Ansteckungsgefahr zu verringern.

Fracht transportiert

So werden in etwa seit dem Spätsommer beim deutschen Anbieter DC Aviation alle Flugbesatzungen vor Abflug einem Covid-19 Schnelltest unterzogen, während der Flughafen Wien sein Angebot im VIP-Terminal des General Aviation Centers um einige Services erweiterte, wie Geschäftsführer Christoph Schmidt erläutert: «In Zusammenarbeit mit dem Health Center des Flughafens Wien haben wir frühzeitig PCR-Tests für unsere Passagiere angeboten». Dadurch habe man vermehrt neue Kunden für die VIP-Dienste gewinnen können. «Gerade in Covid-19-Zeiten kommen die Vorzüge des VIP-Terminals mit extrem kurzen Wegen und exklusiven Räumlichkeiten noch intensiver zur Geltung.»

Zahlreiche Logistiker hatten außerdem während des ersten Lockdowns mit dem Wegfall der regulären Fracht im Bauch der Linienflüge zu kämpfen. Manche Businessjetanbieter wie die in Wien ansässige Goldeckflug haben deshalb ihr Angebot um Frachtflüge erweitert. «Wir konnten den anfänglichen Abschwung im ersten Lockdown sehr schnell mit Anfragen für Cargoflüge kompensieren, mit allen Vorteilen, die unsere beiden Pilatus PC-12 NG dafür bieten. Mit allen Genehmigungen wurden Frachtflüge, Rückholflüge und zahlreiche Spezialflüge durchgeführt. Ab Mai ging der Fokus wieder mehr auf unser Kerngeschäft zurück und mit Juni konnten wir unsere Flugstunden sogar über das Vorjahresniveau steigern», sagt Marketingmanager Thomas Sachernegg.

Aufholjagd im Sommer

Mit der schrittweisen Lockerung der europaweiten Flugbeschränkungen kam auch das Fluggeschäft wieder langsam zurück, wobei sich die Privatjetunternehmen des DACH-Marktes besser erholten, als die im Rest Europas. Sowohl in Deutschland (plus 13 Prozent), der Schweiz (plus 14 Prozent) als auch in Österreich (plus 7 Prozent) verzeichnete man trotz anhaltender Pandemie einen Anstieg der Flugbewegungen gegenüber dem Vorjahr, während Märkte wie Großbritannien, Spanien oder Italien weiter unter der sinkenden Nachfrage zu leiden hatten.  Bereits im August zählte die Business Aviation in Europa gemäß den EBAA-Zahlen mit 83.586 Flugbewegungen ein nahezu gleichwertiges Ergebnis wie noch im Jahr zuvor.

Zahlreiche Privatjetanbieter suchten ihr Glück zudem in touristischen Nischen, wie in etwa bei Goldeckflug, die im Rahmen einer Kooperation mit einem kroatischen Hotelanbieter einen regulären Shuttledienst auf die Insel Brac anbot. Für Marketingmanager Sachernegg wurde dieses Projekt zu einem großen Erfolg: «Wir werden aufgrund der positiven Erfahrungen dieses Geschäftsfeld auf jeden Fall weiter ausbauen. Aktuell gibt es hohes Interesse von unseren Kunden für weitere Destinationen und gleichzeitig mehrere Anfragen für weitere Kooperationen».

Chancen an Regionalflughäfen

Während das Langstreckengeschäft aufgrund der zahlreichen Reisebeschränkungen auch über den Sommer weiter stagnierte, konnten Businessjetanbieter die mit kleinem Fluggerät operieren, satte Zuwächse verzeichnen.  Immer mehr Regionalflughäfen haben im Rahmen der Covid-19 Pandemie ihre Flugverbindungen zu den großen Umsteigeflughäfen wie Frankfurt oder Zürich verloren. So auch die oberösterreichische Industriestadt Linz, deren Flughafen seit Ausbruch der Krise über keine regulären Linienflüge mehr verfügt. Die dort ansässige Businessfluglinie Jet Fly hat deshalb über den Sommer am Aufbau einer für die regionale Industrie so notwendigen Linienverbindung zwischen Linz und Düsseldorf gearbeitet.

Die neuerlichen Grenzschließungen zwischen Österreich und Deutschland haben den Unternehmen jedoch noch im Herbst einen Strich durch die Rechnung gemacht, wie Marketingleiter Raphael Spindelberger berichtet: «Anfangs war das Feedback wirklich toll, leider verzeichneten wir jedoch in den letzten Wochen wegen der diversen Reisewarnungen nur vereinzelte Buchungen. Nichtsdestotrotz möchten wir auch im kommenden Jahr dieses neue Geschäftsreiseprodukt ab Linz anbieten, da wir der Meinung sind, dass eine Verbindung zwischen den beiden Städten für den oberösterreichischen Wirtschaftsraum von immenser Bedeutung ist».

Schwieriger Winter

Allen Bemühungen zum Trotz konnte laut EBAA das verlorene Geschäft des Frühlings, bis in den Herbst nicht ausreichend kompensiert werden. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2020 lag die Zahl der europäischen Business-Flugbewegungen immer noch 22 Prozent unter dem Vorjahr, wobei die Flughäfen Hamburg (minus 6 Prozent), Düsseldorf (minus 14 Prozent), Zürich (minus 17 Prozent) und Wien (minus 18 Prozent), im Vergleich mit den Flughäfen London-Luton (minus 42 Prozent), Barcelona (minus 41 Prozent) oder Farnborough (minus 39 Prozent), noch relativ glimpflich durch die Krise kamen. Auch für die Businessjet-Anbieter wird aber der Winter besonders hart.