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Michael O'Leary

«Der Branchenkollektivvertrag ist ein Blödsinn»

Das Ryanair-Urgestein im Interview über ganz unterschiedliche Themen wie Flight Shame, Boeing 737 MAX, Gewerkschaften – und Kommunismus.

Mit

Michael O’Leary ist seit 1. September Chef der neu geschaffenen Ryanair Gruppe, zu der Ryanair, Buzz in Polen, Lauda in Österreich und Malta Air zählen. Als solcher hat sich der erfolgsverwöhnte O’Leary mit einer Reihe von Problemen herumzuschlagen. Arbeitskonflikten in Großbritannien, Spanien und Portugal, dem Brexit, dem Grounding der 737 MAX, Personalabbau und sinkenden Gewinnen. Als neuer Konzerchef winkt ihm aber auch ein üppiger, nicht unumstrittener Bonus von fast 100 Millionen € über fünf Jahre, falls er den Aktienkurs verdoppelt. Vorige Woche war er in Wien und hat Michael Csoklich für AvaitionNetOnline das folgende Interview gegeben:

Wie geht es Ihnen in Ihrer neuen Verantwortung als Chef der Ryanair-Gruppe?

Die neue Aufgabe ist interessant und herausfordernd. Sie gibt mir aber auch mehr Zeit, um Lauda im österreichischen Markt weiterzuentwickeln, und auch die Märkte in Polen und Zentraleuropa.

Was sind denn die größten Herausforderungen?

Momentan: Rentabel zu bleiben, die Verzögerungen bei der Auslieferung der 737MAX, und, wie erwähnt, wie unsere Fluglinien in Österreich, Polen und Malta wachsen können.

Wie wichtig ist das Klimathema, die CO2-Emissionen, für Ryanair?

Ich denke, es ist wichtig, und eine Herausforderung für alle Fluglinien in den kommenden zehn Jahren. Der Fokus liegt auf den CO2-Emissionen, und obwohl Ryanair die sauberste Fluglinie in Europa ist, haben wir uns herausfordernde Umweltziele gesetzt. Wir liegen derzeit bei 60 Gramm CO2 pro Passagier und Kilometer, die Lufthansa bei 120 Gramm. Wir wollen die CO2 Emissionen, die schon die geringsten in Europa sind, um weitere 15 Prozent bis 2030 senken, und wir wollen an Bord innerhalb von fünf Jahren Plastikfrei sein.

«Flight-Shame» ist für Sie aber kein Thema, oder?

Nein, ist es nicht. Und für unsere Passagiere auch nicht, wir hatten im Vorjahr 142 Millionen Passagiere, heuer werden es 152 Millionen sein. Die Menschen können auf das Thema Flight Shame schon reagieren, indem sie von einer schmutzigen Fluglinie wie AUA und Lufthansa, die häufig zwei Flüge brauchen, um Passagiere zu ihrer Destination zu bringen, auf eine umweltfreundliche Billigfluglinie wie Lauda umsteigen, wo sie direkt zum Ziel geflogen werden. Das belastet die Umwelt deutlich weniger.

Sie haben jetzt neue Strecken ab Wien und mehr Flugzeuge in Wien angekündigt. Was kostet Lauda das?

Im ersten Jahr hat Lauda 150 Millionen Euro Verlust gemacht, heuer werden wir ihn auf 50 Millionen Euro reduzieren. Im kommenden Jahr erwarten wir bei Lauda mit neun Millionen Passagieren und treibstoffsparenden und damit günstigeren Flugzeugen den Break Even. Das wird uns mehr Profit bringen. Die neuen Strecken und Flugzeuge werden uns also nicht viel kosten, sondern sind der Weg, wie wir Lauda profitabler machen.

Die Kosten dafür sind in den 50 Millionen Verlust schon inkludiert?

Ja, das ist heuer alles inkludiert.

Im laufenden Geschäftsjahr wollen sie wie gesagt den Verlust reduzieren. Wie?

Vor allem einmal dadurch, dass wir die sehr teuren neun Lufthansa-Flugzeuge ersetzen. Damit hat uns Lufthansa ja wirklich hereingelegt. Dazu die Flotte vergrößern und neue Routen eröffnen. Lauda hat ein bisschen Pech im österreichischen und deutschen Markt, wo die Preise sehr niedrig waren in den letzten 12 Monaten, vor allem, weil Lufthansa den Kauf der Air Berlin dazu nutzte, auf innerdeutschen Strecken die Flugpreise zu erhöhen, und Lauda, die von und nach Deutschland fliegt, zu unterbieten.

Und in Wien gibt es einen Preiskrieg zwischen Level, Wizz Air und Austrian. Lauda wird diesen Krieg gewinnen, aber es ist schmerzhaft und wir verlieren Geld. Aber der Markt wird sich beruhigen. Level hat ja angekündigt, sich aus Wien zurückziehen zu wollen, Wizz Air hat ihre Wachstumspläne für Wien stark zurückgeschraubt und Austrian verliert Geld. Aber ich weiß nicht, wie lange Austrian noch weiter Geld verlieren kann. Der AUA CEO hat zwar gesagt, es ist ihm egal, wie viel Geld die AUA verliert – aber so funktioniert das Leben nicht.

Wie wichtig ist es Ihnen, auch die Personalkosten zu senken?

Gar nicht, wir haben die Löhne im vergangenen Jahr in Wien sogar erhöht. Wichtig ist, dass die Produktivität steigt. In den vergangenen Monaten haben wir allerdings eine steigende Zahl von Mitarbeitern, die sich krankmelden, häufig unmittelbar vor ihren freien Tagen. In einem Fall gab es 13 Krankmeldungen in weniger als 12 Monaten. Dieser Mitarbeiter ist entlassen worden. Wenn wir diese Mitarbeiter durch welche ersetzen, die wirklich willig sind zu arbeiten, und die kommen und ihre Dienstpläne abarbeiten, reduziert das unsere Kosten.

Die Mitarbeiter müssen also mehr arbeiten für dasselbe Gehalt.

Nein, sie haben einfach nur zu arbeiten.

Sie haben einige Probleme mit der Gewerkschaft in Österreich …

Nein, haben wir nicht.

Aber Sie hatten Probleme.

Ich glaube nicht, wir hatten keinen Streik. Ja, die Gewerkschaft thematisiert ein paar Themen in Presseaussendungen …

Aber Sie haben viel Druck ausgeübt.

Ich sehe nicht wo. Wizz Air hat gar keinen Betriebsrat. Es ist bequem für die Gewerkschaft vida, in Presseaussendungen Lauda zu kritisieren. Lauda schafft Jobs, zahlt höhere Gehälter, wächst, anerkennt vida und hat einen Betriebsrat. Wir wissen nicht, worüber vida sich beschweren könnte.

Die Gewerkschaft in Österreich will einen Branchen-Kollektivvertrag. 

Was ein Blödsinn ist!

Was würde so ein Kollektivvertrag für Lauda bedeuten?

Das geht gar nicht, denn es können nicht alle die hohen Kosten der AUA haben. Das wäre ein Rezept für ein Desaster. Wenn alle die hohen Kosten und die Ineffizienz der AUA hätten, müssten alle auch die hohen Preise haben. Und sogar trotz dieser hohen Preise verliert Austrian Geld. Das alles ist ja nur ein Vorwand der Gewerkschaft, um eine hochpreisige ineffiziente Fluglinie vor dem Wettbewerb zu schützen. Österreichs Regierung sollte Level, Lauda, ja sogar Wizz Air willkommen heißen, denn diese schaffen Wettbewerb und erhöhen das Angebot für die Passagiere. Schauen Sie sich an, wie stark der Flughafen Wien wächst! Nach 20 Jahren, wo sich nichts getan hat, ist er in den letzten drei Jahren der am schnellsten wachsende Flughafen in Europa. Diese nationalen Absprachen zum Schutz der AUA sind wie in Nordkorea und Russland, sie haben nie funktioniert. Kommunismus führt in die Armut.

Österreich ist kommunistisch?

Nein, aber das Konzept der Gewerkschaft: Ein Konzept, das auf alle passt, alle sollten die gleiche Ineffizienz haben. Aber das ist schlecht, denn dann reduziert man den Passagieren die Auswahl. Einer der größten Erfolge der EU ist, dass man diese Konditionen Lauda nicht auferlegen kann. Kommt der Branchen-Kollektivvertrag doch, dann würden wir Lauda Flugzeuge aus Wien abziehen und stattdessen Ryanair-Flugzeuge in Wien stationieren. Ryanair würde man so einen paneurpäischen österreichischen Kommunismus nie auferlegen.

Wenn der Branchen-Kollektivvertrag kommt …

... wird er nicht …

… aber wenn, dann kostet das Jobs?

Natürlich! Wizz Air würde gehen, Lauda würde gehen. Aber noch wichtiger: er würde die niedrigen Preise und den Wettbewerb gefährden.

Wer ist der größte Konkurrent von Lauda und Ryanair in Wien?

Die AUA ist Laudas Nr. 1 Konkurrent mit ihren 40 Prozent Marktanteil. Aber Lauda wächst schnell und wir wollen in fünf Jahren die AUA überholt haben.

Sie haben mit Boeing Verträge über bis zu 210 Maschinen des Typs 737 MAX, das Grounding bremst Ryanair. Wann, glauben Sie, wird die 737 Max wieder fliegen dürfen?

Ich bin jetzt optimistischer. In Nordamerika um Weihnachten, in Europa nach Weihnachten und unsere 737 MAX 200 (Anm.: Ryanair hat eine Sonderversion mit zusätzlichen Sitzplätzen geordert) folgen dann hoffentlich Ende Jänner, Anfang Februar.

Was kostet Sie diese Verzögerung?

Nicht viel, diese Kosten der verspäteten Auslieferungen übernimmt Boeing. Allerdings hat sich deswegen unser Wachstum heuer verringert und wird auch 2020 niedriger sein.

Wie hoch sind also die Kosten?

Das wissen wir nicht, es ist derzeit unmöglich, diese Kosten zu beziffern. Aber natürlich haben wir Passagiere verloren und haben Flugzeuge als Ersatz für die MAX leasen müssen. Es gibt also Kosten. Aber ich bin zuversichtlich, dass Boeing diese Kosten tragen wird und Boeing hat ja auch schon mit fünf bis sechs Milliarden US-Dollar vorgesorgt.