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Law is in the Air

Metal Neutral Joint Ventures – die besseren Allianzen

Allianzen sind nicht mehr aus der Luftfahrt wegzudenken. Deutlich darüber hinaus gehen sogenannte Metal Neutral Joint Ventures, die gar von kartellrechtlicher Freistellung profitieren. Was sind sie und was bieten sie?

Luftfahrtallianzen bildeten sich ab Beginn der 1990er-Jahre und wurden in der Folgezeit rasch zu der wohl prominentesten Form der Zusammenarbeit zwischen Airlines. Es handelt sich bei ihnen um langfristig angelegte, weitgehend formalisierte horizontale Bündnisse zwischen Fluggesellschaften zwecks Verfolgung bestimmter gemeinsamer Ziele und Interessen, ohne dass dies mit einer Kapitalverflechtung einherginge. Als Vorläufer eines solchen Konstrukts gilt ein 1992 geschlossenes Bündnis zwischen der niederländischen KLM und der damaligen amerikanischen Northwest Airlines.

Dieses war unmittelbares Ergebnis des seinerzeit gerade vereinbarten bilateralen Luftverkehrsabkommens zwischen den Heimatstaaten der Partner, das weitgehende kommerzielle Freiheiten zur Durchführung von Flugliniendiensten gewährte. Zuvor schon hatten beide Fluggesellschaften ab 1991 Codeshare-Flüge aufgenommen und das eigene Streckennetz auf dasjenige des jeweils anderen abgestimmt. Indes begrenzte sich die Zusammenarbeit von KLM und Northwest auf den Nordatlantikverkehr und auch hier nur auf einzelne Städteverbindungen, sodass sich daraus keine – der heutigen Allianz typische – globale Marktpräsenz ergab.

Der Siegeszug der Allianzen

Eine solche globale Marktpräsenz sollte erstmals der 1997 durch Air Canada, Lufthansa, SAS, Thai Airways und United Airlines gegründeten Star Alliance gelingen. Vorausgegangen war dieser Entwicklung hin zu einem multilateralen Netzwerk eine Vielzahl bilateraler Abkommen zwischen den späteren Partnern, vor allem zur Ausübung von Codeshare-Flügen. Im Zuge der Gründung der Star Alliance wurden diese Vereinbarungen in ein umfassendes Vertragswerk überführt, ohne dass damit eine Veränderung in kapital- oder gesellschaftsrechtlicher Hinsicht einhergegangen wäre.

In den Folgejahren wurde das Bündnis durch zusätzliche Mitglieder erweitert, die ähnliche Unternehmensstrategien aufweisen und sich sowohl geografisch ergänzen als auch hinsichtlich Service- und Qualitätsstandards ähneln. Heute bestehen neben der Star Alliance im wesentlichen zwei weitere große Allianzen: die 1999 gegründete Oneworld um American Airlines, British Airways und Iberia sowie das 2000 ins Leben gerufene Skyteam um Air France-KLM, Delta Air Lines und Korean Air. Unter diesen Bündnissen ist es in der Vergangenheit zu Austritten bzw. Wechseln der sie tragenden Fluggesellschaften gekommen.

Ziel und Zweck von Allianzen

Ziel und Zweck der Zusammenarbeit in Allianzen ist vornehmlich die Stärkung der Wettbewerbsposition der Bündnispartner durch verbesserten Marktzugang bei gleichzeitiger Kostenreduzierung. Typischerweise geschieht dies durch eine mehrfache Vermarktung vorhandener Kapazitäten und die Abstimmung von Flugplänen untereinander. Besonders vorteilhaft erweist es sich hier, wenn in einer Allianz Luftfahrtunternehmen zusammenkommen, die über große und zum Angebot der anderen Partner komplementäre Streckennetze verfügen, sodass eine (virtuelle) Ausweitung des Netzwerkes aller herbeigeführt wird.

Bemüht werden dazu der Luftverkehrswirtschaft typische Mechanismen, insbesondere das Codesharing. Hierzu gehen Allianzpartner einen Rahmenvertrag für eine multilaterale Kooperation und sodann zur Ausgestaltung dessen konkrete bilaterale Vereinbarungen untereinander ein. Darüber hinaus nutzen Allianzpartner Boden- und Flughafeneinrichtungen gemeinsam, betreiben gemeinschaftliche Vielfliegerprogramme bezoehungsweise erkennen solche wechselseitig an, schließen sich bei Einkauf und Beschaffung von beispielsweise Fluggeräten zusammen und stimmen sich zum Beispiel auch im Bereich von Wartung und Instandhaltung ab, um Synergien zu schaffen und Kosten zu senken.

Metal Neutral Joint Ventures

Eine Weiterentwicklung der klassischen Allianz stellen sogenannte Metal Neutral Joint Ventures dar. Bei einem solchen handelt es sich gewissermaßen um eine Allianz in der Allianz, da sich daran – mit wenigen Ausnahmen – nur ausgewählte Allianzpartner beteiligen. So beschreibt das Vekehrsministerium der USA Metal Neutrality als «an industry meaning that the partners in an alliance are indifferent as to which [one] operates the ‘metal’ (aircraft) when they jointly market services. […] Metal Neutrality may be achieved through revenue and/or comprehensive benefit sharing arrangements.» Somit geht die Integration und wirtschaftliche Tragweite eines Metal Neutral Joint Venture deutlich über andere Partnerschaften hinaus und ermöglicht insbesondere auch gemeinsame Tarif- und Kapazitätsplanung sowie eine gemeinsame Erlössteuerung der Beteiligten. Im Ergebnis dessen steht die Zulässigkeit eines Handelns, das andernfalls wettbewerbswidrig wäre.

Das Erscheinen von Metal Neutral Joint Ventures steht in einem engen Zusammenhang mit dem zunehmenden Abschluss von Luftverkehrsabkommen des liberalen Typs Open Skies. Als Anreiz für die Vereinbarung solcher Abkommen begannen die USA in den 1990er-Jahren, ihren Verhandlungspartnern die kartellrechtliche Freistellung für Mitglieder von Allianzen in Aussicht zu stellen. Als unmittelbare Folge sollte es davon profitierenden Unternehmen möglich sein, am Markt aufzutreten, als seien sie praktisch ein Unternehmen.

Schub mit EU-USA-Abkommen

Die kartellrechtliche Freistellung unterscheidet sich je nach betreffendem Luftfahrtunternehmen und Verkehrsmarkt, der sowohl global als auch geografisch begrenzt sein kann. Erteilt werden muss sie durch die jeweils zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörden aller durch die Metal Neutrality betroffenen Staaten. Einen erheblichen Schub erlebten Metal Neutral Joint Ventures mit dem Inkrafttreten des EU-USA Luftverkehrsabkommens im Jahr 2007.

In den Folgejahren wurden entsprechende Bündnisse im Nordatlantikverkehr eingegangen und vom US-Verkehrsministerium und der Europäischen Kommission – teilweise unter Auflagen – genehmigt, zum Beispiel zwischen Lufthansa und ihren Partnern bestehend aus unter anderem Air Canada und United Airlines (2009) oder zwischen American Airlines mit British Airways, Finnair, Iberia und Royal Jordanian Airlines im Jahr 2010.

Vorteile der Metal Neutrality

Für an Metal Neutral Joint Ventures beteiligte Airlines gehen die Vorteile über diejenigen einer bloßen Allianzmitgliedschaft hinaus. Eine solche Zusammenarbeit kommt in wirtschaftlicher Hinsicht einer Fusion jedenfalls auf denjenigen Strecken nahe, auf denen sie kartellrechtliche Freistellung genießen, ohne dass sich an ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Eigen- und Selbstständigkeit etwas änderte. Anders als im Falle der bloßen Allianzpartnerschaft erfordern diese Bündnisse mehr als eine vergleichsweise lose Kooperation und setzen bindende Übereinkünfte voraus, an deren Ende eine Teilung der mittels Durchführung von Flugliniendiensten erwirtschafteten Erträge steht, ungeachtet dessen, welches Unternehmen jene Dienste tatsächlich erbracht hat.

Einher gehen damit zahlreiche Vorzüge: Anstatt eines oder weniger Hubs können durch die Nutzung zahlreicher Drehkreuze nahezu alle Verkehrslandepunkte weltweit miteinander verbunden werden, ohne dass auf Angebote außerhalb des Konstrukts zurückgegriffen werden müsste. Jeder in einem solchen Bündnis organisierte Partner kann jedwede Verbindung eines anderen vermarkten und vertreiben, ohne an der Flugdurchführung selbst beteiligt zu sein. Ein Metal Neutral Joint Venture ist somit deutlich mehr als die Summe nur seiner Einzelteile.

Auch Reisende profitieren

Auch Passagiere profitieren, insoweit sich ihnen zusätzliche Möglichkeiten nahtlosen Reisens unter Inanspruchnahme verschiedener Flugdienste unterschiedlicher Partnerunternehmen ergeben, die sich für sie als einzige Verbindung darstellen. In der Regel verbreitert sich das Angebot, das einem weltweiten Netzwerk entspringt. Einher geht dies mit einer Verkürzung von Reisezeiten durch abgestimmte Flugpläne, geringere Warte- und Umsteigezeiten sowie die gegenseitige Anerkennung von Vielfliegerprogrammen.

Mitunter wird – wenngleich auch nicht unumstritten – angenommen, dass als Folge von Kostenersparnissen sowie einer besseren Nutzung vorhandener Kapazitäten auch eine Senkung von Beförderungspreise einträte.

Ein Fusionsersatz

Allianzen dienen seit ihrem ersten Auftreten dazu, Nachteile fehlender Fusions- und Übernahmemöglichkeiten aufgrund mittels bilateraler Luftverkehrsabkommen und nationalstaatlicher Gesetzgebung aufgestellter Eigentums- und Kontrollvorschriften zu begegnen. Ist aufgrund des Nationalitätserfordernisses eine grenzübergreifende Kapitalverflechtung nicht in signifikantem Umfang möglich, kommt die Zusammenarbeit im Rahmen einer Allianz einer solchen weitgehend nahe und dient somit als Surrogat.

Angesichts dessen werden sie auch spöttisch als Zusammenschluss für Arme bezeichnet (a poor man’s merger). Nichtsdestotrotz haben sie sich als Instrument der internationalen Luftverkehrswirtschaft etabliert und durchgesetzt. An Bedeutung gewinnen aber vor allem Metal Neutral Joint Ventures: Sie lassen im Rahmen liberaler Abkommen des Typs Open Skies eine weitergehende Integration rechtlich und wirtschaftlich selbstständiger Luftfahrtunternehmen zu. Im Ergebnis wird damit möglich, dass übliche Einschränkungen bilateraler Luftverkehrsabkommen umgangen werden, indem Fluggesellschaften mittels kartellrechtlicher Freistellung die kommerzielle Nutzung von Flugverbindungen davon lösen, welcher ihrer Partner diese tatsächlich durchführt.

Interesse an Abkommen wird wachsen

Insoweit kommt ein solches Bündnis einer echten Unternehmensverbindung wie in Gestalt der Fusion jedenfalls nahe. Folglich stehen an einem Metal Neutral Joint Venture beteiligte Luftfahrtunternehmen nicht mehr in Konkurrenz zueinander. Vielmehr verlagert sich dieser Wettbewerb und findet zwischen verschiedenen von kartellrechtlicher Freistellung profitierenden Bündnissen statt.

Zugleich erhöhen Metal Neutral Joint Ventures und darin zusammenrückende Luftfahrtunternehmen den Druck auf eine weiterere Liberalisierung der luftverkehrsrechtlichen Regelwerke. Wenn die USA die Gewähr einer kartellrechtlichen Freistellung weiterhin von dem Abschluss liberaler Open Skies Abkommen abhängig machen, wird bei vielen Staaten – zum Beispiel China – das Interesse an solchen wachsen, um die eigenen Airlines nicht einem wirtschaftlichen Nachteil gegenüber ihren europäischen oder beispielsweise – seit Inkrafttreten des US-japanischen Luftverkehrsverkehrsabkommen von 2009 – japanischen Wettbewerbern auszusetzen.

Neue Spielzüge möglich

Insbesondere solche Allianzmitglieder, die bisher nicht von einer entsprechenden Freistellung profitieren, werden daran interessiert sein, gegenüber freigestellten Partnern nicht in ein strategisches Hintertreffen zu gelangen. Es erscheint somit nicht unwahrscheinlich, dass Staaten, um heimischen Luftfahrtunternehmen den Weg in die Metal Neutrality zu ebnen, vermehrt bereit sein werden, Open Skies Abkommen zu schließen.

An dessen Ende könnten Partnerschaften zwischen US-amerikanischen, europäischen und asiatischen Fluggesellschaften und damit die Entstehung von quasi-globalen Luftverkehrsunternehmens stehen, mithin von Einheiten, die in Ansehung und unter Geltung traditioneller Marktzugangs- und Marktverhaltensregeln des internationalen Luftverkehrsrechts andernfalls nicht möglich wären.

Moritz G. Heile ist freier Kolumnist von aeroTELEGRAPH. Er ist Rechtsanwalt und Gründer der Kanzlei GOODVICE in Berlin. Er berät und vertritt schwerpunktmäßig Unternehmen der Luftfahrtbranche und unterrichtet als Lehrbeauftragter für Luftverkehrsrecht an der Universität zu Köln. Die Meinung der freien Kolumnisten muss nicht mit der der Redaktion übereinstimmen.