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Frauen im Cockpit

«Mädels, traut euch!»

Interview mit AUA-Pilotin Sabine Aspelmeyer.

Frauen im Cockpit sind noch immer eine Seltenheit – nicht nur bei Austrian Airlines. Zwar ist die Zahl weiblicher Piloten bei der AUA von Ende 2015 bis Ende 2018 von drei auf fünf Prozent gestiegen. Trotzdem sind Frauen im Cockpit weiter stark unterrepräsentiert. Über die Gründe und wie man das Interesse von Frauen, Pilotin zu werden, steigern kann, hat Michael Csoklich mit First Officer Sabine Aspelmeyer das folgende Interview geführt.

Frau Aspelmeyer, welche Berufswünsche hatten Sie denn als Kind?

Daran kann ich mich gar nicht erinnern. Aber ich erinnere mich ziemlich genau, dass ich ungefähr ab dem Alter von 14 Jahren Pilotin werden wollte.

Es gab also nie Berufswünsche wie Lehrerin, Psychologin, Anwältin?

Nein, nie.

Austrian Aviation Net: Waren Sie, im positiven Sinn, erblich vorbelastet?

Ja! Ich bin zu Hause mit der Fliegerei aufgewachsen. Mein Vater war Hobby-Pilot, hatte ein kleines Flugzeug und er hat mich schon als Kind oft mitgenommen. Ich bin also damit aufgewachsen, und das hat sich im Lauf der Jahre manifestiert.

War das dann ein unabänderlicher Berufswunsch, oder gab es, aus heutiger Sicht, Irrwege?

Es hat erzwungene Irrwege gegeben. Nach dem Abitur 1993 habe ich mich als Deutsche zuerst bei der Lufthansa beworben. Ich habe aber eine Absage bekommen, weil es wegen der Wirtschaftskrise keinen Bedarf gegeben und keine Airline ausgebildet hat. Da habe ich als Warteschleife Physik studiert. Zwei Jahre später habe ich dann doch die Möglichkeit einer Ausbildung bei der Lufthansa bekommen, und so bin ich dann nach meinem Bachelor in Physik wieder umgeschwenkt auf mein ursprüngliches Ziel.

Warum sind Sie dann bei Austrian gelandet?

Als ich mit meiner Ausbildung fertig war, gab es wieder keinen Bedarf bei Lufthansa, aber bei Austrian. Also bin ich nach Wien gegangen – und auch geblieben.

Zurück zur Kombination Physik und Pilotin. Diese ist ungewöhnlich, ist sie auch hilfreich?

Ja, sie ist nicht schlecht, auch keine vergeudete Zeit, aber auch kein riesiger Vorteil.

Eine Empfehlung, vor der Pilotenausbildung ein Studium zu machen, höre ich da nicht heraus.

Nein, aus meiner Sicht nicht.

Was fasziniert Sie denn an ihrem Beruf?

Na ja, am Anfang stand eher die Faszination, so ein riesiges Flugzeug beherrschen zu können. Dann kam, je mehr ich darüber gelernt habe, die Faszination an der Technik dazu. Und dass vom Wetter bis zu den Kolleginnen und Kollegen kein Tag wie der andere ist. In Summe ist die Kombination aus allem das Faszinierende: Technik, Teamwork, unterschiedliche Herausforderungen und die Verantwortung.

Wo Licht ist, gibt es Schatten. Was sind die Schattenseiten?

Klar, kein Vorteil ohne Nachteil. Es gibt Nachtflüge, das ist sicher herausfordernder. Oft sind die Dienste anstrengender, oder es gibt auf der Kurzstrecke viele Dienste hintereinander. Einmal früh aufstehen, einmal spät – man muss flexibel sein, das ist wichtig.

Was überwiegt?

Für mich eindeutig die Vorteile, nach wie vor.

Jetzt überwiegen offensichtlich die positiven Seiten. Dazu ist der Beruf Pilot abwechslungsreich, verantwortungsvoll, man sieht die Welt und verdient gut. Eigentlich ein Traumjob. Warum finden das trotzdem so wenige Frauen attraktiv?

Ja, das frage ich mich auch jeden Tag! Ich weiß es nicht. Ich vermute, dass es vielleicht noch immer gesellschaftlich bedingt ist. Dass viele Frauen gar nicht auf die Idee kommen, dass das ein interessanter Job für sie sein könnte und sich gar nicht damit beschäftigen. Man sieht ja hauptsächlich männliche Piloten, da denken vielleicht viele Frauen, dass das ein Männerjob ist und denken gar nicht darüber nach. Unverständlich, aber offenbar ist es so.

Leben wir mit unseren Rollenbildern noch zu sehr in Stereotypen?

Ich denke schon, dass Stereotype hierzulande noch sehr ausgeprägt sind. In den USA bewerben sich deutlich mehr Frauen, sogar in Deutschland sind es mehr, in Österreich aber sind es im Verhältnis zu anderen Ländern weniger.

Spielen Mädchen vielleicht zu viel mit Puppen?

Vielleicht! Mädchen bekommen keine Autos oder Flugzeuge zum Spielen. Ich habe zwei Kinder, einen Buben und ein Mädchen. Ich habe sicher meine Tochter genau so erzogen wie meinen Sohn, beide können spielen, womit sie wollen. Trotzdem hat mich meine Tochter vor 2 Jahren einmal gefragt: “Mama, warum fährst immer du mit dem Auto? Normalerweise fährt doch der Mann.” Woher kommt das also?

Dagegen sollte man etwas tun?

Ja!

Und zwar?

Interviews wie dieses geben, sagen und zeigen, dass diese Stereotype nicht stimmen. Öfter sagen, was der Job für Vorteile hat. Dass er nicht familienfeindlich ist, was er nämlich definitiv nicht ist. Das kann ich aus Erfahrung sagen. Aufklärung also, anders wird die Gesellschaft nicht zu verändern sein.

Jetzt sagen sie, das Beruf Pilot ist familienfreundlich. Bei den Flugbegleitern sind die Arbeits- und Abwesenheitszeiten gleich wie bei den Piloten. Warum werden so viele Frauen trotzdem lieber Flugbegleiterin statt Pilotin?

Ja leider! Ich war früher oft auf Berufsinformationsmessen. Da haben wir über die Berufe Flugbegleiter und Pilot aufgeklärt. 90 Prozent der Frauen, die an unseren Stand gekommen sind, wollten Flugbegleiterin werden. Wenn ich dann gefragt habe, ob sie nicht lieber Pilot werden möchten, sagten alle, auf die Idee wären sie nie gekommen, ihre Mama hätte beispielsweise gemeint, das ist sicher nichts für sie. Es kommt also von zu Hause, und oder von der Schule, dass die Mädchen gar nicht auf die Idee kommen.

Weil sie zu wenig technik-affin aufwachsen?

Ja, wahrscheinlich. Viele der von uns so angesprochenen Frauen haben es sich dann noch einmal überlegt und auch die Bewerbungsunterlagen für Pilot mitgenommen.

Kann es an den strengen Voraussetzungen für den Beruf liegen?

Nein, da bin ich sicher. Ich arbeite ja bei Austrian im Selektionsteam mit und habe daher einen guten Überblick über die Bewerberzahlen. Prozentual im Verhältnis zu den Bewerbungen bestehen nämlich ähnlich viele Frauen und Männer.

Jetzt gibt es große Bestrebungen bei Lufthansa und bei Austrian, den Frauenanteil unter den Piloten zu erhöhen. Das sagt sich leicht, wie aber ist das wirklich zu schaffen?

Ich denke, man muss Rollenmodelle schaffen, Vorbilder, muss zeigen, dass Pilot auch für Frauen ein toller Job ist. Das ist wahrscheinlich das Wichtigste, was man tun kann.

Die einen mögen sie, die anderen lehnen sie ab. Mögen Sie Quoten für Frauen?

Nein definitiv nicht. Davon halte ich gar nichts. Es sollen sich einfach viel mehr Frauen bewerben, der Auswahlprozess ist ja für alle gleich und das ist auch gut so. Wir wollen ja nicht Frauen oder Männer im Cockpit haben, sondern gute Piloten. Egal, ob Frau oder Mann.

Sind sie nur im Cockpit gegen Quoten oder generell?

Eigentlich generell. Ich finde, es kommt in allen Berufen auf die Qualifikation an. Warum sollte man da einen Unterschied machen?

Lässt sich etwas definieren, was Frauen im Cockpit anders machen als Männer?

Das kann ich ganz schwer sagen, weil ich selbst ja fast noch nie mit einer Kapitänin geflogen bin, ich fliege ja fast nur mit Männern. Ein einziges Mal auf der Kurzstrecke bin ich mit einer Kapitänin geflogen. Ich behaupte, da wird kein Unterschied sein, wir haben ja unsere festgelegten Verfahren, die jeder im Flugzeug gleich handhabt.

Sie haben sich also noch nie im Cockpit gedacht, das hätte ich jetzt anders gemacht als der Mann?

Na ja schon, das hängt aber nicht damit zusammen, dass er ein Mann war. In manchen Situationen hätte ich vielleicht grundsätzlich gesagt, das hätte ich jetzt anders gemacht. Aber das würde ich nicht am Geschlecht festmachen.

Geht es Ihnen auf die Nerven, ständig auf das Frauenbild angesprochen zu werden?

Auf die Nerven geht es mir nicht. Ich hoffe ja, dass wir mehr Frauen erreichen und dass sich mehr bewerben. Ich bin gegen das Quotendenken, das nervt, denn ich finde, es sollte keinen Unterschied geben. Ich bin genauso Pilot wie mein männlicher Kollege und habe bei Austrian auch nie die Erfahrung gemacht, dass ich von den männlichen Kollegen anders behandelt werde. Da gibt es keinen Unterschied.

Sind Sie im Cockpit mit Frauenfeindlichkeit konfrontiert? Ist das ein Thema?

Also bei mir und bei Austrian definitiv nicht.

Im Cockpit können Sie auch Extremsituationen erleben. Gehen Frauen damit anders um

Ich habe Gott sei Dank noch keine echte extreme oder gefährliche Situation erlebt im Cockpit. Es gibt Situationen, wo man angespannt ist, ja. Wie bei sehr schlechtem Wetter, und man deswegen zu einem anderen Flughafen muss, weil man nicht wie geplant landen kann. Aber da zeigt sich, wie gut das Teamwork bei uns funktioniert, wie gut wir aufeinander abgestimmt sind. Da funktioniert dann einfach alles.

Gibt es Grenzen beim Fliegen, die Sie als Pilotin nicht überschreiten würden?

Wir haben harte Limits, zum Beispiel bei Seitenwind und Rückenwind. Die würde sicher niemand von uns überschreiten. Es gibt vielleicht Situationen, in denen diskutiert wird. Wenn zum Beispiel die Frage ist, fliege ich durch diese Niederschlagszone noch durch oder weiche ich aus? Das sind soft facts, da gibt es Entscheidungsspielraum. Bei den harten Limits gibt es keinen Entscheidungsspielraum.

Wenn wir das Gespräch zusammenfassen, was sind für Sie die drei wichtigsten Argumente, wie sie Frauen überzeugen, doch Pilotin zu werden?

Aus meiner Sicht ist es erstens ein familienfreundlicher Beruf. Zweitens ist der Beruf sehr interessant, fordernd, mit viel Abwechslung und Verantwortung. Und drittens fasziniert das Teamwork, dass man mit Menschen zu tun hat. Und diese drei Punkte ergänzen sich sehr gut. Es ist nie langweilig, weder für Frauen, noch für Männer.

Wie würde ein Werbeslogan für den Beruf Pilotin lauten?

Mädels, traut euch!