Letzte Aktualisierung: um 19:39 Uhr

Interview mit Adrien Ney, Luxair Group

«Luxair braucht größere und mehr Flugzeuge»

Im Interview spricht Luxair-Chef Adrien Ney über den Abbau beim Service, die Erneuerung der Flotte sowie den Sinn eines Allianzbeitritts und eines strategischen Partners.

Die Luftfahrt steckt in schwierigen Zeiten. Mehrere europäische Fluggesellschaften gingen in den letzten Monaten pleite, viele andere überleben nur knapp. Beunruhigt Sie diese Situation?

Adrien Ney*: Natürlich. Der Preiskampf in Europa ist brutal und – außer für ein paar wenige Gewinner – für die Branche insgesamt fatal. Aber wir müssen seit vielen Jahren damit leben und haben uns angepasst. Es gibt keine Alternative. Der Lowcost-Sektor wird weiter wachsen, wenn auch in den kommenden Jahren wohl nicht mehr so stark wie bisher.

Der Preiskampf ist das eine, andererseits kämpfen Fluglinien wie auch Luxair mit steigenden Kosten …
Die steigenden Treibstoffpreise spürten wir natürlich stark, das ist richtig. Momentan gibt es da gerade eine Entspannung. Aber übers ganze Jahr gesehen wird die Fluggesellschaft Luxair wegen der höheren Ausgaben trotzdem einen deutlich höheren Verlust ausweisen als 2017, als sie relativ gut unterwegs war. Wir bleiben aber im Budgetrahmen.

Wollen Sie als Gegenmaßnahme die Preise erhöhen, wie viele Konkurrenten?

Wir können die steigenden Kosten nicht generell auf die Ticketpreise schlagen und so an die Kunden überwälzen. Dafür ist der Wettbewerb zu hart. Die günstigsten Tickets werden wohl künftig aber nicht mehr ganz so billig sein wie zuvor.

Sie bieten noch immer für alle Freigepäck, Zeitungen, Essen und Getränke, kennen keine Buchungsgebühr. Andere Airlines haben da schon längst abgebaut und so gespart. Ist das bei Luxair auch geplant?

Wir überlegen uns in der Tat, wie wir unsere Tarifstruktur für 2019 gestalten wollen. Da führen wir intern heftige Diskussionen. Ich bin aber der Meinung, dass wir den vollen Service so lange wie möglich beibehalten sollten. Das ist auch Teil unseres Erfolgsrezeptes. Andere Fluggesellschaften drehen das Rad ja teilweise schon zurück und bieten wieder Essen, nachdem sie das zuvor abgeschafft hatten.

Ziel ist es, auf einen Ladefaktor von über 70 Prozent zu kommen.

Trotz vollem Service ist der Ladefaktor mit 64 Prozent aber tief. Warum?

Wir müssen als Regionalairline eine hohe Konnektivität gewährleisten und insbesondere auch für die Geschäftsreisekunden viele Frequenzen anbieten. Wir fliegen zum Beispiel sechs Mal pro Tag nach London City, vier Mal nach München, vier Mal nach Mailand, vier Mal nach Paris. Das ist wichtig für uns. Das geht zwingend etwas auf Kosten des Sitzladefaktors. Unser Ziel ist es, bei Luxair im kommenden Jahr auf einen Ladefaktor von über 70 Prozent zu kommen.

Was tun Sie dafür?

Wir wollen mit einer Verfeinerung der Preispolitik mehr Kunden gewinnen.

Luxair Group mit Airline, Bodenabfertigung, Frachtabfertigung, Catering und Reiseveranstalter machte vergangenes Jahr insgesamt 9,9 Millionen Gewinn. Das dürfte dieses Jahr anders aussehen …
Nein! Unser Gruppengewinn wird 2018 in etwa gleich hoch ausfallen wie im Vorjahr. Wie alle Regionalairlines ist unsere Fluggesellschaft defizitär, die anderen Bereiche jedoch schreiben Gewinn. Besonders unser Reiseveranstalter Luxair Tours läuft dieses Jahr sogar sehr gut.

Wie machen Sie das – immerhin gibt es in Frankreich und in Deutschland große, starke Reisekonzerne und in nächster Nähe alternative Abflugorte als Konkurrenten.
Ja, das ist so. Wir haben inzwischen aber einen guten Ruf, uns gibt es seit 50 Jahren. Wir können erfolgreich sein, weil wir mit Luxair Tours eine hohe Qualität anbieten – vom Flugerlebnis, über das Hotel vor Ort bis hin zur Behandlung von Reklamationen. Das wissen die Kunden zu schätzen. Zudem ist unsere Preispolitik sehr dynamisch. So gelingt es uns, gegen die große Konkurrenz zu bestehen.

Mit Reisen und mit der Boden- und Frachtabfertigung verdienen Sie also Geld, die Airline Luxair ist dagegen defizitär. Sie wäre also alleine nicht überlebensfähig, richtig?

Das ist richtig, aber schon seit vielen Jahren so. Die breite Aufstellung unserer Gruppe hilft uns, diese Verluste auszugleichen. Hinzu kommt, dass wir eine sehr starke Bilanz haben, wir haben dicke Reservepolster. So können wir auch einmal einige härtere Jahre überstehen.

Unsere Durchschnittserlöse sind in den letzten Jahren stetig zurückgegangen.

Rein finanziell betrachtet wäre es also vorteilhaft, die Airline zu schließen?
Wenn wir jetzt ein Finanzinvestor wären, dann würden wir das vielleicht tun. Das sind wir aber nicht. Die Luxair Group hat auch eine nationale Aufgabe – die Verbindung Luxemburgs mit dem Ausland. Und die erfüllen wir mit Luxair gut. Zudem hilft die Flexibilität der Fluggesellschaft auch, im Reisegeschäft schnell und flexibel auf Nachfrageänderungen reagieren zu können.

Viele in Luxemburg haben sich vehement gegen die Billigairlines gewehrt. Jetzt sind Ryanair und Easyjet da – und man hat das Gefühl, es schadet Luxair nicht. Täuscht das?
Ja, es täuscht. Unsere Durchschnittserlöse sind in den letzten Jahren stetig zurückgegangen. Wenn wir heute noch so viel verdienen würden, wie vor dem Markteintritt von Easyjet und Ryanair, dann wäre Luxair heute profitabel. Wir sind aber damals zum Glück nicht in Panik verfallen, sondern haben unsere Preispolitik einfach dynamisiert und vermehrt ins Marketing investiert. Viele haben nicht geglaubt, dass wir das überleben würden. Doch es ist uns gelungen, unsere Stellung zu halten. Darauf bin ich stolz.

Luxair hat in den letzten zehn Jahren die Passagierzahlen sogar verdoppelt. Geht das so weiter?
Die Nachfrage nach Flügen in Luxemburg wird zweifelsohne weiter steigen. Und an diesem Wachstum wollen wir teilhaben. Wir erhöhen darum unsere Kapazität im kommenden Jahr um eine Boeing 737. Eine zweite zusätzliche 737 verwenden wir als Reserveflieger, um in den Sommermonaten Verspätungen wegen Pannen, Unwetter oder Streiks so gut wie möglich verhindern zu können. Bei diesen beiden zusätzlichen Flugzeugen wird es nicht bleiben.

Also bekommt Luxair in Zukunft eine noch größere Flotte?
Damit wir am Marktwachstum partizipieren können, brauchen wir mehr Kapazität. Und daher brauchen wir größere und mehr Flugzeuge. Vor diesem Hintergrund gehen wir generell über die Bücher und schauen uns an, mit welchem Flugzeugtyp wir das tun werden. Kommendes Jahr entscheidet der Aufsichtsrat der Gruppe darüber.

Und was sind die Kriterien, die bei der Wahl der künftigen Flugzeuge beachtet werden?
Die neuen Flugzeuge müssen unserem geplanten Wachstum Rechnung tragen und wir müssen sie auch profitabel füllen können. Zudem schauen wir natürlich auf die technischen Faktoren. Dabei kommen eigentlich nur drei Flugzeugtypen in Frage …

Für unseren Reiseveranstalter Luxair Tours werden wir die Boeing 737 wohl weiterhin brauchen.

… und das sind?
Für das Regionalfluggeschäft und damit als Ersatz für die elf Bombardier Dash 8 schauen wir uns die E2-Jets von Embraer an, den Airbus A220, also die ehemalige C-Series, und die CRJs von Bombardier. Für unseren Reiseveranstalter Luxair Tours werden wir die Boeing 737 wohl weiterhin brauchen.

Das heißt, Luxair wird auch weiterhin keine Einheitsflotte besitzen?

Ich kann die Entscheidung des Aufsichtsrates nicht vorwegnehmen. Aber ich denke, dass wir in einer Übergangsphase drei und am Ende zwei Flugzeugtypen besitzen werden. Eine Einheitsflotte wäre sicher ideal, aber ist bei unserem Geschäftsmodell unwahrscheinlich.

Ist für Luxair die Langstrecke ein Thema – da gibts in Luxemburg ja noch kein Angebot?

Wir fliegen jetzt im Rahmen des Veranstaltergeschäfts nach Ras Al Khaimah und Kap Verde. Das sind unsere längsten Strecken. Wenn wir noch weiter fliegen möchten, bräuchten wir einen neuen Flugzeugtyp. Das wäre eine hohe Investition und würde auch unser Geschäftsmodell verkomplizieren. Zudem ist auf den Langstrecken die Konkurrenz gigantisch. Passagiere können heute in Frankfurt, München, Paris, Wien und Zürich bequem auf internationale Flüge umsteigen. Wir haben diese Analyse natürlich schon ein paar Mal gemacht und jedes Mal gemerkt, dass es sich nicht lohnt. Luxair geht nicht auf die Langstrecke, das ist nicht unser Geschäft.

Würde es Ihnen da nicht helfen, Mitglied in einer Allianz zu sein?

Es macht keinen Sinn. Das würde uns als Regionalairline nur zusätzliche Kosten bringen. Wenn wir einer Allianz beitreten würden, würden wir auch riskieren, gewisse Codeshare-Abkommen zu verlieren. Der Erhalt unserer Neutralität ist für uns sehr wichtig.

Viele Fluggesellschaften Ihrer Größe suchen einen Partner. Ist das auch für Luxair eine Option? Immerhin war Lufthansa ja einmal mit 12,8 Prozent an Luxair beteiligt.
Lassen Sie uns ehrlich sein: Diese Partnerschaft hat uns nichts gebracht. Im Gegenteil. Als Lufthansa unser Aktionär war, wurde die Konkurrenz durch Frankfurt und München immer stärker. Wir sind darum nicht auf der Suche nach einem Partner und es hat sich auch kein Interessent bei uns gemeldet.

Es ist eine anspruchsvolle Branche, aber es macht mehr Spaß.

Wie sieht es eigentlich heute mit dem Aktionariat aus – wird die Gruppe auf absehbare Zeit staatlich bleiben?

Wir sind kein Staatsunternehmen wie die Eisenbahn. Wir sind ein marktwirtschaftliches Unternehmen mit mehrheitlich staatlichen Aktionären. Der Staat hält 39,05 Prozent, die staatliche Banque et Caisse d’Epargne de l’Etat besitzt 21,81 Prozent. Das bringt uns eine wichtige Stabilität. Aktuell gibt es keine Bestrebungen, daran etwas zu ändern und das finde ich auch gut so. Schließlich liegen wir dem Staat auch nicht auf der Tasche, wir liefern ihm sogar Dividenden ab.

Lässt Ihnen die Regierung eigentlich freien Lauf oder gibt es eine Grenze, bis zu der Sie Verluste schreiben dürfen?
Wir müssen uns im Rahmen des Budgets bewegen und unsere volkswirtschaftlichen Aufgaben wahrnehmen. Die Regierung redete uns aber nicht ins Geschäft.

Sie waren Banker, arbeiten jetzt in der Luftfahrt. Was gefällt Ihnen eigentlich besser?
Keine Frage: Die Luftfahrt ist greifbarer und bodenständiger. Es ist eine anspruchsvolle Branche, aber es macht mehr Spaß.

Sie sind seit 2005 bei der Luxair Group – ungewöhnlich lange. Wie viele Jahre wollen Sie noch weitermachen?
13 Jahre sind eine lange Zeit, ganz besonders in dieser Branche. Ich werde nächstes Jahr zudem 62. Daher ist klar, dass ich nicht mehr unendlich lange weitermache.

*Adrien Ney (61) ist Luxemburger. Nach abgebrochenem Hochschulstudium begann er seine Karriere als Geldmarkt- und Devisen-Händler, arbeitete später als Banker in Paris und New York und kehrte dann in seine Heimat zurück, wo er zuletzt Chef von Commerzbank International war. Im Juni 2005 wurde er Chef der Luxair Group.