Letzte Aktualisierung: um 18:26 Uhr

Zubringerflüge

Lufthansa setzt Condor eine Bedenkfrist bis Heiligabend

Das oberste deutsche Gericht hat eine Beschwerde des Ferienfliegers abgewiesen. Lufthansa sieht sich daher nicht mehr verpflichtet, zu den bisherigen Konditionen Condors Zubringer zu sein. Sie hat der Fluglinie ein neues Angebot gemacht - mit Frist.

Es ist eine bittere Nachricht für Condor und das mitten im Advent. Der Kartellsenat des deutschen Bundesgerichtshofs hat am Freitag (20. Dezember) einen Beschluss veröffentlicht, der eine Niederlage für den Ferienflieger ist – und auch eine Rüge an das Bundeskartellamt. Gefällt wurde der Beschluss bereits am 3. Dezember.

Es geht um den Streit zwischen Lufthansa und Condor über das gemeinsame Zubringer-Abkommen. Das sogenannte Special Prorate Agreement ermöglichte es Condor bisher, Fluggäste zu bestimmten Konditionen auf Lufthansa-Flügen Richtung Frankfurt zu platzieren und diese somit als Zubringer fürs eigene Langstreckenangebot zu nutzen.

Frist läuft Heiligabend aus

Lufthansa versucht seit Jahren, das Abkommen zu kündigen. Condor wehrt sich dagegen und hat dabei auch das Bundeskartellamt auf seiner Seite, das vor zwei Jahren zugunsten des Ferienfliegers entschieden hatte. Lufthansa dagegen bekam im Juli vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf recht. Dagegen wiederum gingen Condor und das Kartellamt vor. Doch diese Beschwerden hat der Bundesgerichtshof nun abgewiesen.

Ein Lufthansa-Sprecher sagte gegenüber aeroTELEGRAPH, man habe nach diesem Beschluss «keine Rechtspflicht, das Special Prorate Agreement aufrechtzuerhalten». Man habe Condor jedoch ein neues Angebot gemacht mit Frist bis Dienstag, 24. Dezember, Heiligabend. Lehne der Ferienflieger das Angebot – zu dem der Sprecher keine Details nannte – ab, werde Lufthansa den Zubringervertrag umgehend beenden.

Condor geht von Einigung aus

Eine Condor-Sprecherin sagte, der Beschluss des Bundesgerichtshofs weise die Beschwerde des Bundeskartellamts und von Condor gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf «im vorläufigen Verfahren – gestützt auf einen Verfahrensfehler – zurück». Inwieweit man «rechtlichen Anspruch auf eine in einer kommerziellen Vereinbarung geregelte Zubringung aufgrund Lufthansas Marktmacht hat, wurde hingegen nicht entschieden». Das Hauptsacheverfahren in Düsseldorf werde im April 2025 fortgesetzt. «Alle bereits getätigten Buchungen unserer Gäste behalten auch weiterhin ihre Gültigkeit.»

Die Sprecherin bestätigte, dass Condor von Lufthansa einen Vorschlag erhalten hat. Man befinde sich in guten Gesprächen. «Wir gehen davon aus, dass kurzfristig eine Einigung erzielt und ein partnerschaftliches Fundament für die langfristige Zusammenarbeit gefunden werden wird.» Die Lufthansa-Gruppe sei «für Condor unverzichtbarer Partner», da sie «die überwältigende Mehrheit an Kapazitäten für die Zubringung nach Frankfurt stellt».

Wie der ganze Streit begann

Um zu verstehen, worum es bei dem Beschluss des Bundesgerichtshofs im Detail geht, ist zunächst ein Blick in die Vergangenheit nötig: Lufthansa kündigte das Zubringer-Abkommen im November 2020. Condor wehrte sich. Im Januar 2021 schlug sich das Bundeskartellamt auf die Seite von Condor und leitete ein Missbrauchsverfahren gegen Lufthansa ein. Im März 2022 wurden das Abkommen zwischen Lufthansa und Condor sowie Lufthansa-Tochter Brussels und Condor bis Ende Oktober verlängert. Im August 2022 stellte das Kartellamt fest, Lufthansa habe gegen Kartellrecht verstoßen, und verpflichtete die Fluggesellschaft zu neuen Abkommen mit Condor nach bestimmten Maßgaben.

Nun legte Lufthansa Beschwerde ein. Im Mai 2024 ordnete das Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht eine aufschiebende Wirkung der Beschwerde an, bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Lufthansa sah sich erneut in der Position, das Zubringer-Abkommen zu kündigen. Und die Entscheidung des Düsseldorfer Gerichts enthielt ein pikantes Detail. Es ging um einen Aktenvermerk des Kartellamtes, der Lufthansas Juristinnen und Juristen ins Auge gefallen war und aufgrund dessen das Gericht von «Besorgnis der Befangenheit» sprach. Auch dagegen wehrten sich das Kartellamt und Condor mit Rechtsbeschwerden beim Bundesgerichtshof.

«Besorgnis der Befangenheit begründet»

Der Bundesgerichtshof ordnete auf Antrag von Condor in einer ersten Entscheidung im Oktober – kurz vor einem erneuten Auslaufen des Special Prorate Agreements – an, dass die Kooperation fortgesetzt werden muss bis zu einer abschließenden Entscheidung. Die ist nun da – und eindeutig: «Die Rechtsbeschwerden gegen den Beschluss des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2024 werden als unzulässig verworfen», heißt es. «Die vom Bundeskartellamt und von Condor eingelegten zulassungsfreien Rechtsbeschwerden wie auch ihre Nichtzulassungsbeschwerden bleiben ohne Erfolg.»

Die Begründung hat es in sich: «Das Beschwerdegericht hat zu Recht beachtliche Gründe für die Annahme bejaht, dass gegen die Mitglieder der 9. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts die Besorgnis der Befangenheit begründet war», heißt es.

Ein Vermerk mit geschwärzten Stellen

Der Bundesgerichtshof verweist auf ein Gesuch von Lufthansa um Akteneinsicht. Dabei ging es um einen Vermerk zu einem Gespräch vom 18. Dezember 2020 zwischen Mitgliedern der Beschlussabteilung des Kartellamtes und Vertretern des Bundeswirtschaftministeriums. Das Amt habe Lufthansa eine Fassung des Vermerkes zukommen lassen, «die nicht dem Originalvermerk entspricht und in der Formulierungen weggelassen, verändert oder geschwärzt wurden, die aus Sicht eines vernünftig und besonnen denkenden Beteiligten für eine politische Einflussnahme zum Nachteil von Lufthansa sprechen könnten».

Das Argument, der teilweise geschwärzte Vermerk sei durch Büroversehen versandt worden, konnte aus Sicht des Düsseldorfer Gerichtes den Eindruck eines bewussten Vorenthaltens der Originalfassung des Vermerks nicht ausräumen. Der Bundesgerichtshof nennt diese Beurteilung nun «in der Sache richtig».

«Misstrauen in die Unparteilichkeit»

Zwar sei – entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts – grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn eine Beschlussabteilung schon vor Verfahrenseinleitung und vor Anhörung des Betroffenen Gespräche mit dem Wirtschaftsministerium führe, soweit sie dem Informationsaustausch und der Sachverhaltsermittlung dienten, so der Bundesgerichtshof. «Zu den Grundlagen einer fehlerfreien Verfahrensführung gehört es allerdings, dass Gespräche mit Vertretern des politischen Raums vor Abschluss des Verfahrens lückenlos dokumentiert und für die Verfahrensbeteiligten transparent gemacht werden».

Das Oberlandesgericht habe «zu Recht beachtliche Gründe für die Annahme bejaht, dass die Übermittlung der nicht dem Original entsprechenden Fassung des Gesprächsvermerks vom 18. Dezember 2020 auf das Akteneinsichtsgesuch von Lufthansa einen schwerwiegenden Verfahrensfehler darstellt, der geeignet ist, Misstrauen in die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der Mitglieder der Beschlussabteilung zu begründen», heißt es im jetzt bekannt gewordenen Beschluss.

Entschärfte Formulierungen

Doch worum ging es im Vermerk? «Einige Formulierungen dieses Originalvermerks könnten so verstanden werden, dass die Beschlussabteilung bemüht war, ihre Verfahrensweise mit den politischen Interessen des Wirtschaftsministeriums in Einklang zu bringen», so der Bundesgerichtshof. «Darauf deutet insbesondere der Vorschlag hin, eine zweigleisige Strategie zu fahren. Das lässt sich – auch unter Berücksichtigung des weiteren Inhalts des Vermerks – dahingehend auslegen, dass sowohl mit kartellbehördlichen als auch mit politischen Mitteln versucht werden sollte, die Situation für Condor zu verbessern.» Diese Formulierung sei in der an Lufthansa übermittelten Fassung nicht enthalten gewesen.

Weitere Äußerungen, die laut Originalvermerk während des Gesprächs gefallen sind, finden sich in der an Lufthansa übermittelten Fassung nur abgeschwächt wieder. Während dem Original zufolge die Vorsitzende der Beschlusskammer geäußert hatte, das mögliche Argument von Lufthansa, sie benötige die von Condor genutzten Kapazitäten selbst, sei «wohl nicht tragfähig», lautet die übermittelte Fassung, das Argument sei «zu überprüfen».

Verschwundene Satzteile

Im Original heißt es außerdem, die Beschlusskammer müsse nach einem Telefonat mit der EU-Kommission, bei dem Zuständigkeitsfragen geklärt werden sollten, schnell entscheiden. Denn seit der Kündigung seien Condor-Flüge im Sommer 2021 nicht mehr gemeinsam mit Zubringerflügen von Lufthansa buchbar und das Ziel müsse sein, den Zustand rasch zu beenden. Der im Originalvermerk enthaltene Satzteil «das Ziel müsse sein, diesen Zustand rasch zu beenden» fehlt allerdings in der Version, die Lufthansa erhielt.

Auch der Satz, eine einstweilige Anordnung könne «nur auf Grundlage des derzeit geltenden Rechts erfolgen» wurde abgeändert. Stattdessen heißt es: «Sollten die Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung des Amtes tatsächlich vorliegen, könne diese nur auf Grundlage des derzeit gelten-den Rechts erfolgen.»