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Lufthansa macht Milliardenverlust und plant Kündigungen

Der Einbruch der Nachfrage nach Flugreisen aufgrund der Corona-Pandemie hat bei der Lufthansa-Gruppe im zweiten Quartal zu einem Umsatzrückgang um 80 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro geführt (Vorjahr: 9,6 Milliarden Euro). Der größte Teil des Umsatzes (1,5 Milliarden Euro) wurde durch Lufthansa Cargo und Lufthansa Technik erwirtschaftet.

Das Adjusted Ebit (bereinigtes Ergebnis vor Steuern und Zinsen) des Konzerns belief sich im Berichtsquartal auf minus 1,7 Milliarden Euro (Vorjahr: 754 Millionen Euro) – und das trotz umfangreicher Kostensenkungen. So konnten die operativen Aufwendungen um 59 Prozent reduziert werden, vor allem durch die Einführung von Kurzarbeit für große Teile der Belegschaft und die Streichung nicht betriebsnotwendiger Ausgaben. Diese Maßnahmen konnten den Umsatzrückgang allerdings nur teilweise kompensieren. Das Konzernergebnis für die Monate April bis Juni summierte sich auf minus 1,5 Milliarden Euro (Vorjahr: 226 Millionen Euro).

Der Geschäftsbereich Logistik profitierte von einer stabilen Nachfrage. Angesichts des Wegfalls von Frachtkapazitäten in den Passagierflugzeugen («Bellies») führte dies zu deutlich steigenden Durchschnittserlösen. Das Adjusted Ebit von Lufthansa Cargo stieg somit auf 299 Millionen Euro (Vorjahr: minus 9 Millionen Euro).

Treibstoffkostenabsicherung belastet

Im gesamten ersten Halbjahr 2020 gingen die Umsatzerlöse der Lufthansa-Gruppe um 52 Prozent auf 8,3 Milliarden Euro zurück (Vorjahr: 17,4 Milliarden Euro). Das Adjusted Ebit betrug minus 2,9 Milliarden Euro (Vorjahr: 418 Millionen Euro), das Ebit minus 3,5 Milliarden Euro (Vorjahr: 417 Millionen Euro). Die Differenz zwischen beiden Kennzahlen ergibt sich im Wesentlichen aus außerplanmäßigen Abschreibungen auf Flugzeuge und Nutzungsrechte an Flugzeugen in Höhe von 300 Millionen Euro, Abschreibungen auf Firmenwerte von 157 Millionen Euro und Wertberichtigungen von Joint Venture Beteiligungswerten im Geschäftsbereich Technik in Höhe von insgesamt 62 Millionen Euro.

Darüber hinaus belastete die negative Marktwertentwicklung von Verträgen zur Treibstoffkostenabsicherung das Finanzergebnis in den ersten sechs Monaten des Jahres mit 782 Millionen Euro. Gegenüber dem Stand zum ersten Quartal verringerte sich dieser Effekt um 205 Millionen Euro. Das Konzernergebnis belief sich damit im ersten Halbjahr auf minus 3,6 Milliarden Euro (Vorjahr: minus 116 Millionen Euro).

Verkehrsentwicklung im Quartal und Halbjahr

Im zweiten Quartal 2020 beförderten die Airlines der Lufthansa-Gruppe 1,7 Millionen Fluggäste, 96 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Das Angebot verringerte sich um 95 Prozent. Der Sitzladefaktor lag bei 56 Prozent und damit 27 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert. Das Frachtangebot sank aufgrund fehlender Kapazitäten auf Passagierflugzeugen um 54 Prozent. Der Rückgang der verkauften Frachtkilometer lag bei 47 Prozent. Darin spiegelt sich ein um 10 Prozentpunkte höherer Nutzladefaktor (71 Prozent) wider.

In den ersten sechs Monaten haben die Airlines der Lufthansa Group insgesamt 23,5 Millionen Fluggäste befördert, zwei Drittel weniger als im Vorjahreszeitraum (minus 66 Prozent). Das Angebot verringerte sich um 61 Prozent. Der Sitzladefaktor ist in diesem Zeitraum um 9 Prozentpunkte auf 72 Prozent gesunken. Das Frachtangebot ist um 36 Prozent zurückgegangen, die verkauften Frachtkilometer um 32 Prozent. Daraus ergibt sich ein um 4 Prozentpunkte höherer Nutzladefaktor von 66 Prozent.

Cashflow- und Liquiditätsentwicklung

Die Investitionen sanken vor allem aufgrund von Verschiebungen geplanter Flugzeugauslieferungen im ersten Halbjahr auf 897 Millionen Euro (Vorjahr: 1.904 Millionen Euro), wobei im zweiten Quartal nur noch 127 Millionen Euro Investitionen zu verbuchen waren. Die drastische Verringerung der Investitionen, der konzernweite Fokus auf die Sicherung der Liquidität und ein striktes Working Capital-Management begrenzten trotz des deutlichen Ergebnisrückgangs den Mittelabfluss. Der Adjusted Free Cashflow betrug damit im ersten Halbjahr minus 510 Millionen Euro (Vorjahr: 269 Millionen Euro). Die Nettoverschuldung erhöhte sich gegenüber dem Jahresende 2019 um 10 Prozent auf 7,3 Milliarden Euro.

Die zentral verfügbare Liquidität betrug am 30. Juni 2,8 Milliarden Euro, ein Rückgang von 1,4 Milliarden Euro gegenüber dem Stand am Ende des ersten Quartals (31. März 2020: 4,2 Milliarden Euro).

Schon 2,3 Milliarden Euro Staatshilfe

Die zur Stabilisierung des Lufthansa-Konzerns zugesagten Mittel vor allem des Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesrepublik Deutschland (WSF) sind in den Liquiditätszahlen zum 30. Juni 2020 noch nicht enthalten. Inklusive dieser Mittel in Höhe von insgesamt neun Milliarden Euro, standen dem Konzern am 30. Juni 2020 in Summe 11,8 Milliarden Euro an Liquidität zur Verfügung.

Seit Anfang Juli sind dem Konzern 2,3 Milliarden Euro aus dem Stabilitätspaket zugeflossen. Durch die Kapitalerhöhung, mit der der WSF eine Beteiligung von 20 Prozent am Grundkapital der Gesellschaft aufbaute, gingen der Lufthansa Group rund 300 Millionen Euro liquide Mittel zu. Der Abruf der ersten Tranche der KfW-Fazilität trug eine Milliarde Euro bei, der Aufbau der Stillen Beteiligung II seitens des WSF sorgte für einen Mittelzufluss von einer weiteren Milliarde Euro.

Mittelabflüsse seit dem Bilanzstichtag bezogen sich vor allem auf die Auszahlung von Rückerstattungsansprüchen für ausgefallene Flüge. Im Juli zahlte der Konzern knapp eine Milliarde Euro aus. Insgesamt hat der Konzern im laufenden Jahr 2020 bislang rund zwei Milliarden Euro an Kunden erstattet.

Erholung erst bis 2024 erwartet

Der Konzern geht aktuell davon aus, dass die Nachfrage nach Flugreisen frühestens im Jahr 2024 wieder das Niveau von vor der Krise erreicht. Die Lufthansa Group hat daher ein umfassendes Restrukturierungsprogramm mit dem Titel ReNew beschlossen, das auch die bereits laufenden Restrukturierungsprogramme der Airlines und Servicegesellschaften umfasst.

Ziel bleibt es, die globale Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der Lufthansa Group zu erhalten. Das Programm sieht den Abbau von 22.000 Vollzeitstellen in der Lufthansa Group vor. Die Konzernflotte soll dauerhaft um mindestens 100 Flugzeuge verkleinert werden. Dennoch soll die im Jahr 2024 angebotene Kapazität der des Jahres 2019 entsprechen. Dazu soll die Produktivität bis 2023 um 15 Prozent erhöht werden, unter anderem durch die Reduktion der Flugbetriebe auf zukünftig maximal zehn.

Betriebsbedingte Kündigungen geplant

Die Zahl der Mitarbeiter der Lufthansa Group ist zum 30. Juni 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt um knapp 8.300 auf aktuell 129.400 Mitarbeiter gesunken. Ziel des Konzerns war es, betriebsbedingte Kündigungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Vor dem Hintergrund der Marktentwicklungen im globalen Luftverkehr und basierend auf dem Verlauf der Verhandlungen zu notwendigen Krisenvereinbarungen mit den Tarifpartnern ist dieses Ziel auch für Deutschland nicht mehr realistisch.

«Wir erleben eine Zäsur des globalen Luftverkehrs. Vor 2024 rechnen wir nicht mehr mit einer anhaltenden Rückkehr der Nachfrage auf das Vorkrisenniveau», sagte Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG. «Insbesondere bei Langstreckenverbindungen wird es keine schnelle Erholung geben. Zwar konnten wir im ersten Halbjahr mit striktem Kostenmanagement sowie Erlösen von Lufthansa Technik und Lufthansa Cargo gegensteuern. Und wir partizipieren insbesondere mit unseren Privatreiseangeboten der Marken Eurowings und Edelweiss von ersten Erholungstendenzen auf touristischen Strecken.» Eine tiefgreifende Restrukturierung bleibe Lufthansa uns dennoch nicht erspart.

«Wir sind davon überzeugt, dass sich die gesamte Luftfahrt an eine neue Normalität anpassen muss», so Spohr. «Die Pandemie bietet unserer Industrie eine einzigartige Gelegenheit zur Neukalibrierung: Das Gewohnte in Frage zu stellen und statt nach ‘Wachstum um jeden Preis’ zu streben, nachhaltig und verantwortungsvoll Werte zu schaffen.»

Große Bedeutung von Eurowings und Edelweiss

Seit Anfang Juli hat der Konzern sein Flugprogramm weiter ausgebaut. Dies betrifft vor allem die touristische Kurzstrecke. Der Konzern hatte den Ausbau seiner Marktposition in diesem Segment bereits vor der Coronakrise zu einem Schwerpunkt seiner Strategie gemacht. «Dabei kommt den Airlines Eurowings und Edelweiss eine wichtige Bedeutung zu», schreibt Lufthansa.

Im Juli hat der Konzern das Angebot schrittweise auf rund 20 Prozent des Vorjahresniveaus gesteigert, mit Ladefaktoren im europäischen Kurzstreckenverkehr von über 70 Prozent.

Ausblick bis Jahresende

Im dritten Quartal soll die angebotene Kapazität auf der Kurz- und Mittelstrecke durchschnittlich auf rund 40 Prozent, auf der Langstrecke auf rund 20 Prozent des Vorjahreswerts gesteigert werden. Im vierten Quartal soll die Kapazität auf durchschnittlich rund 55% (Kurz- und Mittelstrecke) bzw. rund 50 Prozent (Langstrecke) weiter erhöht werden. Damit sollen bis Jahresende rund 95 Prozent der Kurz- und Mittelstreckenziele und rund 70 Prozent der Langstreckenziele wieder angeflogen werden. Dank einer hohen Flexibilität in der Angebots- und Kapazitätsplanung können die Werte auch kurzfristig variieren.

Trotz der Kapazitätsausweitung erwartet die Lufthansa Group auch im zweiten Halbjahr 2020 ein deutlich negatives Adjusted Ebit und für das Gesamtjahr damit weiter einen signifikanten Rückgang des Adjusted Ebit. Darin spiegelt sich die Erwartung wider, dass wichtige Langstreckenverbindungen aufgrund anhaltender Reiserestriktionen weiterhin nur sehr eingeschränkt angeflogen werden können.