Daniel Broda, Leav
«Leav war praktisch von Tag eins an profitabel»
Leav ist eine der jüngsten Fluglinien Deutschlands. Im Interview spricht Geschäftsführer Daniel Broda über die Tücken des Wet-Lease-Geschäfts, Preisdruck, Konkurrenz aus Osteuropa und einen Ausbau der Flotte.
Daniel Broda: «Der A320 ist tatsächlich ideal für unser Geschäft».
Daniel Broda: «Der A320 ist tatsächlich ideal für unser Geschäft».
Sie haben vor vier Jahren mitten in der Pandemie eine Fluggesellschaft in Deutschland gegründet. Da muss man schon ein Stück weit verrückt sein, oder?
Daniel Broda*: Ja, ein wenig stimmt das wohl. Damals schwammen wir tatsächlich gegen den Strom. Ich war lange Zeit Pilot bei Easyjet und lernte damals meinen Mitgründer Johannes Klinsmann kennen, der bei Germania gearbeitet hat. Wir verstanden uns gut und haben beide trotz der von der Pandemie ausgelösten Krise und der vielen negativen Prognosen die Chancen in der Branche gesehen. Unsere erste Idee war, die Lücke für Ferienflüge ab Köln zu schließen. Wir spielten sogar mit dem Gedanken, eine kleine, bereits bestehende Airline zu übernehmen. Doch je intensiver wir uns untereinander und mit Branchenkollegen austauschten, desto klarer wurde uns: Es macht mehr Sinn, bei null zu starten – ohne irgendwelche Altlasten und mit einem frischen Konzept. Uns spielte dabei in die Karten, dass es zu dieser Zeit viele Fachleute gab, die ohne Job waren – nicht nur wegen Corona, sondern auch durch das Aus von Germanwings, LGW und Sun Express Deutschland. Dieses Know-how konnten wir für unser Projekt gewinnen – und das hat uns enorm geholfen.
Sie setzten dann aber doch nicht primär auf Ferienflüge, sondern auf Wet-Lease- und Ad-hoc-Charterflüge. Warum?
Das hatte vor allem mit der geopolitischen Lage und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu tun. Im Februar 2022 brach der Ukraine-Krieg aus, der Dollar wurde extrem volatil und der Kerosinpreis schnellte in die Höhe. Uns wurde schnell klar, dass wir mit den Linienflügen zu Urlaubszielen sehr stark ins Risiko gehen würden. Zudem sahen wir, dass die großen Fluggesellschaften im Sommer 2022 massive Engpässe hatten – es fehlte an Personal und Flugzeugen, die Infrastruktur an Flughäfen war noch nicht wiederhergestellt. Da schwenkten wir um. Intern war das zuerst nicht ganz einfach zu verkaufen, doch letztlich hat uns der Erfolg recht gegeben. Unser erster Flug fand am 15. Mai 2022 statt – für Transavia. Wir sind dann elf Wochen lang für die niederländische Fluggesellschaft geflogen, weil sie in diesem Zeitraum einen großen Kapazitätsbedarf hatte.
Sie sind nicht Teil einer Gruppe wie die anderen deutschen Neulinge Marabu als Condor-Schwester und Discover als Lufthansa-Group-Tochter. Sie mussten alles alleine machen …
Das ist so. Aber das hat neben den Nachteilen auch Vorteile. Wir waren von Anfang an extrem flexibel und konnten unser Geschäftsmodell kurzfristig anpassen, wenn es nötig war. Vor allem aber konnten wir für Leav eine eigene DNA aufbauen, die genauso wurde, wie wir sie wollten. In einem Konzern ist das schwer möglich, weil man dort an bestehende Strukturen und Vorgaben gebunden ist. Für uns war dieser Freiraum entscheidend.
Wir halten uns bewusst zurück, was längerfristige Engagements angeht.
Und was waren die Momente in der Gründungs- und Aufbauphase, wo Sie wirklich Blut geschwitzt haben?
Ich musste immer wieder feststellen, wie wenig ich damals über die Branche wusste – und das, obwohl ich schon lange Teil davon war. Plötzlich ging es um ganz andere Dinge: komplexe Abläufe, Verhandlungen und die oft sehr speziellen Befindlichkeiten der verschiedenen Akteure. Das war ein intensiver Lernprozess.
Aber wir haben es geschafft und das ohne große Kapitalgeber im Rücken.
Sie haben 2,5 Millionen Euro investiert, richtig? War das nur Ihr eigenes Geld?
Bis zum Start haben wir so viel aufgewendet, korrekt. Das Gründungskapital stammte aus meinem Unternehmerumfeld sowie von Freunden. Den Einsatz haben wir bereits wieder eingespielt, es sind also alle zufrieden.
Leav fliegt jetzt seit zweieinhalb Jahren, wie zufrieden sind Sie mit dem Erreichten?
Alles liegt über den Erwartungen – sowohl bei den Einnahmen als auch beim Ergebnis. Wir können da wirklich zufrieden sein. Was uns besonders freut: Wir waren praktisch von Tag eins an profitabel und haben bisher jedes Jahr ein schwarzes Betriebsergebnis erzielt. Auch operativ läuft es rund. Wir hatten bisher keine größeren Verspätungen oder andere Ausfälle zu beklagen.
Und wer sind Ihre wichtigsten Kunden?
Tui war dieses Jahr unserer Hauptkunde – und das in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und im Vereinigten Königreich. Wir flogen sehr viele Ad-hoc-Einsätze für sie.
Und wie sieht es für Sommer 2025, wie sieht es da aus?
Wir sind noch nicht verplant. Wir halten uns bewusst zurück, was längerfristige Engagements angeht und bleiben flexibel für Ad-hoc-Anfragen. Das hat sich bewährt: Wenn Airlines sich verkalkulieren oder kurzfristig Kapazitäten benötigen, können wir schnell einspringen und den Bedarf decken.
Airbus A320 von Leav und Flugbegleiterin. Bild: Leav
Ist das lukrativer?
Ja, die Preise sind in der Regel höher. Aber es ist auch ein größeres Risiko, weil man nie sicher ist, ob wirklich Anfragen reinkommen. Wir sind da jedoch zuversichtlich und können auch kurzfristig immer noch länger laufende Verträge eingehen.
Es ist zunehmend so, dass die großen Gruppen quasi bevorzugte Wet-Lease-Partner haben, bei Lufthansa Group ist es ganz klar Air Baltic. Ist das ein Nachteil für so einen kleinen Anbieter, wie Leav es ist?
Das stört mich weniger. Ich glaube, nachteilig für die Branche sind die Konstrukte, die vom Staat finanziert werden wie zum Beispiel die nun untergegangene Nordica/X Fly. Das ist unfaire Konkurrenz und verzerrt den Markt. Zudem bringt es auch den jeweiligen Staaten nichts – es dient ja nicht der besseren Anbindung des Landes. Leider gibt es solche Verzerrungen dennoch vielerorts.
An was denken Sie?
Auch in unseren Breitengraden wurden diverse Airlines während der Pandemie mit staatlichen Geldern unterstützt, obwohl sie schon zuvor nur mit Mühe und Not über die Runden kamen. Heute überleben sie eigentlich nur dank der Vorauszahlungen der Kundinnen und Kunden, während sie selbst kaum Rücklagen haben. Faktisch tragen hier die Kunden das Risiko, und das ohne jegliche Absicherung wie etwa bei den Pauschalreisen. Man müsste sich als Gesetzgeber vielleicht auch mal überlegen, das zu ändern, um die Passagiere besser zu schützen.
Vor allem in Osteuropa gibt es unzählige Wet-Lease-Anbieter, viele sind auch deutlich größer als Leav. Können Sie da preislich überhaupt mithalten?
Natürlich – wer mehr Volumen hat, hat auch gewisse Vorteile. Das gilt vor allem in der Wartung, bei der Versicherung und im Einkauf von Zusatzleistungen. Das ist so. Zudem sind die Personalkosten bei den großen Anbietern im Osten geringer, wegen des Standortes, aber vor allem auch, weil viele ihre Crews über Agenturen in Drittstaaten anstellen. Das machen wir nicht. Unsere Mitarbeitenden sind alle hier in Deutschland mit deutschen Verträgen und Abgaben angestellt.
Sie spüren also die Konkurrenz?
Teilweise. Wir richten uns aber anders aus und machen derzeit keine Langfrist-Wet-Leases. Die großen Anbieter aus dem Osten können einem Kunden schnell viele Flugzeuge anbieten, das können wir nicht, wir haben ja nur zwei. Was uns jedoch auszeichnet, ist unsere Flexibilität. Wenn Tui kurzfristig ein Flugzeug für einen Flug von Düsseldorf nach Palma sucht, um die Verspätung unter drei Stunden zu halten, dann sind wir in kürzester Zeit einsatzbereit. Die großen können das nicht bieten.
Am Ende kann es daher durchaus günstiger sein, einen Anbieter aus Deutschland zu wählen.
Sie sind also teurer?
Nicht unbedingt. Viele Kunden schauen ausschließlich auf die Kosten für eine Blockstunde und vergleichen diese dann. Tatsächlich bilden sie aber nur einen Teil der Rechnung ab. Was dabei leider außer Acht gelassen wird, ist, dass vermeintlich günstigere Anbieter ihre Crews und Flugzeuge von weiter her – etwa von Osteuropa – zum Standort in Westeuropa überführen müssen. Das kostet Zeit und Treibstoff. Beides sieht man bei einem Vergleich der Preise für die Blockstunden nicht, wird aber in Rechnung gestellt. Am Ende kann es daher durchaus günstiger sein, einen Anbieter aus Deutschland zu wählen. Definitiv sind kürzere Leerflüge aber mit weniger CO2 Emissionen verbunden.
Wet-Lease-Airlines wird gerne Sozialdumping vorgeworfen. Was sagen Sie diesen Kritikern?
Ich glaube, die Kritik ist mitunter durchaus berechtigt. Und ich verstehe nicht, dass große Konzerne da mitspielen und keine Mindest-Sozialstandards bei den Wet-Lease-Partnern setzen. Ändern kann ich daran natürlich nichts. Bei uns läuft es aber anders: Wir zahlen alle Löhne und Sozialversicherungsabgaben in Deutschland. Und das, obwohl wir die Einnahmen primär im Ausland generieren.
Und wo liegt Leav so im Vergleich mit der Konkurrenz bei den Löhnen?
Irgendwo in der Mitte, sowohl bei der Cockpit- als auch bei der Kabinenbesatzung. Wir haben uns das einmal genau angesehen und festgestellt, dass wir beim Einstiegsgehalt der Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter sogar über der Lufthansa Group liegen. Bei uns passiert ja sehr viel kurzfristig. Teilweise ist die Belastung dadurch vielleicht ein bisschen höher. Aber die Angestellten kommen insgesamt auf weniger Flugstunden, was den Stress am Ende ausgleicht.
Leav hat zwei Flugzeuge. Das ist ja immer heikel, wenn eines wegen einer Panne ausfällt?
Das ist so. Ich muss jedoch auf Holz klopfen. Wir hatten in dieser Saison keine Verspätung von mehr als 60 Minuten. Nur einmal gab es einen Ausfall bei einem Vollcharterflug in der Saison 2023 wegen einer technischen Panne, die Entschädigungszahlungen auslöste. Dass wir so gut unterwegs sind, liegt auch daran, dass wir bei der Auswahl der Flugzeuge sehr sorgfältig waren. Die beiden Airbus A320 kamen frisch aus dem großen Check mit neuen Triebwerken. Sie sind daher technisch bestens im Schuss.
Es ist unsere Spielwiese, unser Testfeld.
Die Saisonalität trifft das Wet-Lease Geschäft in Europa fast noch stärker als klassische Airlines. Im Winter gibt es kaum Aufträge.
Es macht im Grunde keinen Sinn, im Winter zu fliegen. Der Markt ist dann nicht existent. Das ist so. Was wir in der kalten Jahreszeit aber machen, ist recht viel Vollcharter zu fliegen. Und wir bedienen eine eigene Linienstrecke ab München. Sie führt von München nach Arvidsjaur in Schwedisch Lappland.
Und sie finden genug Kundinnen und Kunden dafür?
Wir haben mit European Speed Club, BMW und andere Anker-Kunden, die in Lappland Fahrtrainings auf Eis durchführen, feste Partnerschaften. Und wir verkaufen die Strecke auch noch selbst. Das läuft gut, wir liegen etwa 60 Prozent über dem Vorjahr. In dieser Zeit stationieren wir das Flugzeug in München, damit keine teuren Überführungsflüge nötig sind.
Im Sommer fliegt Leav ab Köln zu klassischen Mittelmeer-Destinationen wie Mallorca oder Rhodos. Warum machen Sie das, da ist die Konkurrenz doch riesig und im Sommer gibt es ja genug Wet-Lease-Nachfrage?
Es ist unsere Spielwiese, unser Testfeld. Wir lernen viel dabei. Es kann ja durchaus passieren, dass der Wet-Lease-Markt einmal nicht mehr so interessant ist, weil ein Überangebot herrscht. Deshalb probieren wir jetzt aus, wir erstellen Systeme und Abläufe. So bauen wir unsere Kapazitäten aus, um auch vermehrt auf eigene Rechnung fliegen zu können, sofern dies notwendig wird.
Aber wie finden Sie den Kundinnen und Kunden? Leav ist ja noch wenig bekannt?
Rund 75 Prozent der Sitze auf diesen Strecken verkaufen wir über das Veranstaltergeschäft. Das ist in Deutschland immer noch der klassische Weg. Zudem sind wir in allen GDS, also globalen Vertriebssystemen, vertreten. Da sehen wir sehr deutlich Potenzial. Bei den Lappland-Flügen bekommen wir plötzlich Buchungen aus den USA, aus Südkorea oder Brasilien.
Werden Sie da sich weiterhin auf Köln konzentrieren oder wären auch andere Abflugorte denkbar?
Für das ad hoc Geschäft brauchen wir einen 24-Stunden-Flughafen. Daher ist Köln für uns der ideale Standort. Wenn wir das Liniengeschäft ausbauen würden, wäre das naheliegendste, sich Düsseldorf anzuschauen. Das ist aber nur eine Möglichkeit, noch kein konkreter Plan.
Der Airbus A320 von Leav mit dem Kennzeichen D-ANDI. Leserbild: Julian Schwamborn
Auf der Website preist sich Leav mit «exzellenten Service» und einem «maßgeschneiderten Flugerlebnis» an. Was muss sich der Einzelkunde darunter genau vorstellen?
90 Prozent der Leute, die mit uns ab Köln fliegen, kommen aus einem Umkreis von rund 100 Kilometern. Wir sind lokal, die Crew ist deutsch. Bei uns gibt es keine Überraschungen – wenn man Leav bucht, dann steigt man auch in eines unserer Flugzeuge und nicht in das einer anderen Fluglinie. Zudem gibt es bei uns immer kostenlose alkoholfreie Getränke und einen Snack. Ab nächstem Sommer verkaufen wir auch Mahlzeiten und alkoholische Getränke, der Gratis-Snack und das Gratis-Getränk bleiben aber behalten.
Reichen die zwei Airbus A320 für Leav oder denken Sie darüber nach, ihre Flotte irgendwann mal auszubauen?
Ich glaube, wir wären bereits gewachsen, falls es eine gute Verfügbarkeit von Flugzeugen zu vernünftigen Leasingraten geben würde. Dann hätten wir schon ein drittes oder sogar viertes. Wir haben in den letzten zwölf Monaten aktiv gesucht. Doch das Preisniveau ist sukzessive gestiegen. Das scheint uns aus Risikoüberlegungen nicht attraktiv zu sein, weil man ja entsprechend mehr Umsatz erzielen muss.
Was würden Sie mit den zusätzlichen Fliegern tun?
Wir würden dann sicher einen Teil längerfristig im Wet-Lease vermieten und auch etwas mehr Linienflüge anbieten. Aber falls sich nichts tut und die Preise tendenziell sogar steigen, dann werden wir für die nächsten zwölf Monate bei zwei Jets bleiben.
Ist der Airbus A320 ideal für Leav oder könnten Sie sich auch vorstellen, größere oder kleinere Flugzeuge einzuflotten?
Kleinere Flugzeuge funktionieren im Wet-Lease-Markt nicht gut. Sie sind in der Hochsaison schlicht zu klein und daher nicht zu gebrauchen. Größere Flieger sind ein Nachteil im Linien- und Vollchartergeschäft. Daher ist der A320 tatsächlich ideal für unser Geschäft.
Woher kommt eigentlich der Name Leav?
Bei der Gründung der Gesellschaft hießen wir ja noch Joot, das kölsche Wort für gut. Und dann gingen wir im Winter 2020 daran, eine Marke zu suchen. Wir haben dafür mit vielen Leuten geredet. Leav kam am besten an. Weil Leav für vieles stehen kann, also leave wie verreisen aber auch leaf wie das Blatt, was den Nachhaltigkeitsaspekt widerspiegelt. Zudem war die Domain verfügbar und der Name ist schützbar.
Ihr Rufzeichen ist Yoda, wie kam es dazu?
Das war so ein Einfall von mir. Master Yoda aus der Star-Wars-Reihe ist klein, aber mächtig. Ich fand das passend und es ist halt auch kurz. Uns gibt das natürlich auch eine gewisse Bekanntheit in der Luftfahrt. Bei den Fluglotsen kommt das Rufzeichen jedenfalls sehr gut an.
* Daniel Broda (48) ist Gründer und Geschäftsführer der Kölner Fluggesellschaft Leav Aviation, die er 2021 während der Corona-Pandemie gemeinsam mit Johannes Klinsmann ins Leben rief. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer ist er weiterhin als Pilot aktiv und engagiert sich als Investor im Bereich Start-ups und Venture Capital. Seine Karriere beganner nach dem Abitur mit der Gründung eines Baucontainer-Vermietungsunternehmens und einer Tätigkeit bei UPS am Flughafen Köln/Bonn. Nach Wehrdienst und Pilotenausbildung startete er seine fliegerische Laufbahn bei Germania. Es folgten über 17 Jahre bei Easyjet, wo er von verschiedenen europäischen Standorten aus tätig war. Mit eav Aviation verfolgt er nun eigene unternehmerische Ziele in der Luftfahrtbranche.