Neuer Langstreckenjet
Was ist an der Boeing 777X eigentlich alles neu?
Der größte Zweistrahler der Welt hat den Erstflug erfolgreich absolviert. Was unterscheidet die Boeing 777X von der Vorläuferin 777?
Prototyp der Boeing 777-9: Außen länger, innen breiter.
Prototyp der Boeing 777-9: Außen länger, innen breiter.
Ohne Zweifel: Vor einem Erstflug ist bei der Belegschaft des Flugzeugherstellers Aufregung zu spüren – schließlich heben bald die Früchte einer mehrjährigen Arbeit ab. Für die Angestellten von Boeing war der Jungfernflug der 777X aber auch eine nervenaufreibende Geduldsprobe. Wegen ungünstigem Wetter musst er zwei Mal verschoben werden.
Die Testpiloten konnten vergangenen Samstag (25. Januar) endlich abheben. Der Erstflug dauerte 3:50 Stunden und alles verlief wie geplant. Das sind gute Nachrichten für Boeing. Der Konzern litt zuletzt unter den Problemen bei der 737 Max und kann nun mit der imposanten 777X beweisen, was er wirklich kann.
Längstes Passagierflugzeug der Welt
Die neueste Triple Seven löst in der Variante 777-9 den Vorgänger 777-300 ER ab und ist das längste Passagierflugzeug der Welt. Sie überholt damit die Boeing 747-8. Für die kleinere 777-200 LR ist mit der 777-8 ebenfalls ein Nachfolger geplant. Neben mehr Platz für Passagieren bieten die Neuversionen des Langstreckenklassikers aber noch viele weitere Neuerungen:
Gestreckter Rumpf: Dass die 777-9 und die 777-8 ihre Vorgänger in Sachen Maße übertrumpfen, liegt zu einem daran, dass Boeing deren Rümpfe gestreckt hat. Die 777-8 legt von 63,7 Meter auf 69,8 Meter zu. Bei der größeren 777-9 steigt die Länge 73,36 Meter auf 76,7 Meter.
Neue Tragflächen: Während Boeings Ingenieure bei den Rümpfen im Wesentlichen auf einen Stretch der bisherigen Konstruktion setzten, spendierten sie der Boeing 777-8 und 777-9 komplett neue Flügel, die auf dem Entwurf der Boeing 787 basieren. Im Gegensatz zum Flügel der bisherigen Boeing 777 sind sie aus leichteren Karbonfasern gefertigt. Zudem sind die Flügel deutlich länger als bei den Vorgängern.
Bei der 777-200 ER und 777-300 ER beträgt die Spannweite 64,8 Meter. Bei beiden Nachfolgern erhöht sich diese auf 71,8 Meter. Dabei erhöht sich auch die Streckung der Tragflächen: Das Verhältnis von Länge und Breite der Flügel steigt zugunsten der Länge. Das reduziert den sogenannten induzierten Widerstand – diese Kraft ist ein Nebeneffekt der Auftriebskraft und bremst das Flugzeug nun weniger aus.
Klappmechanismus: Die neuen Flügel bringen eine Besonderheit mit sich. An einigen Flughäfen könnten 777X aufgrund ihrer großen Spannweite Platzprobleme bekommen. Boeing löste diesen Umstand mit einer Methode, die ansonsten auf beengten Flugzeugträgern bei Kampfjets Anwendung findet: Ein Mechanismus kann am Boden die äußeren Flügelspitzen der Boeing 777X nach oben klappen.
Dadurch reduziert sich die Spannweite des Flugzeuges auf 65 Meter. Insgesamt dauert das Ein- oder Ausfahren der Flügelspitzen ungefähr 20 Sekunden. Die Luftfahrtbehörde der USA FAA hat für die neue Technologie eigens neue Standards zur Zertifizierung eingeführt. Das Klappsystem der Flügelenden stellt der deutsch-schweizerische Familienkonzern Liebherr her.
Mehr Reichweite: Der Klappmechanismus macht das Flugzeug zwar komplexer und schwerer. Doch dieser Umstand lohnt sich: Die größeren Tragflächen bieten dem Treibstoff mehr Platz. Zusammen mit den aerodynamischen Vorteilen durch die größere Streckung verbessert der Flügel im Falle der Boeing 777X die Reichweite gleich in doppelter Weise.
Reichweitenmeister unter den Boeing 777 sind die kurzen 777-200 LR und 777-8. Im Gegensatz zu ihren Gegenstücken 777-300 ER und 777-9 haben sie kürzere Rümpfe, aber identisch große Tragflächen. Weil sie damit mehr Auftrieb erzeugen, können sie höher steigen und in dünneren Luftschichten mit weniger Luftwiderstand reisen. Zusammen mit dem geringeren Gewicht sorgt das für die bessere Reichweite der kürzeren Flieger.
Bei der 777-8 steigt die Reichweite von etwa 15.840 auf etwa 16.100 Kilometer. Bei der längeren 777-9 steigt der Wert von 13.650 Kilometer auf 13.940 Kilometer.
Breitere Kabinen: Während sich Airlines bei der 777X über mehr Kapazität für Passagiere freuen, warten auch auf die Reisenden einige Verbesserungen: Die Breite der Kabine steigt in den neuen Fliegern von 5,87 Meter auf 5,97 Meter. Dazu erhöht Boeing nicht den Durchmesser des Rumpfes, sondern kleidet diesen mit dünneren Wänden und Isolierungen aus.
Größere Fenster und höherer Druck: Ebenso ist es künftig heller in der Kabine. Boeing stattet die Boeing 777X dazu mit größeren Fenstern aus. Ähnlich wie bei der 787 lassen sich diese elektronisch dimmen. Ebenfalls wie in der 787 werden die Kabinen mit einem höheren Luftdruck belüftet.
Neues Cockpit: Dass die Boeing 787 Einfluss auf die Entwicklung der 777X hatte, werden auch die Piloten bemerken. So wird das Cockpit mit großen Touchscreens und Head-Up-Displays mehr an die 787 als an die bisherigen 777 erinnern.
Neue Monstertriebwerke: Wer eine Boeing 777X erspäht, sieht gleich zwei Weltrekorde auf einmal. So wird der größte Zweistrahler der Welt von dem größten Flugzeugtriebwerk angetrieben, das je gebaut wurde. General Electric entwickelte mit dem GE9X einen Nachfolger für das GE90, das die 777 antreibt. Mit einem gesamten Durchmesser von 4,4 Metern ist das GE9X breiter als der Rumpf der beiden gängigsten Kurz- und Mittelstreckenflieger Airbus A320 und Boeing 737.