Letzte Aktualisierung: um 20:41 Uhr

Langstreckenflug in der Economy Class

Das Fliegen in den Zeiten der Seuche

Noch immer hat Covid-19 die Welt im Griff. Wie ist es da, während zwölf Stunden in der Economy Class zu sitzen? Ein Selbstversuch.

Plötzlich tat sich ein Fenster auf. Ende Oktober strich die Schweizer Regierung die Quarantäneliste angesichts hoher Infektionszahlen im Inland zusammen. Reisen in Länder ohne Einreisebeschränkungen wurden dadurch wieder möglich – so etwa nach Brasilien. Doch darf man das überhaupt? Und wenn Ja – ist es sicher? In Zeiten von Corona gibt es plötzlich ganz andere Fragen zu klären, als sonst vor Reisen.

Die nach der Sicherheit war für mich schnell beantwortet.  Inzwischen gibt es nicht nur Aussagen von Fluggesellschaften zur Ungefährlichkeit von Flugreisen, sondern auch diverse Studien und konkrete Zahlen. So fand eine Untersuchung des Analysehauses Oxera aus dem Vereinigten Königreich eine Zahl von 0,01 Prozent infizierten Passagieren. Hinzu kommen die diversen Sicherheitsmaßnahmen wie Maskenpflicht und vermehrte Reinigung, die Airlines eingeführt haben. Angst vor einer Ansteckung auf dem Flug – auch wenn dieser fast zwölf Stunde dauert – hatte ich daher keine.

Feeling wie in einem VIP-Terminal

Die Frage nach dem Dürfen war etwas kniffliger, da es um einen moralischen Aspekt geht. Gefährde ich als symptomfreier, aber ungetesteter Reisender andere an Bord oder im Zielland oder vielleicht bei meiner Rückkehr? Da die Infektionszahlen in der Schweiz inzwischen höher liegen als  in Brasilien, ist das Risiko einer Ansteckung mit dem neuen Coronavirus zu Hause höher als an meinem Ziel São Paulo. Zudem halte ich mich an die Regeln und Empfehlungen der Behörden. Und so buchte ich.

Dass dieser Flug anders werden würde, als so viele andere zuvor, spürte ich bereits ganz zu Beginn. An jenem Abend im November war der Flughafen Zürich fast menschenleer. Wo sonst Menschen vor dem Check-in lange Schlange stehen, war nun ein Schild aufgestellt: Geschlossen. Economy-Passagiere mussten ihr Gepäck auf der Gegenseite aufgeben dort wo sonst First- und Business-Reisende einchecken. Nur zwei Schalter waren  dafür um 20 Uhr geöffnet.

Pflichtaufgaben innerhalb weniger Minuten erledigt

Das gleiche Bild zeigte sich wenig später bei der Sicherheitskontrolle.: Kein Warten, keine Hektik, sondern ein Feeling wie in einem VIP-Terminal. Genauso wird es später auch bei der Passkontrolle aussehen: einfach durchmarschieren. Innerhalb von wenigen Minuten hatte ich diese Pflichtaufgaben eines jeden Flugpassagiers erledigt.

Ich hatte daher – obwohl ich später als sonst üblich zum Flughafen angereist bin – noch sehr viel Zeit. Aber selbst wenn ich noch Geschenke hätte kaufen wollen, möglich war das nicht. Die Shops waren längst geschlossen.

Sehr viele Plätze blieben frei

Und so lief ich direkt zum Gate. Anders als bei Langstreckenflügen von Swiss normalerweise üblich, lag das nicht im Dock E, sondern im Bereich B. Dort verteilten sich die Fluggäste auffallend weit über die Sitzgelegenheiten. Gleich die von drei Gates wurden ausgenutzt und dabei die Abstandsregeln eingehalten. Gerade deshalb war es schwierig abzuschätzen, wie gut der Flieger gefüllt ist.

Die Antwort bekam ich wenig später beim und vor allem nach dem Einsteigen. Das Boarding geht nicht wirklich schnell, aber doch zügiger voran als in Nicht-Corona-Zeiten. Und sobald ich an Bord der Boeing 777 war, zeigte sich eine große Leere. Sehr viele Plätze blieben an diesem Abend frei. Wie andere Fluggesellschaften und auf anderen Routen auch, bedient Swiss die Strecke Zürich – São Paulo vor allem auch wegen der lohnenswerten Fracht.

Eine kostenlose Schlafcouch

Die Fluggesellschaft hatte den Nebensitz bereits vor dem Check-in gesperrt. Doch es waren so wenige Fluggäste zugestiegen, dass ich gleich die drei Sitze am Fenster für mich alleine hatte. So ging es den meisten anderen Reisenden – sie hatten mehrere Sitze zur Verfügung. Decken und Kissen waren zudem im Überfluss ausgelegt. Die Schlafcouch, den Lufthansa derzeit testet, gab es also quasi kostenlos.

Und noch etwas ist anders: Die ersten Blicke wanderten zu Armlehnen, Tisch, Sitztasche und so weiter. In Zeiten der Pandemie hat die Sauberkeit eben einen noch höheren Stellenwert als sonst. Das Reinigungspersonal hatte seinen Job jedoch gemacht. Dennoch reinigte ich alles nochmals mit dem Desinfektionstuch, das alle Passagiere beim Einsteigen ausgehändigt bekommen hatten.

Schmales Filmprogramm

Danach merkte ich als Passagier wenig Unterschiede. Die Crew arbeitete trotz ungewöhnlicher Situation professionell und gönnte den Passagieren, weil sie insgesamt weniger zu tun hatte, sogar etwas mehr Aufmerksamkeit als sonst. Bei Essen und Getränken entdeckte ich keine Abstriche. Nur das Filmangebot im Unterhaltungssystem schien mir etwas gar bescheiden zu sein. Ob es daran lag, dass Swiss weniger Filme eingekauft hat oder aus den Studios weniger Filme kommen, ist nicht bekannt.

Nach dem Abendessen und dem Schauen eines halben, mittelmäßigen Spielfilms legte ich auf meinen drei Sitzen hin und versuchte zu schlafen. Erstaunlich schnell döste ich weg. Dass ich die ganze Zeit Maske trug, merkte ich erst gegen den Morgen. Langsam schnitten die Gummibänder hinter den Ohren ein. Noch musste ich mehrere Stunden warten, um sie mal ausziehen zu können.

Daran kann man sich gewöhnen

Mein Fazit: Das Fliegen in Zeiten der Seuche war erstaunlich angenehm. Schnelle Abläufe am Flughafen, viel Platz im Flugzeug und eine Crew, die richtig Zeit hat – daran kann man sich gewöhnen. Sicherlich wäre mein Urteil aber völlig anders ausgefallen, wenn der Flug rappelvoll gewesen wäre.

Der Testflug verursachte 648 Kilogramm CO2. Wie bei allen Dienstreisen kompensierte aeroTELEGRAPH diese Emissionen durch die Unterstützung von Aufforstungsprojekten und des Kaufs von Biokerosin über den Kompensationsanbieter Compensaid.