Kay Kratky
«Das ganze Leben ist paradox»
Der Austrian Airlines CEO im Interview mit Michael Csoklich.
Austrian-Chef Kay Kratky mit Michael Csoklich
Austrian-Chef Kay Kratky mit Michael Csoklich
Seit etwas mehr als einem Jahr steht Kay Kratky an der Spitze von Austrian Airlines. Nach dem harten Sanierungskurs seines Vorgängers Jaan Albrecht kann der 58-jährige Deutsche auf vorsichtige Expansion setzen – ein weiteres Langstreckenflugzeug und mehrere A320-Mittelstreckenmaschinen stoßen beispielsweise in näherer Zukunft zur Flotte. Es sind aber nicht nur AUA-interne Themen, mit denen sich Kratky befassen muss – auch die Rahmenbedingungen am Standort Österreich beschäftigen den Austrian-Chef.
Sehr viele Vorstände der AUA haben im Lauf der Jahre überzeugend gemeint, Austrian Airlines sei auf einem guten Weg. Warum glauben Sie, dass ausgerechnet Ihre Strategie stimmt?
Ich setze da die Tradition meiner Vorgänger fort. Warum stimmt unsere jetzige Strategie? Weil wir in den letzten Jahren elementare Weichenstellungen getroffen haben, weil mit dem neuen Kollektivvertrag die Kostenstruktur stimmt und weil es positive Signale aus der Politik gibt. Das alles ist eine gute Grundlage für die Weiterentwicklung der AUA und deswegen glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind.
Im Eingangsbereich des AUA-Headquarters gibt es eine Pinwand mit Wünschen der Mitarbeiter. Darunter finden sich Wünsche wie mehr Wertschätzung, bessere Planung, einander grüßen, kulturelle Gräben überwinden. Haben Sie das Gefühl, dass die Gräben zwischen den unterschiedlichen Kulturen von AUA, Tyrolean und Lauda zugeschüttet sind?
Ich glaube nicht, dass wir heute sagen können, wir hätten die Gräben komplett zugeschüttet. Was wir erreicht haben, ist eine offenere Diskussion über diese Gräben, einen Veränderungsprozess. Die Stimmung ist nach vorne ausgerichtet, das wird uns einiges ermöglichen. Ist alles schon erledigt? Nein.
Die AUA wächst auf der Langstrecke, gestützt auf drei Pfeiler: die USA, China und touristische Ziele. Wie sicher ist diese Strategie?
Die größte Sicherheit für eine Fluglinie ist ein hohes Maß an Flexibilität. Und das Selbstbewusstsein, mit Veränderungen auch gut umgehen zu können. Denn genau diese Veränderungen prägen die Luftfahrtindustrie. Und da sind wir als AUA gut unterwegs, die Bereitschaft zur Veränderung liegt gewissermaßen in der DNA der AUA. Wenn sie die Destinationen der AUA ansprechen: Nordatlantik, Indischer Ozean, Asien und China sind eine Richtung, die werden sich aber immer wieder ändern.
Auf den USA-Strecken, sagen Sie, gibt es einen enormen Preisdruck, trotzdem kündigen Sie jetzt die neue Destination Los Angeles an. Ist das Größenwahn oder Wagemut?
Weder noch, hoffe ich zumindest. Wir haben ja diesen Preisdruck überall. Wegen Überkapazitäten zum einen, wegen politischer Unsicherheiten andererseits. Das ist die Realität, in der wir versuchen jene Ziele zu finden, die trotzdem profitabel sind. Und Los Angeles ist so ein Ziel.
In China schwächelt die Wirtschaft, die Buchungen gehen zurück. Ist China trotzdem noch ein profitables Ziel?
Ich glaube, es gibt keine Alternative zu China, man muss dort Teil des Geschehens sein. Und so lange es geht, werden wir diese Option aufrecht erhalten. Shanghai, Peking und Hongkong sind ja nach wie vor die wichtigsten Zentren, auch wenn es stimmt, dass die Buchungszahlen zurück gehen.
Das operative Ergebnis (EBIT) soll heuer über dem des Vorjahrs von 54 Millionen Euro liegen.
Bucht sie der Kunde oft genug, damit sie das heuer auch erreichen?
Wir rechnen mit einer Steigerung des Ergebnisses. Aber der Druck auf die Preise ist wie erwähnt enorm und eine Änderung nicht in Sicht.
Für 2018 haben Sie gemeint 100 Millionen Euro EBIT soll das Ziel sein…
Nein, das habe nicht ich gesagt sondern mein Vorstandskollege Otto im Vorjahr. Ich habe es dann so formuliert, anspruchsvolle Ziele sind immer gut.
Wie hoch muss das operative Ergebnis sein, damit die AUA auch Krisen durchstehen kann?
Kay Kratky: (denkt lange nach) Ich würde sagen, mit einem Ergebnis, das um die 100 Millionen Euro liegt, wäre die AUA für das, was wir normalerweise unter Krise verstehen, gut aufgestellt.
Sie haben die Kosten gesenkt, einen neuen Kollektivvertrag, und auch von ihren Partnern wie dem Flughafen Beiträge eingefordert. Fehlt da nicht ein wichtiger Punkt, nämlich höhere Einnahmen, also mehr Erlös pro Ticket?
Natürlich wären höhere Ticketpreise wünschenswert. Aber dazu gibt es kaum Bereitschaft. Die Frage ist, wie sich die Luftfahrtindustrie entwickelt. Wie sieht es mit der Konsolidierung aus? Wie entwickeln sich die Billigfluglinien, werden sie Langstrecke fliegen? Wird es neue Fluglinien geben? Alles Fragen, die wohl kaum zu höheren Preisen führen werden. Wir müssen also froh sein, wenn die Preise nicht weiter sinken, sondern sich stabilisieren. Was unsere (System)Partner angeht: da werden wir wieder reden müssen, auch sie müssen den Kostendruck spüren und deutliche Beiträge leisten müssen.
Bei den Preisen geht also wenig. Sind Kostensenkungen aber nicht irgendwann ausgereizt?
Ihre Betrachtung stimmt, würden uns keine anderen Erlösquellen einfallen. Deswegen arbeiten wir in der Lufthansagruppe sehr stark an Angeboten rund um das Flugerlebnis. Sei es, dass man sich bestimmte Sitze kaufen kann, sei es, dass man bei der Buchung Hotel und Mietwagen reservieren kann. Viele ergänzende Angebote sollten uns helfen, die sinkenden Ticketpreise aufzufangen. Denn wie Sie ja gesagt haben, die Kosten können an einem bestimmten Punkt nicht mehr weiter gesenkt werden.
Die AUA ist im Konzern Benchmark bei Kostenstruktur, sagen sie. Wo liegen sie da sind im Vergleich in Europa?
Ich würde einmal selbstbewusst behaupten, dass wir als AUA unter den klassischen Netzwerk-Fluglinien ganz weit vorne zu finden sind. Die Frage ist aber eine andere: wie gehen wir mit jenen Konkurrenten um, die mit prekären Arbeitsverhältnissen operieren, mit Personal, das in Asien angeheuert wird, die keine Sozialabgaben zahlen, wo es Scheinselbständigkeit im Cockpit gibt. Da müssen wir hinschauen, wie gehen wir mit diesen ungleichen Kostenstrukturen um, wie mit Rahmenbedingungen, die aus ethisch-moralischen und sozialpolitischen Gründen sehr zu hinterfragen sind. Und die damit unsere Möglichkeiten, profitabel zu arbeiten und Arbeitsplätze zu schaffen, unterlaufen.
Da tut sich ja jetzt einiges, zumindest bei Air Berlin. Ein durchaus lästiger Konkurrent kämpft ums Überleben. Ist es nicht paradox, dass sie jetzt Air Berlin das Überleben sichern, indem sie 40 Flugzeuge übernehmen?
Gehen wir einmal davon aus, dass es so kommt. Es ist gut, wenn wir uns im Rahmen der Neustrukturierung der Air Berlin 40 Flugzeuge sichern, um Eurowings aber auch die AUA auszubauen und zu stabilisieren. Das soll aber kein Versuch sein, den Wettbewerb komplett abzustellen. Wir könnten das nicht und wollen das nicht. Air Berlin war ein durchaus respektabler Konkurrent. Wir müssen aber darüber reden, wie ein Wettbewerb auf Augenhöhe stattfinden kann. Man kann nicht permanent gegen ein anderes System anfliegen, das staatlich subventioniert wird.
Es geht also gegen Emirates, aber es wird jetzt seit vielen Jahren geredet ohne dass sich etwas tut.
Die Fluglinien vom Golf sind ein Thema. Aber noch mehr beschäftigt uns, dass in Europa Fluglinien mit asiatischen Crews Flugzeuge betreiben oder im Cockpit Scheinselbständigkeitsverhältnisse aufbauen. Da muss auf europäischer Ebene politisch eine Lösung gefunden werden.
Zurück zu Air Berlin. Ist es nicht paradox, dass Lufthansa einen Teil von Air Berlin übernehmen muss nur um zu verhindern, dass Ryanair oder EasyJet Strecken von Air Berlin übernehmen?
Ich gebe Ihnen recht, aber das ganze Leben ist paradox. Ich muss in meiner Ehe manchmal auch Dinge tun, die ich nur bedingt will. Es ist Realpolitik und es wurde sehr genau bewertet und abgewogen, was in dieser Situation für den Konzern eine gangbare Lösung ist. Und wird Eurowings, SN Brussels und auch die AUA stärken.
Unklar ist, was mit Niki passiert, ob die Fluglinie mit TUIfly zusammengelegt wird, was und wohin sie fliegen wird. Was wäre für die AUA das beste?
Es ist verschenkte Liebesmühe, sich auf alle Szenarien gedanklich vorzubereiten. Wir warten ab, welche Lösungen kommen, dann sage ich Ihnen, ob die gut oder schlecht ist.
Eurowings, die Billigschiene der Lufthansa, bekommt also 35 Flugzeuge dazu, wird stärker. Wie verhindern Sie im Konzern, dass die eigene Billigmarke Ihnen die Passagiere abwirbt?
Das ist eine interessante Frage. Es geht doch nicht darum, ob wir uns einander den einen oder anderen Passagier wegnehmen. Solange wir auf einzelnen Strecken Marktanteile von 5, 10 oder max. 15 Prozent haben, heißt dass, das 85 Prozent des Marktes jemandem anderen gehören. Diese müssen wir ins Visier nehmen, und das machen wir, und machen wir auch aus Wien.
Von Ihnen seit langem gefordert wird die Senkung oder Abschaffung der Ticketsteuer in Österreich. Da gab es viele und hochrangige Gespräche. Woran scheitert das denn oder an wem?
Wir hatten immer wieder sehr gute Gespräche und wir konnten nachvollziehbar darstellen, dass die Ticketsteuer weniger Passagiere bedeutet und dem Tourismus und dem Standort Österreich schadet. Ich glaube, dass die Politik das eingesehen und verstanden hat. Ich respektiere, dass die Politik einer großen Komplexität an Abwägung, an Überlegung ausgesetzt ist, wie so etwas zu bewerkstelligen ist. Deswegen ist klar, dass man hier nicht kurzfristig und superschnell zu Ergebnissen kommt. Aber die Signale sind positiv. Umgekehrt hat Lufthansa eben drei weiteren Flugzeugen für die AUA, Internet an Bord und der neuen Premium Economy zugestimmt und auch signalisiert, dass sie bei passenden Rahmenbedingungen auch in Zukunft zu großen Investitionen in die AUA bereit ist, Stichwort neue Langstreckenflugzeuge.
Haben Sie Signale, wie lange die Politik noch nachdenken will?
Ich kann es Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Da müssen Sie bei Finanzminister Schelling anrufen.
Sie würden mir aber nicht widersprechen, wenn ich sage, die Frage der neuen Langstreckenflugzeuge ist ein Druckmittel gegenüber der Politik.
Es ist kein Druckmittel. Wir schauen, wo es im Konzern am meisten Sinn macht, soviel Geld zu investieren. Wie sehen die Perspektiven aus, und je früher und verlässlicher diese abgebildet werden können, umso mehr unterstützen sie die eine oder andere Entscheidung. Da stehen alle unsere Standorte alle im Wettbewerb.
Klar, aber wenn die AUA weiter Langstrecke fliegen will, brauchen Sie neue Flugzeuge.
Ja, aber dass die AUA im gleichen Maß weiter Langstrecke fliegt, ist ja nicht in Stein gemeißelt. Wenn also alle Dinge gegen uns laufen, dass wir kein Geld verdienen und wenn die Rahmenbedingungen in Österreich nicht so sind, wie man das sich als Unternehmen erhofft, wird man die entsprechenden Konsequenzen ziehen müssen.
Das klingt ein wenig nach Kuhhandel. Wir senken die Ticketsteuer, ihr investiert eine Milliarde in neue Flugzeuge.
Ist das Kuhhandel? Ich glaube, das ist ein ganz normales Gebaren, eine klare und verlässliche Aussage, die allen Partnern klar die Position mitgibt. Wenn es anders kommt, ist das ein normaler Teil des Lebens, nur soll jeder Bescheid wissen. Das ist kein Kuhhandel, sondern professionelles Management von Möglichkeiten.
Wenn es dann doch einmal die Entscheidung gibt welche Flugzeuge die AUA bekommt, wofür schlägt ihr Herz? Den A350 oder die Boeing 777?
Als Pilot war ich früher emotional, jetzt nicht mehr. Die Frage ist, mit welchem Hersteller bekommen wir die beste Kondition für die Stationierung in Wien, welches Flugzeug passt am besten in die weitere Ausgestaltung des Netzes. Ich kann mir beide Typen vorstellen, es könnte aber auch der A330 ein interessantes Flugzeug sein für die AUA. Aber die Verhandlungen und die Feinjustierung stehen noch aus.
Aber im Grunde wissen Sie schon, was Sie brauchen.
Ja, aber ich möchte trotzdem gerne abwarten bis die Feinjustierung soweit ist, dass wir sagen können, welcher Typ es wird.