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Alfredo Altavilla, ITA Airways

ITA, MSC und Lufthansa? «Ein Projekt, bei dem alle gewinnen»

ITA-Airways-Präsident Alfredo Altavilla spricht im Interview über Lufthansa und MSC, die Entscheidung für Airbus, weitere Übernahmeangebote und den größten italienischen Sportler aller Zeiten.

In der Ukraine tobt ein schrecklicher Krieg. Sehen Sie die Folgen bei ITA Airways in den Buchungszahlen?
Nein, wir flogen nicht nach Russland oder in die Ukraine. Daher werden unsere Buchungszahlen nicht beeinflusst. Im Gegenteil, wir verzeichnen Zuwächse, was die Buchungen für die kommende Sommersaison angeht.

Eine Folge des Krieges ist der rapide steigende Ölpreis, der Kerosin teurer macht. Wie hoch sind die zusätzlichen Kosten, die ITA zu tragen hat?
Die gesamte Transportbranche befindet sich in der gleichen kritischen Situation. Mit unseren Vorräten können wir das Problem begrenzen, wenn der Krieg schnell beendet wird.

Müssen Sie die Kosten senken und die Ticketpreise erhöhen?
Wenn der Krieg andauert, wird die weltweite Luftverkehrsbranche betroffen sein, was sich auf die Kosten und Flugpreise aller Fluggesellschaften auswirken wird. Wir hoffen, dass sich die Situation kurzfristig ändert und der Krieg bald beendet wird. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte dies Auswirkungen auf die neue Sommerroute haben, die ITA Airways im Juni eröffnen wird – von Rom-Fiumicino nach Tokio-Haneda. Da wir die Flugroute nicht über Russland führen können, nimmt die Flugzeit um etwa ein bis zwei Stunden zu. Das könnte sich auf die Treibstoffkosten und den Preis des Flugtickets auswirken.

Wir liegen im Geschäftsplan.

ITA ist spät und in einer schwierigen Zeit gestartet. Sie haben die Flüge Mitte Oktober und damit in der traditionell schwachen Wintersaison aufgenommen. Außerdem gab es wegen der Pandemie noch überall Einschränkungen. Inwieweit hat das Ihre Planung, auch die Finanzplanung, durcheinander gebracht?
Wir liegen im Geschäftsplan. Unser Cashflow hat sich trotz der negativen Auswirkungen auf die Einnahmen aufgrund der Pandemie, der höheren Treibstoffkosten, des Scheiterns der Ausschreibung in Sardinien und des Fehlens von Interkontinentalverbindungen bei Betriebsstart, was sowohl auf die Pandemie als auch auf fehlende Genehmigungen zurückzuführen ist, sehr gut gehalten. Andererseits hat die Konzentration auf die Kosten für Dienstleistungen und Lieferungen es uns ermöglicht, unsere Pläne nicht zu gefährden. Das Unternehmen wurde gegründet, um bis 2022 Teil einer internationalen Gruppe zu werden. Dies ist entscheidend für den Erfolg und die langfristige Rentabilität des Unternehmens.

Ich bin sicher, Sie hören es von Zeit zu Zeit: ITA ist einfach nur Alitalia in einem schönen neuen blauen Gewand. Aber die grundlegenden Probleme sind geblieben. Was entgegnen Sie den Kritikern?
Mit ITA Airways haben wir das Geschäftsmodell grundlegend geändert. Wir sind eine Fluggesellschaft, deren Berufung darin besteht, ein wettbewerbsfähiges Produkt anzubieten, das sich von dem der Lowcost-Anbieter durch eine Tarifpolitik unterscheidet, die darauf ausgerichtet ist, sowohl dem Bedürfnis nach einem günstigen Preis als auch dem Bedürfnis nach größerer Flexibilität in Verbindung mit zusätzlichen Dienstleistungen zu entsprechen. Unser Unternehmen hat die richtige Größe und verfügt über eine neue Flotte und ein neues Netz, um effizienter und nachhaltiger zu sein, aber auch um flexibel auf plötzliche Veränderungen zu reagieren, die sich aus der Entwicklung des internationalen Szenarios ergeben, sowohl in Bezug auf Pandemien als auch auf die Auswirkungen des jüngsten russisch-ukrainischen Krieges.

Und wie erreichen Sie das?
Wir sind stark auf den Gewinn ausgerichtet, ein Ziel, das nicht nur von der Geschäftsleitung, sondern von allen Mitarbeitenden, vom ersten bis zum letzten, geteilt wird. Um die Bedeutung dieses Aspekts zu unterstreichen, habe ich beschlossen, einen Teil des Gehalts aller Angestellten von ITA Airways an die Rentabilität des Unternehmens und die Kundenzufriedenheit zu binden. Das bedeutet, dass jeder Einzelne bei ITA 15 Prozent seines Gehalts an eine Leistungsprämie gebunden hat, die auf der Grundlage von Betriebsgewinn vor Steuern und Net Promoter Score berechnet wird.

Vergrößerung der Flotte um 50 Prozent ist in Europa einmalig.

Sie planen mit einer Flotte von 52 Flugzeugen für die Startphase. Bis 2025 soll sie auf 105 Flugzeuge anwachsen. Ist das immer noch das Ziel?
ITA Airways wurde als Start-up gegründet und betreibt eine Flotte von 52 Flugzeugen, die bis zum Ende der Sommersaison 2022 auf 73 Flugzeuge anwachsen wird. Im Dezember 2021 bestätigte ITA Airways eine Bestellung über 28 Flugzeuge bei Airbus.

Sie verlassen sich ganz auf Airbus. Das hat Synergievorteile, birgt aber auch ein Risiko. Man macht sich von einem einzigen Lieferanten abhängig…
Mit Airbus haben wir sofort eine Vereinbarung getroffen, die es uns ermöglicht, einen engen Zeitplan für die Auslieferung neuer Flugzeuge der neuesten Generation einzuhalten. Bei anderen Anbietern wäre der Zeitrahmen länger gewesen. Das Erreichen von 105 Flugzeugen bis 2025 bedeutet eine Vergrößerung unserer Flotte um 50 Prozent und ist ein in Europa bisher einmaliges Vorhaben.

Sie planen, mehr als 50 Flugzeuge zu leasen und andere selbst zu kaufen. Was ist der Vorteil, wenn man beides macht?
Die ökologische Nachhaltigkeit ist einer der Pfeiler unserer Strategie. Das bedeutet, dass wir unsere Flotte mit allen auf dem Markt verfügbaren Lösungen aktualisieren, vom Direktkauf bis hin zu Leasing.

Während der Corona-Krise sind die Leasingpreise erheblich gesunken. Wie viel billiger könnte ITA Flugzeuge im Vergleich zu Alitalia bekommen?
Es gibt keinerlei Kontinuität zwischen Alitalia und ITA Airways. Deshalb spreche ich nicht über Vergleiche in Bezug auf Kosten und Kaufverträge.

Wir werden jede Gelegenheit nutzen, die sich uns bietet.

Auf der Langstrecke setzen Sie auf A350 und A330 Neos. Warum brauchen Sie beide Modelle?
Es handelt sich um neue Modelle, die es uns ermöglichen, sowohl die Bedürfnisse der Kunden als auch die des Unternehmens im Hinblick auf die Nachhaltigkeit zu erfüllen.

Könnte ITA Airways die Gelegenheit nutzen, um weitere Flugzeuge zu einem niedrigen Preis zu erwerben?
Der russisch-ukrainische Krieg wird die Luftverkehrsbranche auch in Bezug auf das Leasing und die Verfügbarkeit von Flugzeugen beeinflussen. Es wird neue Herausforderungen und Szenarien geben, die es in der nächsten Zeit zu nutzen gilt. Wir werden jede Gelegenheit nutzen, die sich uns bietet.

Sie haben sich die Marke Alitalia vor dem Start gesichert. Aber Sie nutzen sie nicht. Warum eigentlich?
Wir prüfen derzeit, wie wir eine Marke mit einem so bedeutenden Erbe wie Alitalia am gewinnbringendsten einsetzen können. Sie ist definitiv in den Entwicklungsplänen des Unternehmens enthalten.

Die potenzielle Partnerschaft mit Lufthansa würde zu einer Marktkonsolidierung in Europa führen.

MSC und Lufthansa wollen ITA Airways kaufen. Sie haben schon früh Sympathie für einen Zusammenschluss mit der deutschen Fluggesellschaft geäußert. Warum eigentlich?
Die potenzielle Vereinbarung zwischen ITA Airways, MSC und Lufthansa würde eine seit Jahren nicht mehr da gewesene industrielle Operation darstellen, bei der zwei internationale Giganten wie die deutsche Fluggesellschaft und die Aponte-Gruppe Interesse an der italienischen Fluggesellschaft zeigen. Die Operation ist auch ein perfektes Beispiel für die Intramodalität, bei der die Waren direkt von den Schiffen abgehen. Es stellt auch keine Belastung für den italienischen Staat dar, der der größte Anteilseigner von ITA Airways ist, sondern verwandelt die nationale Fluggesellschaft in ein profitables Element. Es ist ein Projekt, bei dem alle gewinnen und das ITA eine sichere und profitable Zukunft garantiert. Was Ihre konkrete Frage zur Lufthansa betrifft, so kann ich bestätigen, dass mir sofort klar war, dass es bei einer Partnerschaft mit der deutschen Gruppe nicht darum ging, die Vermögenswerte von ITA zu verkaufen, sondern alle möglichen Synergien zu nutzen.

Was kann Lufthansa ITA bringen?
Die potenzielle Partnerschaft mit Lufthansa würde zu einer Marktkonsolidierung in Europa führen, da sie eine Gruppe stärken würde, zu der bereits sechs Fluggesellschaften gehören: Lufthansa, Swiss, Brussels, Austrian, Eurowings, Air Dolomiti. Sie würde die Möglichkeit einer integrierten Entwicklung innerhalb ihres Netzes gewährleisten, auch wenn ihr Inhalt noch bewertet werden muss. ITA Airways wird auch in der Lage sein, von der Teilnahme an einer der drei großen globalen Luftverkehrsallianzen, der Star Alliance, zu profitieren, was ein Wachstum der Verkehrsströme in Richtung Nord- und Südamerika sowie Afrika garantieren würde, ohne die Entwicklung und Nutzung der Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Linate zu gefährden, um Verkehr zum Nutzen des Unternehmens selbst und des italienischen Landes zu generieren.

Und MSC?
Die Vereinbarung mit MSC könnte ein Sicherheitsnetz um das Unternehmen herum schaffen, das sich sowohl auf den Passagier- als auch auf den Frachtverkehr auswirkt. Konkret könnten Synergien mit MSC zum einen im Kreuzfahrtverkehr entstehen, den ITA Airways mit Charterflügen unterstützen könnte, und zum anderen in der Entwicklung des Luftfrachtverkehrs mit der möglichen Wiederbelebung von Malpensa, dem ersten Beispiel für ein intermodales Drehkreuz. Beide stellen alternative und ergänzende Geschäftsmöglichkeiten im Hinblick auf den Passagierverkehr dar, die auch im Falle einer möglichen Fortsetzung der Pandemie genutzt werden könnten. In erster Linie geht es dabei um Fracht.

Wir sind im Moment eine schöne Frau mit vielen Verehrern.

Haben Sie nicht Angst, dass Ihr Einfluss schwindet und alles in Frankfurt entschieden wird?
Die Erfahrungen aller Fluggesellschaften innerhalb der Lufthansa-Gruppe zeigen, dass das Geschäftsmodell sowohl in Bezug auf die operative Führung als auch auf die Entscheidungsfähigkeit erfolgreich ist.

Haben Sie viele Anrufe von anderen Interessenten erhalten, seit Lufthansa und MSC ihr Interesse offiziell bekundet haben?
Sagen wir mal so: Wir sind im Moment eine schöne Frau mit vielen Verehrern. Wir werden den besten und reichsten Verehrer auswählen. In Anbetracht der Vertraulichkeit der Informationen kann ich zum jetzigen Zeitpunkt keinen weiteren Kommentar abgeben.

Glauben Sie, dass die ITA langfristig ohne einen Partner überleben kann?
Der Eintritt in eine Gruppe ist eines der Hauptziele von ITA Airways. Es wäre falsch, als eigenständiges Unternehmen zu überleben, da ITA im Vergleich zu den drei großen Gruppen, die in Europa tätig sind, immer zu klein sein wird.

In Italien gibt es derzeit viele neue Fluggesellschaften. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür?
Zunächst einmal ist der italienische Markt der zweitgrößte Passagiermarkt in Europa, was ihn für viele Akteure besonders attraktiv macht. Zweitens ist Italien für Billigfluggesellschaften besonders attraktiv. Das liegt daran, dass sie in Italien seit mehr als zehn Jahren Zugang zu Anreizen haben, die die Entwicklung ihres Geschäftsmodells auf Kosten der Fluggesellschaften mit vollem Service begünstigen.

Wer sind jetzt die größten Konkurrenten von ITA?
Wir sind ein Start-up-Unternehmen und als solches konzentrieren wir uns auf den Markt und auf die Zufriedenheit unserer Kunden, die immer im Mittelpunkt all unserer Bemühungen und Entscheidungen stehen. Und nicht auf die Konkurrenz.

Giacomo Agostini ist der größte Sportler aller Zeiten.

Sie fliegen derzeit Düsseldorf, Frankfurt, Genf, Luxemburg, Hamburg, München, Stuttgart und Zürich im deutschsprachigen Raum an. Sind Sie daran interessiert, weitere Ziele in Deutschland, der Schweiz und Österreich anzufliegen?
Wir freuen uns darauf, unser Netzwerk in Europa zu erweitern. Wir hoffen, dass wir unsere kommerzielle Strategie durch Partnerschaften mit anderen globalen und europäischen Fluggesellschaften ausbauen können, die uns einen privilegierten Zugang zu den Märkten bieten, die für das Unternehmen von größtem Interesse sind. Das gilt vor allem in Europa, aber auch in Amerika, Afrika und Saudi-Arabien…

ITA benennt seine Flugzeuge nach Sportlern und Sportlerinnen. Welcher ist für Sie persönlich der größte italienische Sportler aller Zeiten?
Ich bin ein großer Fan des Motorsports. Und Giacomo Agostini ist der größte Sportler aller Zeiten, denn sein Rekord ist immer noch ungeschlagen.

* Alfredo Altavilla wurde in Apulien geboren. Er studierte an der Università Cattolica del Sacro Cuore in Mailand und schloss das Studium 1989 mit einem Diplom in Betriebs- und Volkswirtschaftslehre ab. Seine Karriere begann er bei Fiat. Im italienischen Automobilkonzern stieg er in den Jahren danach über diverse Stationen auch im Ausland nach und nach höher. Zuletzt leitete er die Lastwagenherstellerin Iveco und das ganze Geschäft von Fiat Chrysler Automobiles in Europa, Afrika und dem Nahen Osten. In seiner Zeit beim Autobauriesen war er eine Schlüsselfigur bei der Fusion mit Chrysler im Jahr 2009 sowie bei anderen Transaktionen wie beispielsweise der Allianz mit General Motors im Jahr 2002 . Im Laufe seiner Karriere arbeitete er für einige der größten Private-Equity-Fonds, darunter CVC Capital Partners sowie für mehrere Investmentbanken. Im Juni 2021 wurde er zum Aufsichtsratsvorsitzenden von ITA Airways ernannt.