Letzte Aktualisierung: um 4:06 Uhr

Kaum Warnungen

Wie hoch ist das Risiko bei Iran- und Israel-Flügen wirklich?

Nach Irans Angriff auf Israel sind die Lufträume für zivile Flüge wieder geöffnet. Wer mit deutlichen Warnungen der europäischen Luftfahrtbehörde gerechnet hat, wird enttäuscht. Das sehen einige kritisch.

Mehr als 300 Kampfdrohnen und Raketen schickte der Iran in der Nacht von Samstag auf Sonntag (14. April) Richtung Israel. Zugleich gab es auch kleinere Angriffe aus dem Jemen, Irak und Libanon. Umgehend hatte dies Auswirkungen auf den zivilen Luftverkehr. Lufträume wurden geschlossen, Flüge umgeleitet und Routen angepasst.

Die Europäische Luftfahrtbehörde Easa erklärte am Sonntag: «Alle betroffenen Lufträume (Israel, Libanon, Jordanien, Irak und Iran) wurden von den jeweiligen Luftraumeigentümern während des betreffenden Zeitraums durch Notams gesperrt.» Ein Risiko für Überflüge der zivilen Luftfahrt habe daher nicht bestanden. Aber die Behörde erklärte auch, all diese Notams, wichtige Hinweise für Cockpitcrews, seien im Laufe des Sonntags ausgelaufen.

Nur grobe Hinweise zu Iran und Israel

Man stehe in engem Kontakt mit allen zuständigen Zivilluftfahrtbehörden, insbesondere mit der israelischen, so die Easa. Sie weist auf ihre Hinweise hin, die für die Region in Kraft sind. Und die sind zu Israel und zum Iran recht vage. Für «Israel und den angrenzenden Luftraum, gültig für eine Entfernung von 100 nautischen Meilen um das Land» gelte die Empfehlung, «Vorsicht walten zu lassen und alle verfügbaren Luftfahrtpublikationen zu beachten», heißt es von der Easa.

Dieser Hinweis hatte ein deutlich detaillierteres Conflict Zone Information Bulletin ersetzt, also ein Informationsbulletin für Konfliktgebiete. Dieses galt seit 6. Dezember 2023 für Israel sowie angrenzende Lufträume in Jordanien, Ägypten und Saudi-Arabien. Es sollte ursprünglich mal bis zum 30. April 2024 Gültigkeit behalten.

Konkreteres gilt für Irak und Syrien

Auch zum Iran gibt es Empfehlungen, «Vorsicht walten zu lassen und alle verfügbaren Luftfahrtpublikationen zu beachten». Zudem weist die Easa darauf hin, dass «über dem Fluginformationsgebiet Teheran weiterhin erhöhtes Potenzial für Fehleinschätzung und/oder Fehlidentifizierung besteht».

Im Gegensatz dazu gibt es zum Irak und zu Syrien Conflict Zone Information Bulletins. Das für den Irak gilt seit dem 31. Januar 2024 und bis zum 31. Juli. Es empfiehlt, innerhalb des Fluginformationsgebiets Baghdad keine Flüge unter Flugfläche 320 durchzuführen, also bei Standardbedingungen 32.000 Fuß oder knapp 9750 Meter. Für Syrien gilt die Empfehlung, Überflüge in allen Flughöhen im Fluginformationsgebiet Damaskus zu vermeiden.

OPS-Group-Gründer kritisiert Easa

Einen eigenen Hinweis für den Libanon nennt die Easa nicht. Allerdings liegt dessen Hauptstadt Beirut nur rund 100 Kilometer Luftlinie von der israelischen Grenze entfernt. Damit gilt die Warnung für 100 nautische Meilen (185 Kilometer) rund um Israel auch hier. Das gilt auch für Syriens Hauptstadt Damaskus, die noch näher an Israel liegt.

Kritisch sieht die Zurückhaltung der Easa in Bezug auf den Iran und auf Israel Mark Zee, Gründer der Ops Group, einer Vereinigung von Pilot:innen, Fluglots:innen und weiteren Luftraum-Expert:innen. Es komme ihm sehr seltsam vor, «dass die derzeit offensichtlichste Konfliktzone der Welt kein Conflict Zone Information Bulletin der Easa rechtfertigt», so Zee, «nicht mal nach den Ereignissen dieses Wochenendes».

777-Crew sieht Raketenabwehr

Schon vergangene Woche hätte die Lage zwischen Iran und Israel ein Risiko für die zivile Luftfahrt dargestellt. Zudem sei die Situation im Falle von Israel aufgrund anhaltender militärischer Aktivitäten, Raketenangriffen aus dem Norden sowie GPS-Spoofing im Fluginformationsgebiet Tel Aviv eh schon brisanter als in vielen anderen Konfliktregionen.

Zee berichtet, während die Easa sage, es habe am Wochenende nie ein Risiko vorgelegen, habe die Ops Group den Bericht einer Crew einer Boeing 777 erhalten, die während des Fluges, bei Hurghada, «über dem Sinai massive Raketenabwehrreaktionen» sah. Zee zitiert die Besatzung: «Diese waren optisch höher als unser Flugniveau.» Von Kairo ins Fluginformationsgebiet Athen habe es zudem GPS-Spoofing gegeben, also gefälschte Signale.

Gelernte Lektionen wieder verlernt?

Auch eine Boeing-767-Crew habe Spoofing gemeldet. Andere Besatzungen seien über dem Irak umgedreht, als der Iran Raketen über ihre geplante Flugroute abfeuerte.

«In den zehn Jahren seit MH17 sind wir als Branche viel besser darin geworden, darauf zu achten, wie sich die Dynamik des Krieges auf zivile Flugzeuge auswirkt», sagt der Ops-Group-Gründer. Er bezieht sich auf den von einer russischen Rakete abgeschossenen Malaysia-Airlines-Flug 17 im Juli 2014, bei dem 298 Menschen starben. Mittlerweile mache er sich Sorgen, «dass die Lehren aus MH17 wieder verlernt werden», so Zee.

Swiss meidet iranischen Luftraum

Airlines gehen aktuell sehr unterschiedlich vor. So hat die jordanische Nationalairline Royal Jordanian den Betrieb am Sonntag wieder gestartet. Alle Flüge verliefen wieder normal, so die Fluggesellschaft. Derweil wird Swiss den iranischen Luftraum wie auch Lufthansa bis Donnerstag (18. April) meiden, wodurch sich mehrere Asien-Routen deutlich verlängern. Auch den Flugbetrieb nach Beirut und Tel Aviv haben sie vorübergehend ausgesetzt.

Ops Group empfiehlt Routen

Die Ops Group empfiehlt, derzeit von Europa Richtung Asien über Ägypten und Saudi-Arabien zu fliegen. Ein Route könnte etwa sein, westlich von Kairo nach Süden zu steuern, die Sinai-Halbinsel zu vermeiden und dann nach Osten Richtung Saudi-Arabien zu steuern, so die Empfehlung der Gruppe. Auch sei «die nördliche Option über die Türkei und den Irak wieder offen, auch wenn weiter Warnungen für den Irak unter Flugfläche 320 bestehen».