Interview mit Vytautas Kaikaris, Small Planet Airlines
«Vernichtende Auswirkungen auf unseren Flugplan»
Small Planet Airlines musste in Deutschland Insolvenz anmelden. Konzernchef Vytautas Kaikaris erklärt, wie es dazu kam und was jetzt passiert.
Flieger von Small Planet Airlines: Wie geht es in Deutschland weiter?
Flieger von Small Planet Airlines: Wie geht es in Deutschland weiter?
Sie haben Small Planet Deutschland in die Insolvenz geschickt. Warum halfen Sie Ihrer deutschen Tochter nicht mit einer Kapitalspritze?
Vytautas Kaikaris*: Wir glauben, dass ein Restrukturierungsprozess, in dem eine eingehende Analyse der betrieblichen Mängel in Deutschland in diesem Sommer vorgenommen wird, die bessere Entscheidung war. Small Planet Airlines Deutschland ist entschlossen, eine Lösung zu finden, die eine langfristige Fortsetzung der Geschäftstätigkeit erlaubt.
Wann merkten Sie denn, dass die Lage kritisch wird?
Der Start in die Sommersaison war in Deutschland hart, weil einige Flugzeuge zu spät geliefert wurden und wir dann auch noch mit einem unerwarteten Triebwerksdefekt zu kämpfen hatten, für dessen Reparatur es nicht schnell genug Ersatzteile gab. Es gab Anzeichen, dass sich die Lage gegen Ende des Sommers beruhigt. Das tat sie aber nicht. Small Planet Deutschland wurde von einer Reihe von negativen Effekten und höherer Gewalt getroffen, wie Streiks, Mangel an Crews auf dem Markt oder unzuverlässige Flugzeuge von Subcharter-Anbietern.
In Ihrer Mail an die Angestellten schrieben Sie, es sei erstaunlich, dass Small Planet an diesem giftigen Cocktail nicht gestorben sein. Was meinen Sie damit genau?
Luftfahrt ist ein Geschäft mit dünnen Margen. Bereits kleine Fehler haben große Auswirkungen auf die finanzielle Gesundheit von Fluggesellschaften. In Deutschland hatten wir mit einem Cocktail zu tun, der aus den bereits erwähnten negativen Faktoren bestand. Das hatte vernichtende Auswirkungen auf unseren eng getakteten Flugplan. Das führte zu Verspätungen und Annullierungen und das wiederum zu höheren Kosten.
Der Hauptgrund für die Probleme scheinen die Entschädigungsforderungen von Passagieren zu sein…
Rund sechs Prozent der Flüge von Small Planet Airlines Deutschland waren drei Stunden und mehr verspätet. Entschädigungsforderungen und andere mit den Verspätungen zusammenhängende Zusatzkosten sind zwar ein zentraler Faktor für die finanziellen Probleme, aber es gab auch andere: Unerwartete Wartungen, ein sehr teurer Triebwerksdefekt, höhere Kosten für Subcharter. Es geht also um mehr als nur die Entschädigungsforderungen.
Ist die Insolvenz nicht ein Trick, um die Zahlung zu umgehen?
Nein, denn die Insolvenz entbindet uns nicht von unseren Verpflichtungen. Alle Passagiere, die ihre Ansprüche vor dem 18. September anmeldeten, werden automatisch auf die Liste der Gläubiger gesetzt. Sie bekommen automatisch ein Formular und Anweisungen, wie sie vorgehen müssen. Nochmals: Die Entschädigungsforderungen waren nicht der einzige Grund für die Kostensteigerungen, die zur Insolvenz geführt haben.
Wie kam es denn zu diesen massiven Verspätungen?
Nach dem Ende von Air Berlin tat sich eine Nische für andere Anbieter auf. Small Planet Airlines Deutschland entschied sich, diese Chancen zu packen und das Angebot zu verdoppeln. Die Fluglinie hatte aus den oben genannten Gründen Mühe, dieses Wachstum zu schultern. Die Verluste zwangen uns zur Insolvenz.
Sie erwähnten auch, dass es zwischen den vier Fluggesellschaften der Gruppe zuwenig synchronisierte Abläufe gebe.
Wir haben in Europa ein einzigartiges Geschäftsmodell. Wir haben vier Airlines in Litauen, Polen, Deutschland und Kambodscha mit eigenen Luftverkehrsbetreiberzeugnissen, also AOCs. Doch viele Dienstleistungen werden von der Zentrale in Litauen angeboten. Diese Zentralisierung hat sich in den vergangenen Jahren ausbezahlt. Aber sie erwies sich als herausfordernd beim außerordentlichen Wachstum der deutschen Tochter in diesem Sommer.
Sind denn die anderen Töchter besser in Form?
Sie planten kein so starkes Wachstum wie in Deutschland. Die Small Planet Airlines in Litauen, Polen und Kambodscha werden ihre Flüge wie geplant durchführen und bereiten sich für die kommende Wintersaison vor. Auch werden Litauen und Polen ihre saisonalen Winterprojekte in Asien durchziehen, um die Nutzung der Flieger zu erhöhen und Saisonalität zu verringern. Ende des Jahres werden wir 3,9 Millionen Passagiere befördert haben – ein Plus von 29 Prozent gegenüber 2017.
Sie suchen einen neuen Eigentümer fürs deutsche Geschäft. Warum wollen sie Small Planet Deutschland nicht behalten?
Einen Investor zu suchen, das ist nur eine Option. Der Prozess wurde jetzt eben erst gestartet. Es ist zu früh zu sagen, was das Resultat sein wird.
Was ist Ihr Zeithorizont?
Das hängt von den gemeinsamen Bestrebungen des Insolvenzverwalters, dem Management und der Gläubiger ab. Das Ziel ist, es, den Betrieb langfristig aufrecht zu erhalten.
* Vytautas Kaikaris ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Small-Planet-Gruppe mit Sitz in Vilnius, die Airlines in Litauen, Polen, Deutschland und Kambodscha betreibt. Der Litauer studierte BWL an der Concordia International University Estonia und bildete sich danach in Harvard und am Insead weiter. Seine Berufskarriere begann er bei den Buchprüfungskonzernen Pricewaterhouse Coopers und KPMG sowie beim Mobilfunkanbieter Bite bevor er Small Planet gründete.