Letzte Aktualisierung: um 19:08 Uhr

Interview mit Thomas Schnalke, Flughafen Düsseldorf

«Viele sind bereit, für Abstand und Hygiene zu bezahlen»

Thomas Schnalke ist Chef des Flughafens Düsseldorf. Im Interview spricht er über die Krise und ihre Lektionen. Über Eurowings und Condor. Und über Flugtaxis auf Dächern.

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Ganz ehrlich: Wie schlimm ist es?
Thomas Schnalke*: Es ist genauso schlimm wie bei allen anderen auch. Die Zahlen sprechen für sich: In einer Woche Ende September hatten wir etwa 23 Prozent der Passagiere im Vergleich zum normalen Verkehr aus dem Vorjahr. Und etwa 35 Prozent der Flugbewegungen. Während der Sommerferien waren es etwas mehr.

Wieviele Flugbewegungen sind das?
Täglich sind es zwischen 200 und 250 Bewegungen, also Starts und Landungen in Summe. In den Sommerferien waren es an manchen Tagen 300. Da waren wir im Bereich dessen, was wir erwartet hatten. Allerdings hatten wir gehofft, dass es danach weiter nach oben geht, da in normalen Jahren vom Ferienbeginn bis Oktober unsere stärkste Zeit ist. Aber das hat sich absolut nicht realisiert.

Wie viele Passagiere erwarten Sie für das gesamte Jahr 2020 und für 2021?
Es ist äußerst schwierig, Prognosen abzugeben. Aber wenn die Rahmenbedingungen in etwa so bleiben, wie sie jetzt sind, dann rechnen wir für 2020 in etwa mit 70 oder 75 Prozent weniger Passagieren als 2019. Und für 2021 müssen wir sicherlich von etwa 50 Prozent ausgehen.

Ryanair fühlt sich wohler an Airports mit deutlich niedrigeren Entgelten. Das ist kein Unglück für unseren Flughafen

In unserem Gespräch im Mai 2018 haben Sie Ryanair einen «nennenswerten Auftritt» in Düsseldorf vorausgesagt. Jetzt zieht sich die Airline zurück und wirft Ihnen «überhöhte monopolartige Flughafengebühren» vor. Was antworten Sie?
Die Flughafenentgelte sind öffentlich und gelten für jede Airline. Und wenn eine Fluggesellschaft das nicht zahlen möchte, sucht sie sich halt einen anderen Standort. Das ist völlig normal.

Aber Sie verlieren eine Fluggesellschaft.
Das ist richtig, aber das heißt ja nicht, dass der Markt verloren geht. Der Weggang von Ryanair bedeutet, dass andere Airlines das ergreifen, was der Markt als Chancen bietet. Ryanair fühlt sich wohler an Airports mit deutlich niedrigeren Entgelten. Das ist kein Unglück für unseren Flughafen.

Und wer springt in die Lücke?
Die Bestandsairlines. Eurowings übernimmt einen großen Teil, im Wesentlichen durch die Aufstockung von Frequenzen. Aber wir haben auch neue Airlines, die zu uns kommen. Corendon hat etwa vor, im kommenden Jahr auf bis zu drei stationierte Flugzeuge aufzustocken.

Wir werden sehen, wie sich der Lufthansa-Konzern mit der Langstrecke, besonders der touristischen Langstrecke, aufstellen wird

Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagte im Mai, «die Beibehaltung der Langstreckenverkehre aus Düsseldorf» werde «vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie einer kritischen Überprüfung unterzogen». Fliegt Eurowings ab Düsseldorf künftig keine Langstrecke mehr?
Ich kann nur sagen, dass Eurowings im Moment keine Langstrecke fliegt. Aber wir haben in Düsseldorf und Umgebung einen starken Markt für Nordamerika. Das gilt insbesondere für New York, aber auch für Florida. Darüber hinaus für karibische Ziele. Wenn wir zu einer Normalisierung kommen, wird es auch wieder Langstrecken-Carrier geben, die diesen Markt bedienen.

Und gehört Eurowings dazu? Oder Ocean?
Wir werden sehen, wie sich der Lufthansa-Konzern mit der Langstrecke, besonders der touristischen Langstrecke, aufstellen wird. Dazu gibt es nach meiner Kenntnis bisher keine abschließende Beurteilung.

Erzählen Sie uns etwas über Ihren Winterflugplan. Gibt es Langstreckenflüge?
Für den Winter gibt es einige positive Signale. Emirates plant, ab 1. November wieder eine Verbindung nach Dubai anzubieten. Und auch Condor nimmt die Langstrecke in ihren Flugplan auf und steuert Varadero in Kuba an. Darüber hinaus wird Eurowings ab Januar 2021 mit Beirut und dem irakischen Erbil neue Destinationen anbieten. Bereits im Oktober verbindet British Airways London-Heathrow wieder mit Düsseldorf.

Wir müssen uns aber darauf einstellen, dass wir dauerhaft 15 Prozent weniger Beschäftigung an unserem Flughafen haben werden

Finanziell ist die Krise eine riesige Belastung. Wie lange reicht bei Ihnen das Geld noch?
Es ist nicht so, dass wir in akuten Problemen wären. Aber natürlich müssen wir Möglichkeiten suchen, um Liquidität für unser Unternehmen zu gewinnen. Wir haben zwei wesentliche Dinge, die in den letzten Arbeitsschritten sind: Zum einen ein Darlehen in Höhe von 250 Millionen Euro, das durch eine Haftungsfreistellung des Landes Nordrhein-Westfalen gedeckt ist. Unsere Gesellschafter unterstützen uns zudem mit einem Darlehen von bis zu 100 Millionen Euro. Davon haben wir schon 60 Millionen in der Kasse.

Reicht das aus?
Das ist erstmal eine Basis, die uns sicher macht. Aber natürlich müssen wir unser Unternehmen auch ändern, wir müssen uns anpassen an die neuen Marktverhältnisse. Wir werden Sach- und Personalkosten senken. In diesem Zuge müssen wir auch Stellen reduzieren. Gleichzeitig möchten wir auch neue Erlösfelder generieren. Welche Maßnahmen für all diese Punkte genau infrage kommen, wird bis etwa Mitte Dezember in einem Konzept erarbeitet.

Wie viele Stellen müssen Sie streichen? Verdi spricht von 600.
Wie gesagt, wir erarbeiten derzeit, wo wir reduzieren müssen. Wir müssen uns aber darauf einstellen, dass wir dauerhaft 15 Prozent weniger Beschäftigung an unserem Flughafen haben werden. Letztlich kommt es auf die Kosteneinsparung an, die man über verschiedene Maßnahmen erreichen kann.

Wie viele Beschäftigte haben Sie im Moment?
Etwa 2300. Aber man kann das nicht an der Zahl von Stellen festmachen, denn wir haben zum Beispiel viele Beschäftigte in Teilzeit. Wichtig ist uns, dass der Abbau sozialverträglich erfolgt.

Es wäre gut, wenn die Regierung uns diese Lockdown-Kosten erstatten würde

Wünschen Sie sich weitere Unterstützung vom Staat, über die Kurzarbeit hinaus?
Während der Lockdown-Zeit haben wir unseren Flughafen offen gehalten und damit in erheblichem Umfang Kosten produziert. Insgesamt mussten die deutschen Flughäfen, die offen geblieben sind, in dieser Zeit etwa 700 Millionen Euro an Kosten tragen, um uns an die Welt angebunden zu halten. Und das mit nur 0 bis 5 Prozent des üblichen Verkehrs. Es wäre gut, wenn die Regierung uns diese Lockdown-Kosten erstatten würde. Wir waren kürzlich bei Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und er hat uns einen Luftfahrtgipfel zugesagt, um dieses Thema zu diskutieren.

Wie viel entfällt davon auf Düsseldorf?
Etwa 50 Millionen Euro.

Und halten Sie trotz der Krise an der beantragten Kapazitätserweiterung fest?
Natürlich. Wir blicken dabei ja auf 2030. Und es geht bei dem Antrag um eine Erhöhung der planbaren Slots zu den Stoßzeiten und die flexiblere Nutzung der beiden Start- und Landebahnen. Schon bei dem geringen Verkehr aktuell sind die Stoßzeiten zu 40 Prozent ausgelastet. Das ist im Wesentlichen morgens um 6 Uhr, am späten Vormittag, am frühen Nachmittag und ganz spät nachmittags. Wird der Antrag genehmigt, haben wir die Möglichkeit, zu diesen Zeiten zu wachsen. Wenn der Verkehr aber nicht kommt, kommt er nicht – damit sind aber keinerlei Kosten verbunden. Denn es ist im Kern eine Veränderung der Betriebsgenehmigung für das bestehende Infrastruktursystem.

Wenn es zu einer Verlagerung von Inlandsflügen auf Bahnverkehr kommt, stehen wir mit unserem Bahnhof zur Verfügung

Gibt es auch gute Nachrichten? Sie haben schon den Start von Corendon erwähnt.
Corendon hat schon einen Flieger hier stationiert und will bis zum Sommer 2021 auf drei Flugzeuge aufstocken. Turkish Airlines hat einen ambitionierten Plan, um ihren Verkehr an unserem Flughafen 2021 und 2022 wieder hochzufahren. Eurowings hat sich klar zu Düsseldorf als Standort Nummer eins bekannt und auch Condor hat wie erwähnt ein starkes Bekenntnis abgegeben und möchte hier wachsen.

Fracht ist an Ihrem Airport eigentlich kein großes Thema. Aber kürzlich flog Vietnam Airlines im Cargocharter mit einem A350 nach Düsseldorf. Wird Fracht durch die Krise wichtiger für Sie?
Frachtgeschäft ist bei uns Beiladungsgeschäft und an dieser Strategie hat sich nichts geändert. In der Krise ist es aber ein Vorteil, dass wir eine sehr gut funktionierende Frachttochter haben. Das ist in der Branche relativ gut bekannt als guter Service. Daher werden freie Kapazitäten aktuell gerne mit reinen Frachtflügen aufgefüllt. Emirates macht das zum Beispiel, aber unregelmäßig, als Chartergeschäft. Es geht jedoch nicht um riesige Volumen. Wir werden kein großer Frachtflughafen.

Zurück zum Passagierverkehr: Immer mehr Kurzstreckenflüge werden durch Züge ersetzt. Sie haben einen Fernbahnhof, aber zwischen ihm und dem Airport liegt noch der Skytrain. Haben Sie die Möglichkeit, die Schwebebahn in kürzeren Takten fahren zu lassen?
Ja, sicherlich. Aber wir müssen sehen, wie wir den Fernbahnhof künftig nutzen. Wenn es zu einer Verlagerung von Inlandsflügen auf Bahnverkehr kommt, stehen wir mit unserem Bahnhof zur Verfügung. Dazu brauchen wir aber zunächst das entsprechende Angebot der Bahn. Der Frankfurter Flughafen wäre ja zum Beispiel ein lohnenswertes Ziel, zu dem es heute immer noch Flugverbindungen gibt. Wir müssten dann den Fernbahnhof so ausbauen, dass er attraktiver wird für die Kunden.

Bisher gibt es dort nicht viel mehr als einige Süßigkeiten- und Fahrkartenautomaten.
Genau. Es ginge darum, dort Gastronomie anzusiedeln, vielleicht auch Geschäfte und Flughafendienstleistungen. Zudem müsste der Fernbahnhof noch besser angebunden werden, zum Beispiel für Pkw mit Park & Ride. Aber für all das muss der Bahnverkehr dort erstmal wachsen.

Der Flughafen soll zum Mobilitätsdrehkreuz werden, nicht nur in der Luft

Sie haben kürzlich auch schon von Flugtaxis gesprochen.
Es ist wichtig, dass wir Mobilität von Tür zu Tür als Service anbieten können. Der Flughafen soll zum Mobilitätsdrehkreuz werden, nicht nur in der Luft, sondern auch etwa für die Bahn und für Park & Ride. Wir haben hier auch einen S-Bahnhof und künftig eine U-Bahnstation. Und auch die Technologie der Flugtaxis könnte als Zubringer und Verteiler zu und von großen Flughäfen sehr sinnvoll sein. Wir schauen uns an, welche Infrastruktur dafür nötig ist, und arbeiten dabei unter anderem mit dem Unternehmen Lilium und dem Flughafen Köln-Bonn zusammen.

Und was ist nötig?
Flächen sind nötig, dafür sind etwa die Dächer der Parkhäuser denkbar. Dazu braucht es eine Infrastruktur fürs Aufladen der Batterien, für einen vernünftigen Passagierprozess und für die Gewährleistung der Sicherheit. Wir wollen als einer der ersten Flughäfen bereit sein, Flugtaxen willkommen zu heißen. Es wäre ein Fehler, sich nicht damit auseinanderzusetzen.

Wann könnten hier die ersten Flugtaxis abheben?
Einen Termin zu nennen, wäre pure Spekulation.

Beschäftigen Sie sich auch mit elektronisch betriebenen Flugzeugen? Und mit Wasserstoffantrieben, wie Airbus sie gerade vorgestellt hat?
Wasserstoffflieger werden noch einige Zeit auf sich warten lassen. Airbus hat ja 2035 als Datum genannt. Elektroflugzeuge werden früher kommen und Ladestationen brauchen. Die können wir dann auch bieten. Wir beschäftigen uns ja schon länger mit Ladeinfrastruktur für Bodenfahrzeuge.

Menschen sind bereit, auch ein bisschen mehr zu bezahlen, wenn Abstand und Hygiene gewährleistet sind

Gibt es eine Lektion, die Sie aus der Corona-Krise mitnehmen, die auch nach der Pandemie etwas am Flughafen verändern könnte?
Wir lernen gerade, dass viele Menschen bereit sind, auch ein bisschen mehr zu bezahlen, wenn Abstand und Hygiene gewährleistet sind, wenn Prozesse mit weniger Menschen und vielleicht auch etwas schneller organisiert werden. Das ist immer mehr Leuten wichtig. Und es ist ein Punkt, der uns nach der Pandemie noch ein Stück weit begleiten könnte. Wir müssen uns fragen, welche Chancen wir daraus entwickeln wollen.

Welche Chancen könnten das sein?
Wir müssen schauen, ob wir im Terminal nicht Produkte anbieten, die darauf ausgerichtet sind, genau diese Bedürfnisse zu befriedigen: schneller zu sein und mehr Abstand zu haben.

*Thomas Schnalke ist Vorsitzender der Geschäftsführung des Flughafens Düsseldorf DUS. Den Airport der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen führt er seit mittlerweile 19 Jahren. Das Interview mit Thomas Schnalke fand Anfang Oktober am Flughafen Düsseldorf statt.