Letzte Aktualisierung: um 20:44 Uhr

Interview mit Stefan Pichler, Royal Jordanian Airlines

«Werden uns wohl strategischen Partner suchen»

Stefan Pichler ist seit Mitte 2017 Chef von Royal Jordanien Airlines. Im exklusiven Interview spricht er über seine Pläne, den Ausbau in Deutschland, neue Flugzeuge und das Ende von Air Berlin.

Sie kamen vor elf Monaten aus Berlin nach Amman und übernahmen den Chefposten bei Royal Jordanian Airlines. War der Wechsel schwierig?
Stefan Pichler: Man fängt als Chef an jedem Ort irgendwie bei Null an. Die zentrale Aufgabe ist es ja, Menschen im Einklang mit der gesetzten Strategie zu führen. Das kann man nur vor dem Hintergrund der Kultur des Unternehmens und des Landes. Daher muss man sich an allen neuen Orten erst einmal einleben. Ich bin inzwischen daran gewöhnt. Ich war zuvor zwei Jahre in Berlin, davor zwei Jahre in Fiji, zuvor fünf Jahre in Kuwait, dann sechs Jahre in Australien und so weiter. Der Wechsel nach Amman war also nichts grundlegend Anderes.

Was hat Sie am meisten beeindruckt als Sie bei Royal Jordanian begonnen haben?
Diese Fluggesellschaft hat ein großes Potenzial. Das wusste ich. Wirklich positiv überrascht war ich aber über die vielen sehr gut ausgebildeten und hochmotivierten Mitarbeiter, die ich hier vorfand. Viele arbeiten schon seit vielen Jahren hier. Aber ich entdeckte natürlich auch Mängel. Dazu gehörte etwa eine gewisse Betriebsblindheit, aber auch Defizite im kommerziellen Bereich. Die Resultate von Royal Jordanian waren in den letzten Jahren nicht umsonst schlecht.

Was haben Sie als erstes angepackt?
Wir haben umgehend Maßnahmen im kommerziellen Bereich eingeleitet. Die Auslastung lag über Jahre zwischen 60 und 63 Prozent. Das ist einfach zu wenig. Wir haben sie mit verstärktem Marketing und einer flexibleren Preispolitik auf kontinuierlich über 70 Prozent hochgebracht. Das hat sich auch in der Ergebnissrechnung sehr positiv ausgewirkt. Auch wenn die offiziellen Resultate noch nicht vorliegen, so viel kann ich sagen: Royal Jordanian wird für 2017 nach einem miserablen ersten Halbjahr am Ende einen kleinen Gewinn ausweisen. Diese Dynamik setzt sich im laufenden Jahr fort.

Sie haben letzten Herbst zusammen mit dem Aufsichtsrat einen Fünfjahresplan verabschiedet. Kern ist eine Reduktion der Stückkosten um sechs Prozent. Wie wollen Sie das erreichen?
Wir müssen rundum die Produktivität erhöhen. Dies gilt vor allem für Piloten, Flugbegleiter und unsere Mitarbeiter am Boden. Das Geschäft ist saisonal, der Mitarbeiterbestand ist aber aktuell noch auf die Hochsaison ausgerichtet. Wir richten uns künftig mehr an der Tiefsaison aus und stellen temporär Leute an, wenn wir zusätzliches Personal brauchen. Das gleiche gilt bei den Flugzeugen. Wir müssen sie besser nutzen. Aktuell sind sie im Schnitt 11,2 Stunden pro Tag in der Luft, im Vorjahr waren es nur 10,2 Stunden. Wir wollen aber nochmals deutlich mehr. Künftig werden wir die Flotte relativ knapp halten und in der Hochsaison Flieger dazu leasen. Nicht zuletzt wollen wir bei den Zulieferern bessere Konditionen herausholen.

Künftig werden wir die Flotte relativ knapp halten und in der Hochsaison Flieger dazu leasen.

Müssen Sie Personal entlassen?
Nein, Entlassungen gibt es nicht. Wir werden aber frühzeitige Pensionierungen fördern und frei werdende Stellen nicht immer ersetzen. Auch planen wir, Bereiche abzustossen, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Royal Jordanian wird allerdings nicht einfach nur die Kosten senken, sondern auch mehr einnehmen. Das Ziel ist hier 7 Prozent höhere Stueckerträge im Planungszeitraum. Da gibt es noch viel mehr Potenzial als auf der Kostenseite.

Was können Sie da tun?
Man kann überall ansetzen, vieles haben wir ja auch schon angepackt. Aber es gibt auch Dinge, die etwas länger brauchen. So stimmte beispielsweise der Mix zwischen den Vertriebskanälen bei Royal Jordanian nicht. Wir verkauften nur 8 Prozent unserer Kapazität online, das Callcenter verkaufte gar nichts. Da lag also sehr vieles brach. Daran arbeiten wir seit einiger Zeit. Zudem richten wir das Marketing neu aus. Royal Jordanian schrieb zwar weltweit Schlagzeilen mit Werbung, die etwa den US-Wahlkampf thematisierte. Aber dadurch verkauften wir keine Tickets.

Was für Kunden wollen Sie denn gewinnen?
Wir genießen in der ganzen Levante-Region – also das was man früher das Morgenland nannte – einen guten Ruf. Royal Jordanian ist zuverlässig und bietet einen guten Service. Zudem hilft uns, das wir in einem neutralen Land in Arabien sitzen – so können wir beispielsweise nach Israel fliegen, was für andere arabische Fluggesellschaften derzeit tabu ist. Darauf wollen wir aufbauen. In diesem Markt wollen wir die Nummer eins werden.

Das Morgenland ist aber nicht gerade stabil – Krieg in Syrien, Aufruhr in den Palästinensischen Autonomiegebieten, Chaos im Libanon…
Die Lage im Nahen Osten ist instabil, das ist so. Das berücksichtigen wir aber in unserem Fünfjahresplan. Wir rechnen mit 3,5 Prozent Wachstum jährlich – das ist recht bescheiden. Wichtig ist für uns aber am Ende auch das Wachstum des Gewinnes. Und wo Risiken sind, gibt es immer auch Chancen.

Wo sehen Sie in Ihrem Heimmarkt noch Potenzial?
Vieles ist hier im Fluss. Gerade haben wir unsere Flüge in den Nordirak wieder aufgenommen, Syrien wird wohl noch eine Weile brauchen. Wenn wir in der Levante Chancen sehen, gehen wir sie an.

Und wie sieht es weiter weg aus?
Europa ist für Royal Jordanian ganz klar ein Wachstumsmarkt. Der Tourismus boomt – in beide Richtungen. Wir haben kürzlich Kopenhagen neu in den Flugplan aufgenommen. Das läuft sehr gut. Skandinavien schauen wir uns ganz allgemein genauer an. Auch in Osteuropa sehen wir Chancen. Aber zuerst werden wir wohl die Frequenzen zu unseren bereits bestehenden 18 europäischen Zielen erhöhen. Das gilt insbesondere auch für Berlin, Frankfurt, München, Wien und Zürich. Im Gegenzug bauen wir Kapazität in Richtung Persischer Golf ab. Da ist die Konkurrenz und die angebotene Kapazität schlicht zu groß.

Europa ist für Royal Jordanian ganz klar ein Wachstumsmarkt.

Zugleich steigt aber die Konkurrenz. Ryanair bietet neu Flüge nach Jordanien an…
Man muss zuerst abwarten, wie sich das entwickelt. Jordanien ist nicht sehr digital, wie schon erwähnt. Daher wird es für Ryanair hier nicht ganz einfach, lokale Kunden zu gewinnen. Hinzu kommt, dass Jordanier für Europa ein Visum brauchen. Aber wir haben da sicher ein Auge drauf.

Sie wollen aber auf die Lowcoster reagieren und Dinge von denen übernehmen.
Wir haben neue Preiskonzepte eingeführt, so wie es auch viele europäische Fluggesellschaften eingeführt haben. Die billigsten Tarife beinhalten beispielsweise kein Aufgabegepäck mehr und sind nicht erstattungsfähig. Das ist heute gängige Praxis, wurde hier aber noch nicht gemacht. Insofern bin ich sogar froh darum, weil wir durch das Aufkommen der neuen Konkurrenz erst solche Dinge einfcher umsetzen können. Eine Billigfluggesellschaft machen wir aber aus Royal Jordanian sicher nicht.

Könnten Sie sich denn vorstellen, dass auch Royal Jordanian eine eigene Billigtochter gründet, wenn die Konkurrenz durch Ryanair und Co zunimmt?
Es wird für uns aufgrund unserer Stellung im Land und mit einem Mehrheitseigentümer Staat schwierig, eine Billigairline komplett isoliert von Royal Jordanian neu zu gründen. Aber wir könnten eine bereits bestehende Billigfluggesellschaft übernehmen oder uns an ihr beteiligen. Das ist sicher etwas, was wir uns mittelfristig anschauen. Zuerst wollen wir aber die Sanierung durchziehen.

Und gibt es auch Expansionspläne auf der Langstrecke?
Die USA sind für uns interessant. 2020 nehmen wir Flüge nach Washington auf. Vielleicht kommt da noch mehr. Asien ist für uns dagegen kein Markt, da gibt es viel zu viel Kapazität – von den Golfairlines und auch von Turkish Airlines. Wir fliegen zwar nach Bangkok – und dann weiter nach Kuala Lumpur und Hongkong. Dabei wird es aber auch bleiben.

Auf der Langstrecke ist die Entscheidung in puncto Flotte vor Ihrem Amtsantritt gefallen. Da planen Sie mit den sieben Dreamlinern, die sie bereits haben. Richtig?
Wir haben eine zweite Order annulliert. Mit den sieben Dreamlinern stehen wir ganz gut da. In der Hochsaison könnten wir vielleicht manchmal auch etwas größere Maschinen brauchen, wie etwa die Boeing 787-9. Aber wir haben nun mal die 787-8 gekauft.

Manchmal könnten wir auch etwas größere Maschinen brauchen, wie etwa die Boeing 787-9.

Auf der Kurz- und Mittelstrecke setzt Royal Jordanian aktuell noch auf Airbus und Embraer. Steuern sie da eine Einheitsflotte an?
Ja, denn das reduziert die Komplexität. Das ist wichtig für eine kleinere Airline. Wir werden in Kürze die Ausschreibung starten und alle Hersteller anschreiben – Airbus, Boeing, Bombardier und Embraer. Klar ist aber schon, dass wir von 19 auf 23 Flieger ausbauen wollen. Wer am Ende gewinnt ist mir egal – es soll das beste Angebot gewinnen.

Mit Sukhoi und Comac sprechen Sie nicht?
Nein. Deren Supportnetz ist einfach noch zu dünn.

Royal Jordanian ist eine kleine, regionale Fluggesellschaft. Kann sie langfristig alleine überleben oder müssen Sie sich irgendwann an eine Große anlehnen?
In den USA haben die vier großen Anbieter zusammen 80 Prozent Marktanteil. In Europa läuft die Konsolidierung gerade in diese Richtung. Das kommt auch im arabischen Raum. Wenn Sie mich daher fragen, ob Royal Jordanian in fünf, sechs Jahren noch selbstständig sein wird, dann ist meine Antwort: Mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht. Wir werden uns wohl einen strategischen Partner suchen, mit dem wir gemeinsam in die Zukunft gehen können. Aber wir führen noch keine Gespräche und es ist noch nicht auf unserer Tagesordnung.

Zum Abschluss: Stimmt es Sie eigentlich traurig, dass es Air Berlin nicht mehr gibt?
Leider hatten zu meiner Zeit die Gesellschafter dem vorgeschlagenen Sanierungskonzept nicht zugestimmt und es daher auch nicht finanziert. Es ist traurig, wenn so viele Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Dem einen oder anderen habe ich aus der Ferne einen neuen Job beschaffen können. Das freut mich.

Stefan Pichler (60) ist seit Juni 2017 Chef von Royal Jordanian Airlines. Zuvor war er während rund zwei Jahren Vorstandsvorsitzender von Air Berlin. In seiner Karriere leitete der Allgäuer auch Fiji Airways und Jazeera Airways, saß im Management von Virgin Australia und leitete einst den Reiseriesen Thomas Cook als Konzernchef. Er studierte Betriebswirtschaft und Recht an der Universität Augsburg.