Letzte Aktualisierung: um 15:35 Uhr

Siegfried Axtmann, FAI Aviation

«Es gibt nicht viele mit solch einem Kreditkartenlimit»

Siegfried Axtmann ist Chef von FAI Aviation. Im Interview spricht er über prominente Ambulanzflug-Patienten, sein Problem mit Kreditkarten und tonnenweise Geld im Jet.

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Sie haben mit Ihren Ambulanzjets den Fußballer Thomas Müller und den Politiker Alexei Navalny geflogen. Transportiert FAI oft so prominente Gäste, oder sind das Ausnahmen?
Siegfried Axtmann*: Wir transportieren pro Jahr rund 1000 Patienten. Ich gehe davon aus, dass da mehr Prominente dabei sind, als ich selber mitbekomme. Es gibt einen Auftrag, eine Passkopie und einen Patienten-Zustandsbericht. Dann erledigen wir unsere Arbeit. Und wenn wir mal wissen, dass es jemand prominentes ist, machen wir das nicht öffentlich. Das machen die Medien, falls sie es erfahren.

Dennoch hilft es Ihnen, da Ihr Unternemen dadurch bekannter wird.
Ja, natürlich. Vor allem bei den Ambulanzflügen ist es wichtig für uns, dass die Stellen, die innerhalb von Stunden eine Entscheidung treffen müssen, uns auf dem Zettel haben. Egal, ob das beispielsweise der FC Bayern München, eine Regierung oder ein anderer Kunde ist.

FAI verchartert neben den Ambulanzfliegern auch VIP-Jets für Privat- und Geschäftsreisen. Und Sie warten und modifizieren Businessjets für Kunden. Wie teilt sich all das auf?
Wir machen als Gruppe einen Umsatz von rund 100 Millionen Euro pro Jahr, wovon etwa 50 Prozent auf das Ambulanz-Geschäft entfallen und 15 Prozent auf Wartung und Modifizierung. Der Rest ist VIP-Chartergeschäft sowie der Bereich Special Mission.

Und was verbirgt sich hinter Special Mission?
Zum Beispiel Deportationen, also Abschiebungen. Oder Werttransporte.

Wer wir denn im Privatjet abgeschoben?
Gefährder. Und Kleingruppen, die zu klein sind, um für sie einen größeren Flieger wie eine Boeing 757 zu chartern, aber zu groß, um sie mit einem Linienflug zu transportieren. Dann ist ein Businessjet für Innenministerium und Bundespolizei noch die günstigste Variante.

Wie oft führen Sie solche Flüge durch?
Normalerweise ein oder zwei Mal im Monat. Derzeit aber seltener wegen der Corona-Krise.

Bei uns sind das natürlich Sonderflüge, wenn wir beispielsweise 200 Millionen Dollar an Bord haben

Und was für Werttransporte machen Sie?
Wenn wir Bargeld von Länderbanken zwischen Kontinenten fliegen, erreicht das schnell ein Volumen von ein bis zwei Tonnen. Das findet aktuell vermehrt statt, da aufgrund von Corona weniger Passagierflieger unterwegs sind, die solche Werttransporte mit der Fracht mitnehmen.

Wie sieht es da mit der Sicherheit aus?
Bei den Passagierfliegern der Airlines ist das Spezialfracht, die aber zusammen mit anderer Fracht transportiert wird. Das sitzt der Passagier dann nicht nur über Kisten voll Bananen, sondern auch über Aluboxen voll mit Goldbarren, aber er weiß nichts davon. Und auch generell ist es da aus Sicherheitsgründen sehr wichtig, dass das Ganze nicht auffällt und niemand davon weiß. Bei uns sind das natürlich Sonderflüge, wenn wir beispielsweise 200 Millionen Dollar an Bord haben. Die Fracht wird mit Bewachung angeliefert und abgeholt. Dazwischen ist der entsprechende Bereich des Fliegers versiegelt. Wir transportieren aber auch weniger wertvolle Fracht.

Zum Beispiel?
Etwa für die Automobilindustrie. Wir haben zum Beispiel mal 30 Kopfstützen an die Ostküste geflogen, weil der Lieferant sonst eine Konventionalstrafe in gigantischer Höhe gezahlt hätte, wenn die Teile nicht pünktlich angekommen wären. Es kann aber zum Beispiel auch ein Ersatzteil für eine Ölbohrplattform sein. Da ist der Flug zwar teurer als das Ersatzteil, aber noch teurer wäre es, wenn die Anlage länger stillsteht.

Interkontinentale Ambulanzflüge kosten immer 100.000 Dollar oder mehr

Kommen wir nochmal zurück zu den Ambulanzflügen. Wie läuft so eine Buchung ab?
Wir haben eine rund um die Uhr mit Fachpersonal besetzte Alarmzentrale hier in Nürnberg. Es steht immer ein Medical Director bereit, der den Zustand der Patienten beurteilt anhand der übermittelten medizinischen Daten. Und unsere Teams sitzen auf gepackten Koffern, die Maschinen sind immer startbereit. Gezahlt wird vorher, außer bei Kunden, die wir schon kennen.

Wird dann mit Kreditkarte bezahlt?
Unsere Kunden sind vor allem Regierungen, NGOs und Unternehmen, viele davon schon langjährige Kunden. Wenn jemand Neukunde ist, ist eine Blitzüberweisung eine Option. Das Problem mit Kreditkarten sind oft die Limits. Interkontinentale Ambulanzflüge kosten immer 100.000 Dollar oder mehr und es gibt nicht viele Leute, die über solch ein Kreditkartenlimit verfügen. Da ist es mir schon lieber, die Crew nimmt die Bezahlung vor Abflug in bar entgegen. Das sind aber Ausnahmen.

100.000 Dollar in bar. Da denke ich an einen kolumbianischen Drogenboss. Würden Sie so jemanden transportieren – wenn er zum Beispiel zur Behandlung in ein deutsches Krankenhaus möchte?
Wenn er ein gültiges Visum und eine Einladung der Klinik hat, würden wir ihn transportieren, aber Ersteres schließt schon eine Beförderung von offensichtlich Kriminellen aus, außer in polizeilichem Gewahrsam. Das ist übrigens auch generell so: Wir fliegen nur los, wenn die Einreise und Aufnahme im Voraus gesichert ist, andernfalls stünden wir in der Carrier-Haftung, solche Personen auf eigene Kosten zurückzubringen.

Statt dem Kranken- kommt dann leider der Leichenwagen

Wenn ich also als Privatperson über das nötige Geld verfüge, kann ich FAI aus meinem Spanienurlaub anrufen, in dem ich mir beide Beine gebrochen habe, und Sie bringen mich zurück nach Deutschland?
Natürlich. Aber die Zahl der Privataufträge ist relativ gering. Denn Reisende sind oft rückholversichert, über Reise- und Auslandskrankenversicherungen oder auch über eine silberne oder goldene Kreditkarte, was viele nicht wissen. Zumindest bis zu einem gewissen Betrag. In dem Fall rufen Sie uns aber nicht selber an, sondern das läuft über die Versicherung und deren Assistance, die das Angebot rückversichert hat.

Der Patient in ihrem Flieger hat also eventuell gar nicht viel Geld, aber clever eine Versicherung abgeschlossen.
Genau. Wir haben ganz wenig Privatzahler. Wenn das doch vorkommt, sind das zum Beispiel Patienten, die nicht nochmal 48 Stunden warten wollen, bis die ADAC-Zentrale ihnen die Freigabe für die Rückholung gibt. Dann fliegen sie mit uns, zahlen selber und streiten sich danach mit ihrer Versicherung über die Kostenübernahme. Das ist aber die Ausnahme.

Was geschieht, wenn jemand den Flug nicht überlebt?
Das kommt äußerst selten vor, die Todesrate liegt Promillebereich. Denn wenn wir einen Patient fliegen, ist er ja transportfähig und die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er überlebt. Wenn es dennoch passiert, müssen bei der Landung die Behörden hinzugezogen werden. Wir landen eh nur an internationalen Flughäfen und dort gibt es einen funktionierenden Polizeiapparat. Statt dem Kranken- kommt dann leider der Leichenwagen.

Wir fliegen viele Intensivpatienten aus dem Nahen Osten an die US-Ostküste

Gibt es Länder, die Sie nicht ansteuern, weil sie zu gefährlich sind?
Nein, wir fliegen weltweit ohne Einschränkungen. In Kabul in Afghanistan haben wir sogar eine Maschine für die Vereinten Nationen stationiert. Das Flugzeug gehört uns, trägt aber die Lackierung der UN und operiert unter deren Call Sign. Gleiches gilt für Dakar und Baghdad.

Gibt es meistgeflogene Strecken bei Ihnen?
Wir fliegen viele Intensivpatienten aus dem Nahen Osten für Spezialbehandlungen an die US-Ostküste oder auch nach Asien beispielsweise. Außerdem evakuieren wir regelmäßig Patienten im Auftrag von Assistancen, die für die US-Regierung tätig sind.

Und was sind die beliebten Routen beim VIP-Charter?
Das hängt von der Jahreszeit ab. Viel angeflogene Ziele sind etwa New York oder Miami. Im Winter auch die Malediven, die Seychellen, Südafrika, wo entsprechender Luxusurlaub stattfindet.

Das Flugzeug bleibt dort stehen, wo der letzte Passagier oder Patient den Flieger verlassen hat

Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf Ihr Geschäft?
Im Ambulanzgeschäft haben wir Corona in der Bilanz für 2020 beim Umsatz nicht gespürt – das war, als hätte es keine Pandemie gegeben. Deutliche Einbrüche gab es im Charterbereich, weil die Länder zeitweise niemanden mehr hereingelassen haben. Besonders die Langstrecke ist zusammengebrochen und auf die sind wir beim VIP-Charter spezialisiert mit unseren großen Bombardier Global Express.

Dabei profitieren die Business-Jet-Anbieter doch davon, dass Kunden auf den Privatjet umsteigen, wenn es keine Linienflüge gibt.
Natürlich gibt es neue Kunden, die aufgrund der Pandemie zum ersten Mal einen Jet chartern, das ist positiv für unsere Branche. Und die Business Aviation hat auch keine Einbrüche von 60 oder 70 Prozent, wie die Airlines sie haben. Aber um rund 30 Prozent ist auch das Geschäft der deutschen Businessjet-Anbieter 2020 zurückgegangen.

Ihre Heimatbasis ist Nürnberg. Haben Sie noch an anderen Orten Flugzeuge stationiert?
Die Leute denken oft, wir hätten im Nahen oder Mittleren Osten Flieger stationiert, weil wir dort mit Regierungsaufträgen rund ein Drittel unseres Umsatz machen. Haben wir aber nicht, denn wir arbeiten mit einem sogenannten Floating-Base-Konzept. Das heißt, das Flugzeug bleibt dort stehen, wo der letzte Passagier oder Patient den Flieger verlassen hat, und wartet dort samt Crew darauf, zum nächsten Einsatz zu fliegen. Nur wenn ein Businessjet wirklich ungünstig steht, um ihn für den nächsten Flug zu vermarkten, fliegen wir ihn woanders hin.

Und wie werden die Crews ausgetauscht?
Mit Linienflügen. Das ist durch die Corona-Krise natürlich komplizierter geworden. Gelegentlich sind wir daher ausnahmsweise mit Doppelcrews geflogen ist, damit niemand irgendwo strandet.

Wie viele Angestellte hat FAI in den verschiedenen Bereichen?
Wir beschäftigen etwa 70 Piloten sowie im medizinischen Bereich 45 Ärzte in Teilzeit, 20 Rettungsassistenten in Vollzeit. Der technische Bereich besteht aus 60 Leuten, der Rest ist Administration. Insgesamt haben wir rund 270 Angestellte.

*Siegfried Axtmann, geboren 1959, ist Chef der FAI Aviation Group, zu der FAI Air Ambulance, FAI Rent-a-Jet und FAI Maintenance gehören. Ihr Sitz befindet sich am Flughafen Nürnberg. Ihre Flotte besteht aus sieben Bombardier Global Express, einer Bombardier Challenger 850 und sechs Challenger 604, zwölf Bombardier Learjet 60 sowie zwei Beechcraft Premier 1A und einer Beechcraft King Air. 13 dieser insgesamt 29 Flieger sind gemanagte Flugzeuge.