Interview mit Kenny Jacobs
«Wir nennen sie nur 737»
Topmanager Kenny Jacobs erklärt, wie Ryanair die 737 Max nennen wird, warum er seine Airline für grün hält und wie lange sie den Preiskampf in Wien mit Lauda mitmachen wird.
Kenny Jacobs: «Wenn Sie eine Max auf dem Rollfeld neben eine Boeing 737-800 stellen, werden die meisten Kunden den Unterschied nicht erkennen.»
Kenny Jacobs: «Wenn Sie eine Max auf dem Rollfeld neben eine Boeing 737-800 stellen, werden die meisten Kunden den Unterschied nicht erkennen.»
Boeing hat erst gerade erklärt, dass sich die Wiederzulassung der 737 Max noch weiter hinauszögert. Wann bekommt Ryanair das erste Flugzeug?
Kenny Jacobs: Es sieht derzeit aus, als würde es Herbst. Eigentlich wollten wir unseren ersten Jet diesen Sommer übernehmen, aber jetzt hat Boeing den Zeitplan ein paar Monate nach hinten versetzt. Als Erste sind dann die Fluggesellschaften dran, die schon Boeing 737 Max eingeflottet hatten – so wie Tui, Norwegian oder Lot. Wir gehen aktuell davon aus, dass wir den ersten Flieger im September oder Oktober bekommen.
Ryanair hat wegen des Groundings bereits Basen schließen müssen. Kommt da noch mehr?
Wir werden Anpassungen an unserem Sommerflugplan vornehmen müssen. Gerade sind wir dabei, alles durchzugehen und die Änderungen zu implementieren. Eigentlich wollten wir dieses Jahr 58 Boeing 737 Max, dann haben wir das auf zehn reduziert und jetzt müssen wir einfach sehen. Aber das hat natürlich Auswirkungen. Es könnte zu weiteren Schließungen von Basen kommen, oder wir reduzieren die Frequenzen.
Und was wird es am ehesten sein?
Wir bevorzugen natürlich die Reduktion von Frequenzen, weil das Stellen bewahrt. Aber wir müssen uns die Flugpläne von Fall zu Fall anschauen.
Es wird nicht überall Max draufstehen.
Können Sie sagen, wie viel das Grounding Ryanair bis jetzt gekostet hat?
Noch nicht. Die Gespräche mit Boeing darüber laufen noch. Momentan geht es aber zuerst darum, dass das Flugzeug wieder fliegt. Danach geht es dann um Kompensationen. Einige Beträge stehen aber schon im Raum, Southwest sprach von 800 Millionen Dollar.
Und Sie selbst haben noch Vertrauen in das Flugzeug?
Ja! Wenn es wieder abhebt, wird es das am besten getestete Flugzeug der Welt sein. Die 737 Max wird quasi zwei Mal von Ingenieuren gebaut worden sein. Die Amerikaner, die Europäer, die Kanadier – alle Aufsichtsbehörden befassen sich damit. Sie wird immer und immer wieder komplett getestet.
Sehen das die Piloten von Ryanair auch so?
Ich habe mit einigen unserer Piloten gesprochen, die im Simulator geflogen sind. Sie sagen, sie mögen das Flugzeug wirklich.
Auch wenn Sie damit recht haben: Kunden sehen das teilweise anders. In Umfragen heißt es, dass Passagiere ungern oder gar nicht mit einer Max fliegen würden.
Einige haben vielleicht Angst. Aber ich glaube, es wird alles gut. Wenn Sie eine Max auf dem Rollfeld neben eine Boeing 737-800 stellen, werden die meisten Kunden den Unterschied nicht erkennen.
Es wird nicht auf unserer Webseite stehen.
Aber sie sehen es ja, wenn sie den Flug buchen.
Nein, die meisten werden das nicht wissen. Es wird nicht auf unserer Webseite stehen und es wird nicht überall Max drauf stehen. Die Flieger kommen nur nach und nach in unsere Flotte und die Kunden werden sich daran gewöhnen. Dasselbe ist auch schon mit anderen Flugzeugen passiert, die am Anfang Probleme hatten.
Also werden Sie Kunden nicht mitteilen, womit sie unterwegs sind?
Wir tun das jetzt nicht und wir planen nicht, das zu tun.
Wie nennt Ryanair denn die Boeing 737 Max?
Wir nennen sie nur 737. Wir nennen alle unsere Flugzeuge 737.
Leere Sitze – das ist pure Verschwendung.
Boeing hat mit Airlines diskutiert, wie man ängstlichen Passagieren helfen kann – etwa mit speziellen Trainings für die Mitarbeiter. Ist so etwas bei Ryanair geplant?
Nein, ich gehe nicht davon aus, dass wir so was tun.
Ein Grund dafür, dass Ryanair auf die Max setzt, sind die tieferen Emissionen. Sie nennen sich «Europas grünste Airline» – aber was genau ist eigentlich ihre Berechnungsbasis?
Unsere Basis ist die, die jede Fluglinie nutzen sollte und die bereits von der Automobilindustrie genutzt wird: Gramm CO2 pro Passagierkilometer. So kann man Fluglinien untereinander vergleichen aber auch Airlines mit Zügen oder Autos.
Und was genau tun Sie, um das niedrig zu halten?
Zuallererst haben wir keine leeren Sitze – das ist pure Verschwendung. Wir haben fast nie leere Sitze mit unserem Ladefaktor von 96 Prozent. Und: Man braucht eine junge Flotte. Je jünger die Flugzeuge und die Triebwerke sind, desto effizienter und sparsamer sind sie auch.
Aber vor allem auf kurzen Strecken denken doch viele Verbraucher darüber nach, auf den Zug umzusteigen – da ist es ja auch eher möglich, und oft sinnvoll.
Die Nachfrage nach Flügen wächst weiterhin – auch in Deutschland und Schweden. Ich glaube aber, dass sich dennoch einige Selbstverständlichkeiten ändern.
Jemand, der in der Business Class fliegt, der verursacht acht Mal so viel CO2.
Wie meinen Sie das?
Wenn Sie zum Beispiel Langstrecke fliegen – jemand, der von München nach New York in der Business Class fliegt, der verursacht acht Mal so viel CO2 wie jemand in der Economy.
Also meinen Sie, es sollte keine Business Class mehr geben?
Naja, zumindest sollte man, wenn man schon dafür zahlt, deutlich mehr dafür zahlen.
Easyjet hat bekannt gegeben, alle Flüge zu kompensieren. Ist das etwas, das man sich bei Ryanair vorstellen kann?
Schon jetzt kompensiert ein großer Teil unserer Kunden ihr CO2 auf unserer Webseite. Es sind um die drei Prozent, und wir gehen davon aus, dass der Anteil noch stark ansteigt. In Deutschland sind es sogar deutlich mehr als drei Prozent. Das ist einiges mehr als das, was Carsten Spohr sagte, als er meinte, er könne jedem dieser Kunden die Hand schütteln. Bei Lufthansa sind es nur um die ein Prozent.
Die Lufthansa-Gruppe und Ryanair liefern sich gerade einen erbitterten Preiskampf in Wien.
Ja! Wien ist gerade der beste Ort in Europa.
Jede unserer Töchter könnte nach Wien kommen.
Ich gehe davon aus, Sie meinen: wenn man ein Passagier ist. Airlines verdienen dort derzeit nichts.
Ja, als Kunde. Die Preise sind dort so niedrig – und der Preiskampf wird weiter gehen. Aber für eine Fluglinie wie wir, die in ganz Europa sehr groß ist, ist die Flotte in Wien vergleichsweise klein. Wir können das gut auffangen. Wir können im Preiskampf bestehen und werden das auch tun.
Verluste von 2 Millionen Euro pro Woche bei Lauda sind aber nicht gerade wenig…
Die Verluste fallen höher aus als geplant. Und das wird wohl auch eine Weile so weiter gehen. Aber wir haben das bekannt gegeben, als wir gerade unsere Prognose für den Gewinn erhöht haben – auf 950 bis 1050 Millionen Euro. Lauda ist in dieser Relation klein. Also werden wir weiterkämpfen.
Sie hatten schon einmal angedeutet, dass Ihre polnische Tochter Buzz in Wien starten könnte – ihre Kostenbasis ist niedriger als die von Lauda…
Das ist immer noch eine Option, auch wenn wir uns mit Buzz gerade auf Zentral- und Osteuropa fokussieren. Aber: Jede unserer Töchter könnte nach Wien kommen.
Kenny Jacobs (46) ist Mitglied des Senior Managements von Ryanair und ist seit 2014 Chief Marketing Officer.