Letzte Aktualisierung: um 10:11 Uhr

Peter Malanik, Austrian Aviation Association

«Die Luftfahrt kämpft derzeit mit einem Imageproblem»

Luftfahrtkenner Peter Malanik saß im Vorstand von Austrian Airlines und ist heute Berater und Verbandspräsident. Im Interview spricht er über das uneinige Europa, alternative Antriebe, Staatshilfe und Mindestpreise.

Mit

Reden wir gleich Klartext: Ist die uneinige EU in Sachen Corona-Regeln der Sargnagel der europäischen Luftfahrt?
Peter Malanik*: Kein Sarg besteht nur aus einem Nagel, da gibt es sichere mehrere. Aber einer davon ist sicher der EU und der Uneinigkeit zuzuschreiben.

Seit Monaten fordern Fluglinien, Flughäfen und Luftfahrtverbände einheitliche Reisebestimmungen. Weihnachten zeigt, das Gegenteil passiert. Wer versagt da?
Wenn etwas nicht funktioniert, wirft man es immer der EU vor, das ist nicht ganz fair. Es sind ja die Nationalstaaten, die die EU ausmachen, die ihr die Kompetenzen und die Freiheit geben, Dinge vernünftig zu lösen. Und es sind die Nationalstaaten, die das oft mit Blick auf die eigenen Wählerschaften verhindern. Das ist jetzt nicht neu, das Problem ist nur, so deutlich haben wir es noch nie als so negativen Aspekt in der Luftfahrt bemerkt wie jetzt. Dabei könnten die Nationalstaaten die EU als Plattform benutzen.

Gibt es zu wenig Lobbying der Luftfahrt in der EU, in den Nationalstaaten?
Das ist schwer zu sagen. Die Luftfahrt kämpft derzeit mit einem Imageproblem. Auf der einen Seite hält man ihr vor, zur Verbreitung des Virus beigetragen zu haben. Das stimmt bestenfalls sehr begrenzt. Auf der anderen Seite sind sehr viele Fluggesellschaften mit sehr viel Geld unterstützt worden. Das ist nie populär. Obwohl die europäischen Staaten ja wissen, dass die Luftfahrt ein zentraler Bestandteil für die Erholung der Wirtschaft sein wird.

Heißt das, alle wissen, wie es besser ginge, aber niemand traut sich?
Vielleicht den ersten Schritt zu machen, ja, das ist durchaus denkbar.

Es fehlt eine positive Reaktion der europäischen Staaten.

Sie fordern die Einführung eines einheitlichen europäischen Testsystems für Flugpassagiere. Haben Sie schon ein positives Feedback der Verantwortlichen bekommen?
Bedauerlicherweise nein. Obwohl es von der Easa und vom European Center of Desease Control ein aktuelles Papier gibt, wo klar gesagt wird, dass Quarantänemaßnahmen in der Luftfahrt nicht sinnvoll sind, fehlt eine positive Reaktion der europäischen Staaten. Denn der Luftverkehr ist der einzige Verkehrsträger, wo ich alle Passagiere zuverlässig unter Kontrolle habe. Schon jetzt steigt ja niemand in ein Flugzeug, der nicht genau gecheckt worden ist.

Da wäre Contact Tracing per Knopfdruck möglich.
Ja genau.

Bis es soweit ist, müssen wir mit der Situation leben. Luftfahrtverbände wie auch der Ihrige fordern staatliche Hilfe nicht nur für Airlines. Wer braucht noch Hilfe?
Die Luftfahrt besteht ja nicht nur aus den Fluggesellschaften, wir haben ja die Flughäfen, die Luftraumkontrolle, es ist ein System Luftfahrt. Dieses System muss sinnvoll unterstützt werden. Wir benötigen jetzt noch zielgerichtete Unterstützung für den Wiederaufbau. Denn wenn die Fluggesellschaften nicht auf die Beine kommen, werden die Arbeitsplätze, die mit dem sehr hilfreichen Instrument Kurzarbeit gerettet worden sind, trotzdem einmal verloren gehen.

An welche Hilfe denken Sie da, was wird jetzt benötigt?
Es nicht unmittelbar immer eine finanzielle Frage. Dreh- und Angelpunkt sind die unterschiedlichen Reisebestimmungen, die Fliegen und Reisen innerhalb Europas massivst behindern. Die Menschen sorgen sich wesentlich weniger darum, dass sie sich in Frankfurt anstecken könnten, als dass sie in Frankfurt feststellen, plötzlich in Quarantäne zu müssen und vielleicht ihren Job nicht antreten zu können. Es ist daher das Allerwichtigste, die Reisebeschränkungen aufzuheben.

Die Impfpflicht hilft mir, Freiheit zu erwerben.

Allen Bemühungen und Teststrategien zum Trotz: ohne Impfung kein Comeback der Luftfahrt?
Wenn die Reisebestimmungen so eine Behinderung bleiben, ja. Ich verstehe auch nicht, warum die Antigen-Tests für die Massentestungen für genau genug befunden werden, für die Luftfahrt aber als nicht genau genug angesehen werden. Das ist widersprüchlich.

Qantas hat für internationale Flüge eine Impfpflicht angekündigt. Sollte es eine Impflicht für alle Flüge geben?
Als grundsätzlich liberaler Mensch habe ich mit Pflicht ein Problem. Aber die Impfpflicht hilft mir, Freiheit zu erwerben. Das ist im Sinn einer liberalen Denkweise und im Sinn der Luftfahrt. Und bei bestimmten Gefahren wie zum Beispiel Gelbfieber gibt es die Impfpflicht ja schon lange.

Also im Zweifel ja zur Impfpflicht.
Im Zweifel beim Fliegen ja. Auch weil die Differenzierung von Geimpften und Nichtgeimpften schwer ist zu administrieren ist.

Wenn Corona als Thema doch einmal vorbei ist, einfacher wird es für die Luftfahrt nicht. Stichwort Umwelt. Können angesichts der massiven finanziellen Probleme die Pläne zur Reduktion von CO2 halten?
Diese Ziele sind ja sehr langfristig, daher glaube ich, dass das gelingen wird. Vor allem, weil diese Zielsetzungen ja nur mit neuen, effizienteren Technologien und Treibstoffen erreichbar sein werden. Alleine mit einer CO2 Bepreisung wird das nicht gehen.

Ja Batterien fliegen auch, aber nicht weit.

Wird das notwendige Geld für Forschung und Innovationen trotz der Krise vorhanden sein?
Ich glaube schon. Die Mittel sollten aber breiter eingesetzt werden. Derzeit werden sie sehr stark auf die Elektromobilität konzentriert. Vor drei Jahren habe ich einmal unvorsichtig gemeint, Batterien fliegen nicht. Ich nehme das zurück, ja Batterien fliegen auch, aber nicht weit. Mit relativ kleinen Flugzeugen im unmittelbaren Regionalbereich wird man auch mit elektrischen Antrieben ganz gut fliegen können. Aber für längere Strecken, dort, wo Batterien nicht eingesetzt werden können, müssen mehr Forschungsmittel in CO2 reduzierende oder CO2 neutrale Antriebsarten investiert werden.

So wie Wasserstoff oder CO2 neutrale alternative Treibstoffe. Man soll den Fokus also verbreitern?
Auf jeden Fall. Denn wir werden alle Technologien brauchen, von synthetischen Treibstoffen bis zum Wasserstoff. Nur auf Batterieantrieb zu setzen, ist zu eng.

Jetzt stellen sich viele ein Europa ohne Kurz- und Mittelstreckenflüge vor. Ist das für Sie eine realistische Vorstellung von der Mobilität von morgen?
Das ist es nicht. Und zwar deswegen nicht, weil man da zu sehr die Verbindungen zwischen zwei Metropolen im Auge hat. Wien – München im Hochgeschwindigkeitszug in ein bis zwei Stunden ist wunderbar. Da wird niemand mehr fliegen wollen. Und das funktioniert ja auch schon auf Strecken wie Barcelona – Madrid, Mailand – Rom oder Paris – Marseille. Wie aber werden die vielen kleineren Städte verbunden, deren Anbindung mit der Bahn unwirtschaftlich ist? Das wird nur mit dem Flugzeug funktionieren. Welches das ist und mit welchem Antrieb wird man sehen. Die kleineren Verkehrsströme werden eine andere Mobilität brauchen, und die effizienteste für solche Verkehrsströme ist ganz zweifellos das Fliegen.

In Österreich gibt es keine Hochgeschwindigkeitszüge, trotzdem die Tendenz vom Flug zum Zug. Linz und Salzburg haben keine Flugverbindung nach Wien, Graz und Klagenfurt werden folgen, wenn die Tunnelkette fertig ist. Ist das die Zukunft?
Hier übersieht man, dass 80 Prozent der Reisenden, die diese Strecken fliegen oder geflogen sind, in Wien nur umsteigen, weil sie ganz woanders hinwollen. Diese 80 Prozent steigen aber nicht auf die Bahn um, sondern werden nach Frankfurt fliegen und von dort weiter.

Preisregulierungen halte ich grundsätzlich nicht für furchtbar gescheit.

Falls es die Verbindung gibt.
Genau. Jedenfalls aber werden sich die 80 Prozent anders orientieren. Sie fahren mit dem Auto nach Ljubljana oder Venedig, oder es gibt Flugverbindungen zu anderen Drehscheiben als Wien. Der Drehscheibe Wien hilft man damit jedenfalls nicht. Und es sich politisch zum Ziel zu machen, Inlandsflüge zu beenden, ist nicht unbedingt vernünftig.

Wenn man den Umwelteffekt in Summe betrachtet.
Genau.

Ein anderes Projekt der Regierung sind die Mindestpreise für Flüge oder die Anti-Dumping-Preisregelung. Unterstützen Sie das als Luftfahrtverband?
Alles was in Zusammenhang mit Preisregulierungen erfunden wird, halte ich grundsätzlich nicht für furchtbar gescheit. Staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung ist ein Konzept, von dem ich nicht gedacht hätte, dass wir es in westlichen Marktwirtschaften noch einmal erleben werden. Wenn ich ab und zu 500 Sitze, oder 1000 oder 5000 zu extrem günstigen Preisen anbiete, ist das ja reines Marketing. Ich kann mein Marketingbudget in Plakate investieren, oder eben in Billigangebote. Wenn ich Fluggesellschaften einen Mindestpreis vorschreibe, kann ich mir vorstellen, dass in den Preisen plötzlich der Koffer inkludiert ist, der vorher extra gekostet hat. Ich glaube, das ist in erster Linie ein klein wenig Politikmarketing, falls so eine Regelung beschlossen wird.

Es wird also weiter Billigangebote geben, Gesetz hin oder her?
Ich glaube schon, denn das ist ja das Geschäftsmodell der Billigfluglinien. Eines, das besser funktioniert, als das die klassischen Fluggesellschaften je für möglich gehalten haben.

* Peter Malanik (59) hat über drei Jahrzehnte Erfahrung in Management- und Aufsichtsratspositionen der internationalen Luftfahrt, unter anderem als Co-Chef und Betriebsvorstand von Austrian Airlines. Er ist Berater und Universitätslektor in Wien, Krems und England, Präsident der Austrian Aviation Association und Aufsichtsratsvorsitzender des Airport Klagenfurt.