Letzte Aktualisierung: um 0:38 Uhr

Interview mit Oliver Lackmann, Tuifly

«Insgesamt 25 Boeing 737 Max für Tuifly vorgesehen»

Tuifly-Chef Oliver Lackmann spricht über Jets in Air-Berlin-Bemalung, eine tiefere Integration im Konzern, die Pläne mit der Boeing 737 Max - die er auch auch selber fliegen will.

Im März erhält Tuifly die erste Boeing 737 Max. Auf welchen Strecken werden sie zuerst eingesetzt?
Oliver Lackmann*: Ende März bekommen wir zwei Boeing 737 Max 8. Wir haben sie für Mitte April für die ersten Flüge eingeplant und werden sie zunächst auf den langen Strecken einsetzen, also Richtung Kapverden, Dubai und Kanaren. Auf diesen Routen können sie ihre Vorteile am besten ausspielen, da sie ungefähr 16 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen als die Flugzeuge, die wir heute einsetzen.

Sie bauen in Ihre Max 8 nur 189 Sitze ein. Warum nicht mehr?
189 Sitze ist die Standardkonfiguration, die Boeing anbietet, und das passt auch zu den 737, die wir aktuell haben. So erreichen wir eine hundertprozentige Abtauschbarkeit innerhalb der Flotte. Außerdem haben wir so die Möglichkeit, mehr Comfort- und XL-Seats einzubauen. In einer Max können wir 48 Comfort Seats unterbringen, zurzeit sind es nur 27.

Wie viele Max wird Tuifly am Ende in der Flotte haben?
Nach den zwei im März kommen zwei weitere im April. Am Ende dieses Jahres werden wir sechs haben. Insgesamt sind für Tuifly 25 Boeing 737 Max 8 mit einer Auslieferungsperiode bis 2023 vorgesehen.

Bekommen Sie auch Max 10, von denen Tui ja 18 Stück bestellt hat?
Wir evaluieren zurzeit, ob wir auch in Deutschland Max 10 einsetzen werden. Eine Entscheidung haben wir noch nicht getroffen.

Einige Partner bei der Bodenabfertigung haben wir ausgewechselt, weil die Qualität nicht stimmte.

Nach dem Lion-Air-Unglück gab es eine Debatte über die technischen Systeme der Boeing 737 Max und über das Training der Piloten. Wie schulen Sie Ihre Cockpitcrews?
Solch ein Unglück ist tragisch. Aber wir haben überhaupt keine Zweifel daran, dass wir ein sicheres Flugzeug gekauft haben. Unsere Piloten erhalten ein eintägiges Training, das die Boeing-737-NG-Piloten auf den Einsatz auf der Max vorbereitet. Wir tun dabei mehr als vom Hersteller vorgeschrieben, auch in Abstimmung mit dem Luftfahrtbundesamt. Das richtige Verfahren, um ein solches Unglück zu verhindern, ist die Anwendung der Runaway Stabilizer Memory Items beziehungsweise das Lesen der entsprechenden Checkliste. Diese kennen die 737-Piloten schon seit Jahren und üben dieses Verfahren im Simulator. Dennoch haben wir sie noch einmal dezidiert darauf hingewiesen und dies im letzten Simulatorenzyklus erneut trainiert.

Die Flotte von Tuifly besteht zurzeit aus 36 Fliegern und soll im Sommer auf 39 anwachsen. Ist ein weiterer Ausbau geplant?
Wir haben ein intensives Austauschprogramm vor uns. Ältere Flugzeuge verlassen die Flotte und die Max kommen hinzu. Als Flottengröße sind für die kommenden Jahre 39 Flugzeuge vorgesehen.

Der Wet-Lease-Deal mit Eurowings endet 2021. Streben Sie eine Verlängerung an oder brauchen Sie die Flieger dann selbst?
Wir werden uns dazu mit Eurowings austauschen. Natürlich ist eine Verlängerung eine naheliegende Option. Wir können uns aber auch vorstellen, diese Flugzeuge selbst zu verwenden. Das wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

Einige Ihrer Flieger sind noch immer mit Air-Berlin-Lackierung unterwegs. Wann ist Schluss damit?
Zurzeit sind es noch weniger als eine Handvoll, aber auch die werden wir in den kommenden Monaten umlackieren. Wann genau das möglich ist, hängt ein wenig davon ab, wann die entsprechenden Lackier-Slots zur Verfügung stehen.

Was war Tuiflys größter Fehler in diesem schwierigen Sommer 2018 und was haben Sie daraus gelernt?
Wir hätten mehr Kapazitäten vorhalten sollen. Das war vorher allerdings nicht absehbar. Für 2019 planen wir nun auf jeden Fall mehr Ersatzkapazitäten ein, auch in der eigenen Flotte. Wir hatten uns in den vergangenen Jahren immer auf zugekaufte Ersatzkapazitäten verlassen. Aber im Sommer 2018 haben wir gemerkt, dass diese Kapazitäten sehr schlecht verfügbar waren, weil jeder versucht hat, Kapazitäten zuzukaufen. Zudem überprüfen wir die Leistungen unserer Systempartner an den Flughäfen noch genauer. Einige Partner bei der Bodenabfertigung haben wir ausgewechselt, weil die Qualität nicht stimmte.

Die Anzahl der AOC soll gleich bleiben.

Hat Tuifly 2018 Verlust geschrieben?
Wir sind ja voll im Konzern konsolidiert und das Konzernergebnis war positiv. Mehr Informationen kann ich dazu nicht geben.

Tui plant mit all ihren Airlines auch eine zentrale Planung der Reserveflieger. Warum erst jetzt?
Wenn bei unseren Schwestergesellschaften Flugzeuge zur Verfügung standen, haben wir auch früher mit ihnen darüber gesprochen, um die Maschinen in anderen Märkten nutzen zu können. Aber nach dem Sommer 2018 haben wir uns das Ganze nochmal sehr analytisch angeschaut: Wo brauchen wir die Flugzeuge, wo müssen wir sie stationieren, um sie letzten Endes unter den Tui-Gesellschaften ideal einsetzen können.

Sind noch weitere gemeinsame Schritte geplant?
Unter dem Dach von Tui Aviation werden Verfahren und Abläufe zwischen den Tui-Airlines harmonisiert und gemeinsame Einkaufsvorteile genutzt. Tuifly ist seit Oktober dabei, sich wieder in die Tui Aviation zu reintegrieren, nachdem wir rund um die Zeit der Joint-Venture-Pläne mit Niki nicht dazugehört hatten. Nun haben wir erste Abteilungen wieder mit Tui Aviation zusammengeführt und werden 2019 weitere Abteilungen folgen lassen.

Spüren Sie schon, dass das etwas bringt?
Ja, besonders im Bereich Einkauf. Der Kauf von Flugzeugen und deren Konfiguration sind wichtige Punkte. Aber auch gemeinsame Strategien in der Wartung. Zukünftig wird zudem die Angleichung der Dokumentation für Piloten und Flugbegleiter den administrativen Aufwand senken.

Tui hat immer noch fünf verschiedene Luftverkehrsbetreiberzeugnisse, AOC – ist da eine Zusammenlegung geplant?
Nein, die Anzahl der AOC soll gleich bleiben. Denn die AOC in den Ländern sind notwendig, um die Streckenrechte in Nicht-EU-Länder zu behalten. Wenn wir von Deutschland aus in die Türkei fliegen wollen, geht das nicht auf einem belgischen AOC.

Der Kauf von Airlines ist für uns nicht interessant.

Airlines wie Norwegian fliegen mit der Boeing 737 Max auch Langstrecke. Kommt das für Sie ebenfalls in Frage?
Nein, für uns ist das Langstreckenfliegen mit der Max keine Option. Wir haben uns das angeschaut. Man kann kurze Langstrecken bestimmt mit der Max fliegen, aber besonders mit unserer Konfiguration schafft sie es gerade eben über den Nordatlantik. Unsere Zielgebiete auf der Langstrecke würden aber in der Karibik liegen und die können wir mit der Max nicht nonstop ansteuern.

Und abgesehen vom Modell, kommt die Langstrecke für Sie mittelfristig in Frage?
Wir sehen in Deutschland gerade keine Opportunität, zusätzliche Langstreckenverbindungen anzubieten. Was in vielen Jahren ist, kann man jetzt nicht sagen.

Sie haben schon das geplatzte Joint Venture mit Niki erwähnt. Sind solche Fusionen zu größeren Einheiten noch ein Thema für Sie, oder nicht mehr mit der Rückkehr zu Tui Aviation?
Nein, so etwas ist kein Thema mehr. Die Tui Group sagt auch klar, dass die Airlines elementrarer Bestandteil der jeweiligen Quellenmärkte sind, und darauf werden wir uns konzentrieren. Zum Jahreswechsel haben wir ja auch begonnen, Tui Deutschland und Tuifly noch enger miteinander zu verzahnen.

In Deutschland standen zuletzt immer wieder Airlines zum Verkauf, derzeit Germania. Interessiert Sie das?
Der Kauf von Airlines ist für uns nicht interessant. Wir ticken ja auch etwas anders als die meisten anderen Fluggesellschaften. Unsere Planung hängt vom Reiseveranstalter ab. Und wenn eine andere Airline aus dem Markt austritt, heißt das nicht automatisch, dass auf einmal auch entsprechend viele Hotelkapazitäten in bestimmten Zielgebieten zur Verfügung stehen.

Sie starten von rund einem Dutzend deutscher Flughäfen. Das erfordert viel logistischen Aufwand. Ist das nicht auch unglaublich teuer?
Wir haben nicht an jedem Flughafen eine Crew-Basis. Viele Airports werden auch in einer sogenannten W-Rotation bedient. Das heißt, wir fliegen mit einer Crew da hinein, die dann für eine Nacht ins Hotel geht, und mit anderer Crew wieder hinaus. Und wenn wir an einem Flughafen trotz etwas höherer Logistikkosten Geld verdienen können, dann fliegen wir dort auch.

Bei Tuifly werde ich zwei oder drei Mal pro Monat als Pilot im Cockpit sitzen.

Trotz etlicher Airline-Pleiten ist gutes fliegendes Personal sehr gefragt. Suchen Sie? Ist es schwierig?
Ja, wir stellen weiter ein. Auf die Piloten müssen wir auch aktiver zugehen als früher. Die Leute klopfen zwar immer noch bei uns an, aber nicht mehr in dem Maße, dass es reichen würde, um unseren Bedarf zu decken. Daher präsentieren auch wir uns auch an Flugschulen und auf Messen. Kabinenpersonal stellen wir ebenfalls weiterhin ein. Da mussten wir bisher an den meisten Standorten aber keine zusätzlichen Maßnahmen ergreifen.

Sie waren selber Pilot. Vermissen Sie das manchmal?
Ich bin immer noch Pilot. Als ich für Air Berlin und Niki gearbeitet habe, bin ich regelmäßig für die Airlines geflogen. Und auch bei Tuifly werde ich zwei oder drei Mal pro Monat wieder als Pilot im Cockpit sitzen. Ich habe gerade mein 737-Type-Rating gemacht und muss nun noch den Operator-Conversion-Kurs absolvieren.

Haben Sie überhaupt die Zeit dafür? Und was sagt die Crew, wenn der Chef vorne sitzt?
Wenn ich fliege, bin ich normales Crewmitglied und nicht der Chef der Airline. Das war nie ein Problem. Außerdem hat man so die Chance, seine Mitarbeiter bei der Arbeit kennenzulernen und den eigenen Betrieb zu sehen, etwa auch an einem Flughafen, an dem es öfter Probleme gibt. Natürlich habe ich keine Zeit für eine Strecke wie auf die Kapverden. Aber alles, was man an einem Tag hin und zurück fliegen kann, werde ich in unserem Streckennetz perspektivisch auch fliegen.

* Oliver Lackmann begann im März 2018 seine Arbeit als Betriebschef und Mitglied der Geschäftsführung bei Tuifly. Im November gab die Fluggesellschaft bekannt, dass der 49-Jährige künftig alleiniger Geschäftsführer sein wird. Zu Tui gewechselt war Lackmann von seinem Posten als Geschäftsführer bei Niki. Zuvor war er bei Air Berlin für Flugbetrieb, Crewplanung und Training zuständig.