Letzte Aktualisierung: um 21:01 Uhr

Magnus Brunner, Staatssekretär in Österreichisch

«Es gibt kein zusätzliches Geld»

Kommunen und Länder als Eigentümer müssten den Regionalflughäfen helfen, sagt Magnus Brunner. Im Interview spricht der Staatssekretär im österreichischen Ministerium für Umwelt und Mobilität zudem über Mindestpreise und den Single European Sky.

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Die Luftfahrtindustrie schreit lautstark Hilfe, man könnte sagen, sie liegt in der Intensivstation. Hört die Politik, hören Sie die Rufe?
Magnus Brunner*: Ja auf jeden Fall, wir sind uns der schwierigen Lage der Luftfahrtindustrie bewusst und sind auch im ständigen Austausch. Die Luftfahrtbranche war einer der ersten Wirtschaftszweige, die von der Covid-19-Krise betroffen waren und wird wahrscheinlich am längsten betroffen sein. Wir kennen die Zahlen: Vier von fünf Fluggästen bleiben momentan am Boden und es gibt unterschiedliche Berechnungen in der EU, welche Auswirkungen das haben wird. Also ja, wir sind uns bewusst, dass das ein Riesenthema ist, und wir sind bemüht, dieser Industrie im Rahmen unserer Wirtschaftshilfen Unterstützungen zu geben.

Die vielen unterschiedlichen Reisebeschränkungen in Europa, aber auch weltweit, verunsichern die Passagiere und lassen keinerlei Planung zu. Was tun Sie, um diesen Flickenteppich zu bereinigen?
Diese unterschiedlichen Regelungen zählen zu den größten Problemen, die wir haben. Deshalb bemühen wir uns seit Monaten, eine einheitliche EU-Regelung für Einreisebestimmungen zu erarbeiten. Aber es ist schwierig, das zeigt auch das Beispiel Deutschland, wo es bereits zwischen den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Reisebestimmungen gibt.

Warum ist denn so schwierig, innerhalb der EU eine einheitliche Regelung, einen Binnenmarkt fürs Fliegen zu bekommen?
Wir brauchen eine europäische Antwort, das ist keine Frage. Einheitliche europäische Antworten bei den Teststrategien und auch beim Impfstoff. Das Projekt von Austrian Airlines und des Flughafens Wien, Antigen-Schnelltests auf ausgewählten Flügen anzubieten, hat eine Vorreiterrolle und ist ein erster Schritt, um später voll durchstarten zu können, wenn die Antigentests, hinsichtlich Sensitivität und Spezifität, mit PCR-Tests vergleichbar werden.

Sind diese Tests von AUA und Flughafen Wien nicht Selbsthilfe – nach dem Motto, wenn wir uns nicht selbst helfen, hilft uns niemand?
Das Pilotprojekt ist mit uns abgesprochen, wir unterstützen diese Vorgehensweise und stehen in ständigem Austausch.

Solange die Infektionszahlen so unterschiedlich sind, hat jedes Land unterschiedliche Interessen.

Man hat das Gefühl, es wird sehr viel geredet, es kommt aber nichts heraus, weil jedem Land das Hemd näher ist als der Rock. Muss man nicht endlich handeln?
Das stimmt, man muss handeln. Die Zeit des Redens dauert in der EU nur etwas länger, weil, und da haben Sie recht, vielen Mitgliedsstaaten das Hemd näher ist als der Rock. Deshalb drängen wir in Europa auf einheitliche Regelungen. Aber es fehlt noch einiges.

Kann man nicht wenigstens mit Nachbarn wie der Schweiz und Deutschland, oder Ungarn und Tschechien eine Regelung finden?
Wir erzeugen auf allen Ebenen Druck für einheitliche Regelungen, aber solange die Infektionszahlen so unterschiedlich sind, hat jedes Land unterschiedliche Interessen. Und Österreich tut sich momentan schwer, weil unsere Zahlen sehr schlecht sind im europäischen Vergleich. Oberstes Ziel ist es derzeit, die Ansteckungszahlen zu senken.

Den Flughäfen geht es auch schlecht. Die Präsidentin der Vereinigung österreichischer Flughäfen meint, es gehe ihnen «hundsmiserabel dreckig». Wie helfen Sie?
Die Flughäfen sind tatsächlich insgesamt von der Krise betroffen und wir haben als Regierung unterschiedlichste Hilfen zur Verfügung gestellt. Alle Hilfen der Regierung, wie Kurzarbeit, Steuerstundung, Fixkostenzuschuss oder Investitionsprämie – gelten natürlich auch für die Flughäfen, wenn die Voraussetzungen gegeben sind.

Die Flughäfen werden, wenn die Krise zu lange dauert, Eigenkapitalzuschüsse benötigen. Diese sollen vom Bund kommen, nicht von den Eigentümern. Können Sie dem nähertreten?
Wenn die Eigentümer Kommunen oder Länder sind, dann sind diese angehalten, in ihrem Bereich notwendige Unterstützungen zu geben.

Österreich ist wesentlich kleiner als Deutschland, somit erfolgt der Austausch direkter.

Hilfen für Flughäfen gibt es also nur aus bestehenden Töpfen?
So ist es momentan geplant, also kein zusätzliches Geld.

In Deutschland hat es kürzlich einen Luftfahrtgipfel gegeben. Soll und wird es in Österreich auch so einen Gipfel geben?
Ein Luftfahrtgipfel zum Thema Health Safety fand bereits im Juli statt. Weitere Stakeholder-Runden sind ähnlich dem deutschen Beispiel geplant. Da sind wir aktuell in Vorbereitungen. Generell sind wir in ständigem Austausch mit den Stakeholdern der Branche. Dies ist auch der Größe des Landes und des Luftverkehrssektors geschuldet: Österreich ist wesentlich kleiner als Deutschland, somit erfolgt der Austausch auch direkter.

Sie wollen auch zu niedrige Ticketpreise bekämpfen – seit Monaten ist das Antidumping Gesetz in Vorbereitung, wann kommt es?
Wir müssen da seriös vorgehen. Damit eine Verpflichtung zur Weitergabe von personenbezogenen Steuern und Gebühren rechtlich hält, sind wir mit Experten in einem intensiven Austausch. Wir prüfen auch Alternativwege und werden, bis zum Jahresende ein erfolgversprechendes Konzept präsentieren können. Es gibt auch großes Interesse von europäischen Kollegen an so einer Regelung: Wir tauschen uns diesbezüglich mit Deutschen, Holländern und Franzosen aus.

Wenn Fluglinien die anfallenden Gebühren und Steuern dem Passagier verrechnen müssen, kann der Flugpreis aber trotzdem null sein, oder?
Das kann sein. Denn in die Preisgestaltung einer Fluglinie dürfen wir europarechtlich nicht eingreifen. Wir können nur über andere Mechanismen versuchen, dass personenbezogene Steuern und Gebühren im Ticketpreis weitergegeben werden.

Jede Krise ist eine Chance, sagt man oft so leicht dahin. Gibt es Bestrebungen, die Krise positiv zu nutzen, und etwa den Single European Sky zu realem Leben zu erwecken?
Stichwort Single European Sky: da gibt es einen Schub. Denn Deutschland habt einen neuen verbesserten Vorschlag vorgelegt. Experten rechnen ja mit einer CO2 Ersparnis von 7 bis 10 Prozent …

Dieses Momentum muss man jetzt nutzen.

… nur wenn der Single European Sky voll umgesetzt ist …
… natürlich, nur dann. Dieses Momentum muss man jetzt nutzen, um die Effizienz im Luftraum durch den Single European Sky voranzutreiben. Der Brexit spielt uns dabei in die Karten, denn beim letzten Versuch ist eine Lösung an einer Unstimmigkeit über den Status Gibraltars zwischen Spanien und Großbritannien gescheitert. Es gibt zwar noch einige offene Punkte in dem neuen Vorschlag, wie aus österreichischer Sicht die Kompetenzverteilung, aber wir sind auf einem fortgeschrittenen Weg.

Wann wird der Single European Sky umgesetzt sein?
Wir arbeiten daran. Einen genauen Zeitpunkt zu nennen, das wäre Kaffeesatzleserei.

Weitere zwanzig Jahre wird das Klima nicht warten können. Lauft uns nicht die Zeit davon?
Wir sind in der Europäischen Union, wo es unterschiedliche Interessen gibt und jeder auch auf seine Interessen schaut. In Sachen Single European Sky sind Deutschland, Niederlande, Belgien und Österreich eher Vorreiter, es gibt aber im Osten einzelne Mitgliedsstaaten, die eher zurückhaltend sind. Es gibt also auch Gegenwind.

Am Flugverkehr hängt ja sehr viel, ich nenne nur das Stichwort Tourismus. Muss es nicht im Interesse aller liegen, den Flugverkehr so rasch wie möglich auf die Beine zu bringen? Und nicht erst, wenn es eine Impfung gibt?
Der Flugverkehr ist extrem wichtig für den Tourismusstandort und die Exportnation Österreich. In Bezug auf Health Safety ist Luftfahrt sogar sicherer als andere Verkehrsmittel, wenn ich beispielsweise an das Contact Tracing denke. Der Flugverkehr sollte also lieber früher als später wieder auf die Beine kommen. Es muss aber auch im Interesse aller sein, dass wir im Bereich Luftfahrt gemeinsam mit der Industrie langfristige Maßnahmen setzen und das Fliegen nachhaltig gestalten. Der Flugverkehr leistet einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele durch Innovation, neue Technologien, mit alternativen Kraftstoffen wie Wasserstoff. Wir müssen Gehirnschmalz aktivieren und in Forschung und Entwicklung investieren. Und es gibt da ja schon einige innovative Ansätze.

* Magnus Brunner (48) aus Höchst in Vorarlberg ist seit Januar 2020 Staatssekretär im österreichischen Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie BMVIT.