Interview mit Ali Miaoui
«Tunisair kauft ein oder zwei weitere Airbus A330»
Die Nationalairline Tunesiens durchlebte schwierige Jahre. Kommerzchef Ali Miaoui im exklusiven Interview über Sparmaßnahmen, eine Expansion in Deutschland und den Ausbau der Flotte.
Ali Miaoui: «Wir sehen eindeutig, dass es im Langstreckengeschäft Wachstumschancen gibt.»
Ali Miaoui: «Wir sehen eindeutig, dass es im Langstreckengeschäft Wachstumschancen gibt.»
2017 war für Tunisair ein gutes Jahr. Sie steigerten den Umsatz um 29 Prozent, die Passagierzahlen nahmen um 17 Prozent zu. Was steckt hinter dem Erfolg?
Ali Miaoui*: Wir waren nach den Attentaten in Tunis und Sousse von 2015 überzeugt, dass sich der Tourismus in Tunesien innerhalb von drei Jahren erholen würde. Im Hinblick darauf erhöhten wir schon 2017 die Kapazitäten in unseren wichtigsten Märkten Frankreich, Deutschland, Italien und Schweiz. Das war ein richtiger Entscheid. Wir konnten die zusätzlichen Sitze verkaufen. Wir haben dadurch unseren Markanteil um 2 Prozentpunkte auf 41 Prozent, unsere Auslastung um 3 Prozentpunkte auf 74 Prozent und die Nutzung der Flieger von 8 auf 9 Stunden pro Tag gesteigert. Wir sind sehr zufrieden.
Und wie sieht es unter dem Strich aus?
2016 schrieben wir noch rund 45 Millionen Euro Verlust. Vergangenes Jahr konnten wir den Fehlbetrag in etwa halbieren. Das Ziel ist es, 2018 mindestens eine schwarze Null zu schreiben.
Die Verlustserie hält schon ziemlich lange an…
Tunisair schreibt seit dem Ausbruch des Arabischen Frühlings im Jahr 2011 Verluste. Das ist eine lange Zeit, das stimmt. Sie müssen aber sehen: Seit der Gründung 1948 hatten wir zuvor Jahr für Jahr Gewinn erwirtschaftet. Insgesamt waren das 400 Millionen Euro. Den gleichen Betrag haben wir in den vergangenen sechs Jahren leider wieder verloren.
Warum waren die Verluste so immens?
Unsere Lohnkosten sind um 30 Prozent gestiegen, weil wir 1200 neue Mitarbeiter anstellen mussten. Die Regierung hatte bestimmt, dass wir keine Unterlieferanten mehr benutzen und nur noch Direktangestellte haben dürfen. Das war ein Desaster. Hinzu kamen neue Flieger, was zu höheren Abschreibungen führte und gleichzeitig hatten wir noch alte Flugzeuge in der Flotte, die immer teurer in der Wartung wurden. Und auf der anderen Seite sank die Nachfrage stark. Darauf mussten wir mit Preissenkungen reagieren. Wir waren in einer sehr unangenehmen Lage.
Wir waren in einer sehr unangenehmen Lage.
Sie haben die Kosten in der Folge stark reduziert. Müssen sie noch mehr sparen?
Wir haben der Regierung ein neues Restrukturierungsprogramm vorgelegt, das unter anderem den Abbau von 1200 Stellen oder rund 16 Prozent der Arbeitsplätze vorsieht. Mit den Gewerkschaften, die in Tunesien sehr stark sind, haben wir bereits darüber gesprochen. Sie sehen ein, dass es diesen Einschnitt braucht, damit Tunisair langfristig überleben kann. Wir haben aktuell einfach zu viele Mitarbeiter für unsere Größe. Die Entscheidung darüber steht noch aus. Wir erwarten sie für diesen Frühsommer.
Wo Tunisair noch Verbesserungspotenzial hat, ist bei der Pünktlichkeit. 56 Prozent der Flüge waren verspätet. Was ist der Grund dafür?
Es gibt interne und externe Gründe. Wir haben die Kapazitäten erhöht, doch nicht alle unsere Abteilungen haben sich genug früh darauf vorbereitet. So wurde das Training der Piloten erst im August statt im März abgeschlossen. Uns fehlten daher Piloten. Hinzu kam, dass die Wartung ebenfalls schlecht geplant hatte – daher kamen Flieger zu spät. Nicht zuletzt gab es einen Engpass am Flughafen Tunis, wo die Bodenabfertigung überfordert war. Dieses Jahr sieht es viel besser aus.
Wer sind Ihre größten Konkurrenten?
Tunesien hat viele bilaterale Verträge im Bereich Luftverkehr abgeschlossen. Deshalb gibt es seit jeher viel Wettbewerb. Einerseits ist es im Inland Nouvelair, die auf 15 Prozent Marktanteil kommt, andererseits sind es aus dem Ausland alle klassischen Anbieter wie Lufthansa, Air France und so weiter. Diese erreichen 44 Prozent. In diesem Umfeld können wir uns gut behaupten. 2018 kommen nun auch wieder Charteranbieter hinzu, die sich in den Vorjahren aus dem markt zurückgezogen hatten. Daher wird die Konkurrenz wieder härter, wir werden Marktanteil verlieren. Doch für uns ist das oberste Ziel für 2018 sowieso, schwarze Zahlen zu schreiben.
Warum aber soll jemand aus Deutschland mit Tunisair nach Tunesien fliegen und nicht mit einer deutschen Fluggesellschaft?
Niemand bietet so viele Nonstopflüge ab Deutschland nach Tunesien an wie wir. Wir bedienen nicht nur Frankfurt, sondern Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München. Zudem fliegen wir ab Deutschland nicht nur Tunis als Nonstop-Destination an, sondern auch Djerba und Monastir. Wir haben das bequemste Angebot nach Tunesien. Dasselbe gilt in anderen europäischen Ländern.
Wir positionieren uns seit einiger Zeit auch als Spezialist für Flüge nach Afrika.
Reicht es, sich auf Urlaubsgäste zu fokussieren?
Wir bieten viel mehr. Wir positionieren uns seit einiger Zeit auch als Spezialist für Flüge nach Afrika. Das kommt gut an. Der Kontinent ist unterversorgt, zugleich wächst seine Wirtschaft. Tunisair eröffnet jedes Jahr zwei neue afrikanische Destinationen, die mindestens zwei Mal pro Woche angeflogen werden. Aktuell bedienen wir ab Tunis 14 afrikanische Ziele außerhalb von Tunesien. Wir können daher für Passagiere aus Europa attraktive Umsteigeverbindungen in Afrika bieten.
Nun haben Tunesien und die Europäische Union ein Open-Sky-Abkommen unterzeichnet. Haben Sie keine Angst, dass es dadurch für Tunisair nochmals schwieriger wird, die Ziele zu erreichen?
Klar gibt es dadurch mehr Konkurrenz. Ryanair und Easyjet beispielsweise werden nach Inkrafttreten des Abkommens sicherlich vermehrt nach Tunesien fliegen. Der Markt wird aber schrittweise geöffnet. So ist während den ersten fünf Jahren der Flughafen Tunis Carthage ausgenommen, der 90 Prozent unseres Geschäftes ausmacht. Das ist sehr wichtig für uns. Zudem haben wir im Hinblick ja das angesprochene Sparprogramm vorbereitet, in dem uns die Regierung auch ein letztes Mal finanziell unterstützen wird.
Sehen Sie noch Ausbaumöglichkeiten, in Deutschland, der Schweiz und Österreich?
Absolut. Die Charteranbieter kommen zwar zurück. Doch die Reiseveranstalter brauchen trotzdem im Winter zusätzliche Kapazitäten. Die können wir ihnen mit unseren Linienflügen bieten. Im Hinblick darauf bauen wir auch weiter aus. Wir schauen uns Stuttgart als neues Ziel in Deutschland an. Zudem überlegen wir uns, mehr tunesische Ziele ab Deutschland anzufliegen.
Müssen Sie dafür die Flotte ausbauen?
Aktuell besitzen wir für Kurz- und Mittelstrecken 4 Airbus A319, 15 A320 und 7 Boeing 737-600. Wir erhalten 2019 zwei Airbus A320 Neo und 2020 drei weitere A320 Neo. Mit drei dieser neuen Flieger ersetzen wir drei ältere Flugzeuge, zwei dienen dem Ausbau. Aktuell arbeiten wir am Flottenplan ab 2020. Seine Ausgestaltung hängt davon ab, ob und wie die Regierung unseren Restrukturierungsplan absegnet. Sicher ist, dass wir dann die Ablösung der 737 und der A320 angehen werden. Es ist noch nicht klar, ob wir weiterhin beide Modelle führen oder uns auf einen Anbieter konzentrieren werden.
Sicher ist, dass wir die Ablösung der 737 und der A320 angehen werden.
Und auf der Langstrecke?
Wir sehen eindeutig, dass es im Langstreckengeschäft Wachstumschancen gibt. Die Montreal-Strecke hat sich extrem gut entwickelt. 2019 eröffnen wir die neue Route nach New York. Und es gibt eine starke Nachfrage aus China. Dafür brauchen wir mehr Flugzeuge. Aktuell besitzen wir zwei Airbus A330. Wir werden daher nochmals ein oder zwei A330 kaufen.
* Ali Miaoui ist Chief Commercial Officer von Tunsiair. Er bekleidete davor zahlreiche Positionen bei der tunesischen Staatsairline, unter anderem war er 2002 bis 2007 auch Direktor für Deutschland. Er ist studierter Betriebswirt und besitzt ein MBA in Luftfahrt.