Pieter Elbers, Indigo
«Mit den Airbus A321 XLR können wir große Teile Europas erreichen»
Indigo-Chef Pieter Elbers spricht im Interview über die Expansion auf die Langstrecke, Ziele in Deutschland und einen Allianz-Beitritt.
Pieter Elbers: «Die indische Regierung hat im Gegensatz zu Regierungen in Europa eine sehr starke und solide Vision davon, wohin sie die Luftfahrt bringen will.»
Pieter Elbers: «Die indische Regierung hat im Gegensatz zu Regierungen in Europa eine sehr starke und solide Vision davon, wohin sie die Luftfahrt bringen will.»
Sie expandieren auf die Langstrecke. Warum?
Pieter Elbers*: Der indische Markt wächst. Er wächst im inländischen und im internationalen Geschäft. Zudem ist der indische Markt mit direkten Langstreckenverbindungen unterversorgt. Es gibt viele indirekte Flüge, aber nicht so viele Nonstopflüge. Deshalb glauben wir, dass es eine große Chance gibt, in diesen Bereich vorzustoßen.
Welche Regionen haben Sie besonders im Auge?
Indien ist sehr zentral gelegen, so dass wir nach Europa, Asien und Australien fliegen könnten. Technisch und von den Möglichkeiten her könnten unsere Flugzeuge auch bis in die USA fliegen. Wir haben noch nicht entschieden, welche Strecken wir bedienen werden. Aber die ersten Flüge werden vor allem in den Nahen Osten, nach Zentralasien und Südostasien gehen.
Was ist mit Deutschland, der Schweiz und Österreich?
Wissen Sie, für Deutschland, Österreich und die Schweiz müssen wir vielleicht nicht einmal warten, bis unsere Großraumflugzeuge geliefert werden. Sie werden im Jahr 2027 eintreffen. Aber vorher kommen noch die Airbus A321 XLR. Mit ihnen werden wir große Teile Europas erreichen können. Das wird uns ermöglichen, einige der kleineren Städte in Europa direkt mit Indien zu verbinden. Wenn man sich ansieht, was in Indien vor sich geht, wenn man das Wachstum der indischen Wirtschaft und der Geschäftsbeziehungen mit Europa betrachtet, dann sehe ich hier eine große Chance.
Die Einführung eines neuen Flugzeugmodells bringt natürlich mehr Komplexität mit sich.
Wie zufrieden sind Sie bisher mit den Flügen nach Istanbul?
Wir haben die Flüge nach Istanbul vor anderthalb Jahren aufgenommen. Das läuft sehr ermutigend und war ein wichtiger Schritt bei unserer Entscheidung für Großraumflugzeuge. Wir sind gleichzeitig eine Kooperation mit Turkish Airlines eingegangen. Dadurch können wir Flüge über Istanbul hinaus anbieten, wir setzen unseren Indigo-Code auf Flüge zu rund 33 europäischen Zielen und vier bis fünf in den USA. Diese Kombination ist sehr effektiv. Es ist ein vorsichtiger Anfang, der uns aber eindeutig dabei hilft, den Schritt in Richtung Langstreckenflüge mit Großraumflugzeugen zu machen.
Sie haben 30 Airbus A350 bestellt. Warum haben Sie sich für dieses Modell entschieden?
Wir haben die beiden Flugzeuge sorgfältig geprüft und sind zu dem Schluss gekommen, dass der A350 die richtige Wahl für Indigo ist. Wir sind ein großer Airbus-Betreiber. Es sind ausgezeichnete Flugzeuge.
Aber wenn man auf Langstrecken geht, wird das Geschäftsmodell komplizierter, weil es Umsteigeverbindungen gibt, mehr Gepäck …
… denken Sie, dass wir auf Inlandsflügen kein Gepäck mitnehmen? Sie sollten mal die Menge an Gepäck auf indischen Flughäfen sehen. Und wir haben auch viele Inlandsumsteigeverbindungen. Die Einführung eines neuen Flugzeugmodells bringt natürlich mehr Komplexität mit sich. Aber wissen Sie, nach unserer Einschätzung ist die Chance größer als das Risiko.
Airbus A320 Neo von Indigo. Bild: aeroTELEGRAPH
Indien gilt als ein sehr schwieriger Markt. Hohe Steuern, Treibstoff ist teurer als anderswo, es gibt Monopole auf Flughäfen, die Flugsicherung gilt als ineffizient. Wie kommen Sie damit zurecht?
Es sind einige infrastrukturelle Herausforderungen und sogar einige politische Herausforderungen da. Ich möchte jedoch sagen, dass die indische Regierung im Gegensatz zu Regierungen in Europa eine sehr starke und solide Vision davon hat, wohin sie die Luftfahrt bringen will. Das Wachstum der Nation und ihrer Wirtschaft werden eng mit dem Wachstum der Luftfahrt verknüpft. Die Luftfahrt wird als eine Kraft des Guten angesehen.
Also nicht zu viele Herausforderungen?
Ist heute alles perfekt? Nein, das ist es nicht. Aber wenn ich mir anschaue, was in den letzten zwei Jahren passiert ist, und die vielen Veränderungen, die die indische Regierung bereits vorgenommen hat, bin ich zufrieden. Ich sehe die starke Unterstützung durch die Politik. Wir sind sehr zuversichtlich, dass das Ziel, Indien zu einem globalen Luftverkehrsstandort zu machen, erreicht wird.
Wie zufrieden sind Sie mit Delhi als Drehkreuz?
Wir haben mehrere Drehkreuze. Delhi ist unser größtes, vor Bangalore, Mumbai und Hyderabad. Der Flughafen Delhi wird gerade renoviert. Wir müssen weiter in den reibungslosen Transfer, in die Einwanderung, in die Gepäckabfertigung und in all die anderen Dinge investieren.
Sie sind die größte Fluggesellschaft in Indien, mit 360 Flugzeugen? Wo werden Sie in zehn Jahren stehen?
Wir haben offene Aufträge für 1000 Flugzeuge, die bis in die Mitte des nächsten Jahrzehnts reichen. Wir haben noch keine genaue Prognose darüber erstellt, wo wir Mitte des nächsten Jahrzehnts stehen werden, aber wir haben eine Prognose für das Ende dieses Jahrzehnts. Dann werden wir doppelt so groß sein wie jetzt. Letztes Jahr haben wir über 100 Millionen Kundinnen und Kunden begrüßt. Indien hat aber eine Bevölkerung von 1,4 Milliarden, die 100 Millionen Kunden zeigen also nur, dass der Markt noch unterversorgt ist.
Dass ein Markt von der Größe Indiens mehrere größere Fluggesellschaften hat, ist völlig normal.
Air India wurde viele Jahre lang durch Ineffizienz, politische Einmischung und fehlende Mittel behindert. Sie expandieren jetzt unter den neuen, privaten Eigentümern wieder. Wie wirkt sich das auf Indigo aus?
Ich denke, das Wachstum von Air India ist ein Zeichen für einen reiferen indischen Markt. Und dass ein Markt von der Größe Indiens und ein Land von der Größe Indiens mehrere größere Fluggesellschaften hat, ist völlig normal. Sehen Sie sich Europa, China und die USA an. Das ist eine natürliche Entwicklung. Air India konzentriert sich auf ihren Markt, ihr Wachstum und ihre Strategie und wir konzentrieren uns auf unsere. Wir haben einen gesunden Wettbewerb. Aber für das Land und für die Verbraucher ist das eine gute Sache.
Go First steht am Boden, Spicejet hat Schwierigkeiten und Jet Airways startet wohl nicht wieder … Sind Sie an einer Konsolidierung durch Übernahmen interessiert?
Ich denke, das ist ein natürlicher Prozess, und die Konsolidierung findet in verschiedenen Ländern in verschiedenen Formen statt. Aber jeder verfolgt dabei seine eigene Strategie. Bei uns hat sich die Strategie des organischen Wachstums sehr bewährt.
Sind Sie daran interessiert, einer Allianz beizutreten?
Nein. Wir haben acht verschiedene Partnerschaften. Eine weitere haben wir kürzlich mit Japan Airlines angekündigt. Das ist ein sehr pragmatischer Ansatz. Wir arbeiten mit Partnern zusammen, die geografisch zu uns passen. Ich schließe für die Zukunft nichts aus, aber unser Schwerpunkt liegt jetzt darauf, diese pragmatischen Partnerschaften auszubauen.
* Bevor er im September 2022 seinen Job als Chef von Indigo antrat, war Pieter Elbers (heute 54 Jahre alt) acht Jahre lang Chef von KLM. Er begann seine Karriere im Jahr 1992 als Manager Aircraft Loading. Während seiner Zeit bei KLM bekleidete der Niederländer verschiedene Führungspositionen in den Niederlanden, Japan, Griechenland und Italien. Im Jahr 2011 wurde er zum Chief Operating Officer befördert und 2014 zum Chef. Während dieser Zeit war er auch Mitglied des Vorstandes von Air France-KLM. Er hat einen Bachelor-Abschluss in Logistikmanagement und einen Master-Abschluss in Betriebswirtschaft und hat verschiedene Executive-Programme am IMD in Lausanne und an der Columbia University in New York absolviert.