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Interview mit André Schneider, Flughafen Genf

«In Genf steht der Bau eines neuen Terminals an»

André Schneider, Chef des Flughafens Genf, über Ausbaupläne, Flüge nach Japan und Brasilien, Swiss und Easyjet sowie über qualitatives Wachstum.

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Der Flughafen Genf verzeichnete vergangenes Jahr bei den Passagierzahlen ein Plus von fast 5 Prozent auf 17 Millionen. Was trieb das Wachstum an?
Wir profitieren zweifelsohne vom generellen Boom bei Flugreisen in Europa. Es ist attraktiv zu fliegen und oftmals günstiger als eine Zugsfahrt. Hinzu kommt, dass sich die Wirtschaft in unserer Region sehr gut entwickelt. Auch 2017 stieg die Zahl der Flugbewegungen in Genf mit 0,5 Prozent viel geringer als die Passagierzahl – es werden also immer größere Flugzeuge eingesetzt.

Die Planung geht für 2030 von 25 Millionen Reisenden aus, das wäre nochmals ein Plus von fast 50 Prozent. Wie wollen Sie das erreichen?
Das ist kein Plan, sondern eine Prognose – sie basiert auf makroökonomischen Analysen. Sie ist ein wichtiger Anhaltspunkt für unsere Infrastrukturplanung. Das Wachstum wird vor allem aus einer generell größeren Nachfrage nach Flügen resultieren. Man kann heute schon über die Hälfte aller europäischen Wirtschaftszentren in einem Tag hin und zurück ab Genf erreichen. Da sehe ich nur noch wenige neue Ziele kommen. Anders sieht es bei den Interkontinentalflügen aus, da gibt es noch ein gutes Potenzial und daran arbeiten wir.

Dafür bauen Sie jetzt auch den Aile Est, ein neues Terminal für Interkontinentalflüge. Warum?
Der Flughafen Genf arbeitete bei Langstreckenflügen seit langem mit einem ewigen Provisorium. Das alte Gebäude ist nicht mehr zeitgemäß. Der Aile Est soll nun ab 2020 endlich eine Infrastruktur bringen, die den heutigen Anforderungen gewachsen ist. Er bringt auch mehr Platz. Bis dahin werden wir auch weiter unsere Interkontinentalflüge entwickeln können.

Was macht Sie so zuversichtlich?
Genf ist attraktiv für Fluggesellschaften, da es hier viele Premiumpassagiere gibt. Die bestehenden Airlines können die First und Business Class von und nach Genf gut füllen.

Wo genau sehen Sie noch Potenzial für neue Routen?
Wir führen viele Gespräche. Wir arbeiten konkret daran, Nonstopflüge nach Japan zu bekommen. Auch eine zweite Destination in China ist ein Thema, genauso Hongkong und Singapur. Schon lange führen wir Gespräche über eine Verbindung nach Südamerika, die schon recht konkret waren bis die Wirtschaftskrise in Brasilien ausbrach. Aber Brasilien wird kommen, davon bin ich überzeugt.

Wir sind kein Volumen-Flughafen, wir sind ein Flughafen mit einem guten Premiumpotenzial.

Das scheint alles einigermassen konkret zu sein, welche Wünsche haben Sie daneben?
In Indien sehen wir Potenzial. Daneben würden wir gerne mehr Flüge in die USA und nach Kanada sehen und nach Afrika. Ich rechne mir da auch gute Chancen aus, da es neue Langstreckenmodelle wie die Boeing 787-8 und der Airbus A350-900 gibt, die sparsamer sind und nicht ganz so groß. Das passt zu Genf.

Daneben kommen neue Modelle wie der Airbus A321 LR oder die Boeing 797 auf, das sollte doch für einen Flughafen wie Genf interessant sein…
Definitiv. Diese Entwicklung schauen wir uns genau an. Wir sind kein Volumen-Flughafen, wir sind ein Flughafen mit einem guten Premiumpotenzial.

Wie sieht denn eigentlich der Passagier am Flughafen Genf aus?
Rund ein Viertel unserer Passagiere sind geschäftlich unterwegs – dazu gehören auch die Vertreter der vielen internationalen Organisationen in Genf. Der Rest entfällt auf Private. Unser Einzugsgebiet reicht in der Schweiz bis an die Sprachgrenze nach Bern und in Frankreich bis nach Lyon und ins Valle d’Aosta.

Wer ist denn Ihr größter Konkurrent?
Zürich ist und bleibt sicherlich ein Konkurrent, da die Bahnverbindungen nach Kloten sehr gut sind und es von dort viele interkontinentale Nonstopflüge gibt. Auch Lyon ist natürlich ein Mitbewerber, aber wir können mehr Destinationen anbieten.

Sie sind stark abhängig von Easyjet mit 45 Prozent Marktanteil. Ist das kein Klumpenrisiko?
Das ist an vielen Flughäfen so. Klar hat Easyjet ein großes Gewicht in Genf, aber sie liegen unter 50 Prozent. So können wir problemlos ein Flughafen für alle Fluggesellschaften bleiben. Natürlich arbeiten wir aber eng mit Easyjet zusammen. Es gibt beispielsweise Bemühungen, ihr Umsteigeprogramm Worldwide auch nach Genf zu bringen.

Swiss hat das Angebot in Genf abgebaut. Bedauern Sie das?
Ich finde es positiv, wenn der Abbau Swiss hilft, in Genf schwarze Zahlen zu erreichen. Denn sonst besteht ja die Gefahr, dass sie sich ganz zurückzieht. Das wäre schade, weil es immerhin um die nationale Fluglinie geht. Wirtschaftlich gefährlich wäre ein Rückzug für uns aber nicht sehr. Andere würden einfach die Lücken füllen.

Auf der Strecke Zürich – Genf hat Swiss aber seit dem Aus von Adria Airways Switzerland wieder ein Monopol. Würden Sie es begrüßen, wenn es hier mehr Konkurrenz gäbe?
Die Flüge von Swiss sind vor allem Zubringer für ihre Langstrecke ab Zürich. Ich glaube kaum, dass die Strecke für eine Fluggesellschaft ohne Umsteigepassagiere interessant sein könnte. Zudem glaube ich nicht, dass es für eine so kurze Distanz wirklich Punkt-zu-Punkt-Flüge braucht.

80 Prozent unserer Passagiere fliegen innerhalb von Europa.

Auch in Genf gibt es Opposition aus der Bevölkerung gegen ein weiteres Wachstum. Ist es da überhaupt realistisch, mehr Flüge anbieten zu können?
Die Bedenken sind auch verständlich. Unser Flughafen liegt in unmittelbarer Nähe zur Stadt. Ein quantitatives Wachstum ist daher weder machbar noch wünschbar. Aber ein qualitatives ist durchaus möglich. Wir legen zunehmend Wert darauf, dass wir mit leisen Flugzeugen angesteuert werden. Dafür haben wir Anfang des Jahres eine erhöhte Lärmgebühr eingeführt. Zudem suchen wir nicht mehr aktiv neue europäische Destinationen, sondern nur noch internationale.

Der Flughafen Genf ist irgendwie ein Unikum. Bei Ihnen dürften eigentlich von 5 Uhr bis 24 Uhr Flüge starten und landen – aber Sie verzichten freiwillig darauf und öffnen erst um 6 Uhr und nutzen die beiden letzten Abendstunden nur für Ankünfte und den Abbau von Verspätungen.
80 Prozent unserer Passagiere fliegen innerhalb von Europa. Da brauche ich nicht längere Betriebszeiten. Wir wollen aber das Interkontinentalgeschäft ausbauen. Es wird daher künftig spätere Flüge geben. Wir haben uns daher verpflichtet, künftig maximal drei Langstreckenstarts nach 22 Uhr zuzulassen – allerdings nur solche mit Flugzeugen der tiefsten Lärmklasse.

Sie investieren bis 2022 umgerechnet 745 Millionen Euro. Was alles bauen Sie denn noch?
Neben dem laufenden Bau des Aile Est haben wir das Terminal 1 vergrößert, indem wir die Fassade um sechs Meter verschoben haben. Das war nötig, um mehr Platz zu schaffen. Das Gebäude ist aber inzwischen 50 Jahre alt. Daher kann auch das eine zeitlich limitierte Lösung sein. Mittelfristig steht der Bau eines ganz neuen Terminals als Ersatz von Terminal 1 an. Das würde neben dem laufendem Betrieb gebaut. Wir würden quasi zuerst ein neues, deutlich höheres Gebäude über das bestehende bauen und dann nach und nach Funktionen in fertig gestellte Bereiche verlagern. Unser Plan ist es, damit bis 2030 fertig zu sein. Zuerst kommt aber die Erneuerung der Gepäcksortierungsanlage, die bis 2022 fertig sein muss. Zudem überlegen wir uns, noch mehr Satelliten auf dem Vorfeld zu bauen. Die sind bei den Fluggesellschaften beliebt, weil es keinen Pushback braucht.

Und wer finanziert das?
Wir gehören zwar zu 100 Prozent dem Kanton Genf. Aus der Staatskasse bekommen wir aber kein Geld. Unsere Projekte finanzieren wir ganz alleine, vor allem durch Anleihen, wie letztes Jahr wo wir 175 Millionen CHF Anleihen verteilt haben mit einem Zins von 0,4%. Wir haben alles durchgerechnet und sind uns sicher, dass wir das alleine trotz der riesigen anstehenden Investitionen schaffen können.

* André Schneiders Karriere verlief nicht geradlinig. Er studierte zuerst klassische Musik am Richard-Strauss-Konservatorium in München und spielte danach unter anderem bei den Berliner Philharmonikern oder der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern. Danach studierte er Informatik und schloss das Studium mit einem Doktortitel ab. Er arbeitete in der Folge bei IBM als Berater und wechselte später als Generaldirektor zum WEF. Danach saß er in der Führung der Universität Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne. Seit dem 1. September 2016 ist er Chef des Genève Aéroport.