Dorothea von Boxberg, Lufthansa Cargo
«Ich hoffe, dass wir kein allzu großes Risiko mit der Boeing 777-8 F eingehen»
Kurz vor dem Abschied: In ihrem letzten Interview als Lufthansa-Cargo-Chefin spricht Dorothea von Boxberg über Flugzeuge für Aerologic, über Seefrachtfirmen in der Luft und über die Verspätungen bei der Boeing 777 X.
Dorothea von Boxberg und eine Boeing 777 F von Lufthansa Cargo.
Dorothea von Boxberg und eine Boeing 777 F von Lufthansa Cargo.
Falls ein Interview-Partner oder eine Interview-Partnerin den Job wechselt oder sogar beendet, steht das beim Gespräch meist schon fest. So führte aeroTELEGRAPH etwa Ende 2022 das letzte Interview mit Thomas Schnalke, bevor er nach 21 Jahren die Arbeit als Chef des Flughafens Düsseldorf beendete – und konnte fragen, ob ihm der Abschied schwer fällt.
Als aeroTELEGRAPH Lufthansa-Cargo-Chefin Dorothea von Boxberg Anfang März 2023 zum Gespräch in Frankfurt traf, war noch nicht bekannt, dass sie die Frachtfluglinie schon Mitte April verlassen wird und als Chefin zur belgischen Lufthansa-Tochter Brussels Airlines wechselt. Das Interview, das Sie nun lesen, ist daher das letzte mit Dorothea von Boxberg als Lufthansa-Cargo-Chefin. Ganz am Ende finden Sie noch eine Frage, welche die künftige Brussels-Airlines-Chefin uns im Nachhinein schriftlich beantwortet hat.
Rekordmacherin, Überfliegerin, Milliardenmacherin – so werden Sie in Überschriften genannt. Ist das auch eine Bürde, gerade jetzt, da der Frachtboom etwas abebbt?
Dorothea von Boxberg*: Nein, es ist mehr Freude. Es macht Spaß, mit meinem Team und unseren Kunden zusammenzuarbeiten und erfolgreich zu sein. Es wird nicht immer so bleiben. Insofern nehme ich das gerade gerne mit, und das gilt auch für das Lufthansa-Cargo-Team.
Es herrscht Rezessionsangst, Inflation, Krieg in der Ukraine. All das klingt nicht nach wirklich guten Geschäftsaussichten.
Im vergangenen August habe ich mich tatsächlich gefragt, wie es jetzt weitergeht. Unsere Zahlen haben dann aber gezeigt: Es gibt keinen Absturz des Geschäfts, es gibt nur eine Abschwächung. Und jetzt ist die Frage, wie es dieses Jahr weitergeht. Das lässt sich nicht genau vorhersagen, denn Luftfracht funktioniert sehr kurzfristig. Ich erwarte allerdings nicht, dass sehr viel Kapazität hinzukommt. Zugleich ist die Prognose für die Nachfrage, dass sie nur leicht sinkt oder sogar stabil bleibt. Und es gibt noch Chancen, besonders durch die Öffnung Chinas. Aber unsere Ergebnisse werden nicht das Niveau der vergangenen beiden Jahre erreichen, das ist klar.
Im vergangenen Jahr ist die Kapazität von Lufthansa Cargo zwar gestiegen, aber die Auslastung gesunken auf 61 Prozent. Was ist denn überhaupt eine gute Auslastung für einen Frachtflieger?
Die 61 Prozent stellen den Gewichtsladefaktor dar. Unsere Flüge sind aber eher volumens- denn gewichtsbeschränkt. Die Zahl ist also nicht so aussagefähig. Aber beim Ladefaktor geht noch mehr und wir wollen auch mehr schaffen.
Was waren die Werte in den Jahren 2021 und 2020?
2021 war mit 71 Prozent ein Rekordjahr. Es gab insgesamt viel zu wenig Kapazität. Da wurde alles, was geflogen ist, vollgepackt. 2020 waren es 69 Prozent.
Ist das ein Durchschnittswert aus reinen Frachtflugzeugen und Transport von Fracht in den Bellies, also den Frachträumen von Passagierfliegern?
Ja. Dadurch wird auch bei den Bellies die Auslastung nach Gewicht erfasst, obwohl der begrenzende Faktor dort fast immer das Volumen ist. In den Frachtraum einer Passagiermaschine passt nur eine bestimmte Anzahl von Containern hinein und damit wird so gut wie nie das Gewichtslimit ausgeschöpft. Auch zu bedenken ist: Bellies fliegen nicht immer dahin, wo Fracht gebraucht wird. Wenn ein Flugzeug beispielsweise nach Las Vegas fliegt, ist das aus touristischen Gründen bestimmt interessant, aber die Fracht will nicht nach Las Vegas.
Sollte China wegfallen, würden wir mehr nach Vietnam, Indien oder Thailand fliegen.
Sie stocken in Ihrem Netzwerk aktuell Richtung China auf. Gleichzeitig nähern sich China und Russland weiter an, was einen Handelskrieg mit den USA und vielleicht auch Europa wahrscheinlicher macht. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Nein, es ist keine aktuelle Sorge. So etwas vorhersagen zu wollen, ist wie der Blick in die Glaskugel. Garantiert passieren in diesem Jahr noch irgendwelche Dinge, mit denen wir nicht rechnen und mit denen wir dann umgehen müssen.
Wie beschäftigen Sie sich mit so etwas? Haben Sie 20 Leute, die sich nur um geopolitische Prognosen kümmern?
Nein, haben wir nicht.
Hätten Sie die gerne?
Wir haben den großen Vorteil, dass unsere Flugzeuge woanders hin fliegen können. Sollte China wegfallen, würden wir mehr nach Vietnam, Indien oder Thailand fliegen. Eine Airline ist anders, als wenn ich irgendwo eine Fabrik bauen würde und mir überlegen müsste, ob ein Land dauerhaft ein guter Standort wäre. Unsere Flugzeuge fliegen dahin, wo sie gebraucht werden. Daher ist es ein relativ flexibles Geschäftsmodell. Wenn Europa insgesamt keine Nachfrage mehr hätte, wäre das schlecht für uns. Aber wenn aufgrund der Handelsbeziehungen die Nachfrage aus anderen Ländern kommt als zuvor, dann ist das für uns noch ein vernünftiges Szenario.
Trotzdem nochmal die Frage: Wie analysieren Sie so etwas?
Die kurzfristige Planung beruht vor allem auf vergangenheitsbasierten Daten. Wir schauen uns beispielsweise an, welche Frachtvolumina und welche Raten es gab. Dazu gibt es Daten vom Airline-Dachverband Iata und von Unternehmen wie Seabury oder World ACD. Und natürlich gibt es auch Einkaufsmanager-Indizes und Exporterwartungen, die uns kurzfristige eine Einschätzung ermöglichen. Um zu verstehen, wo langfristig attraktive Ziele für uns liegen, arbeiten wir mit Handels- und Exportprognosen, die häufig in Szenarien denken. Damit beschäftigen sich unsere Netzkollegen. Allerdings geht es da um stetige Entwicklungen. Echte Disruptionen, wie etwa der Beginn des Ukraine-Krieges, waren bisher noch in keiner Prognose enthalten.
Wie viele Leute sind das, die Netzkollegen?
Etwa 10 bis 15. Aber die machen nicht nur Prognosen, sondern beschäftigen sich hauptsächlich damit, das Flugzeug konkret einzusetzen.
Noch ist es nicht so überzeugend, was die Seefrachtfirmen in der Luft machen.
In der Pandemie haben Sie neue Konkurrenten bekommen. So ist etwa Smart Lynx ins Frachtgeschäft eingestiegen, um nur ein Beispiel zu nennen. Drückt das aktuell die Preise?
Zum einen haben wir durch den Ukraine-Krieg auch einen Wettbewerber verloren, nämlich Air Bridge Cargo. Die waren die Nummer drei zwischen Europa und Asien. Insofern ist auch Wettbewerb verschwunden. Zum anderen gibt es aber neue Wettbewerber, zum Beispiel die Seefrachtkollegen, die jetzt in Luftfracht investieren, sowie die Spediteure, die sich Kapazitäten über mehrere Jahre erchartern. Die Spediteure scheinen aktuell nicht mehr so glücklich mit ihren Verpflichtungen zu sein, die sie eingegangen sind.
Und die Seefrachtunternehmen?
Ich denke, die sind mit einer anderen Erwartung in den Markt hineingekommen, als sich der Markt jetzt tatsächlich entwickelt. Wenn man im Luftfrachtmarkt erfolgreich sein will, braucht man einen langen Atem. Und spezifische Kompetenzen, wie Ertragsmanagement, Preissysteme und eine Vertriebsmannschaft, die die Spediteure gut bedient. Hinzu kommt, dass wir uns über Jahre Know-how in Spezialgeschäften aufgebaut haben, etwa im Pharmabereich mit temperaturgeführter Lagerung, den entsprechenden Prozessen und Schulungen. All das lässt sich natürlich kopieren, aber nicht von heute auf morgen.
Steriles Wasser für Masernimpfungen in Lufthansa Cargos Pharma Hub. Bild: aeroTELEGRAPH
Glauben Sie, diese Konkurrenten verschwinden wieder vom Markt?
Das ist schwer zu sagen. Es sind häufig familiengeführte Unternehmen und vielleicht haben die einen sehr langen Atem. Noch ist es nicht so überzeugend, was die Seefrachtfirmen in der Luft machen.
Smart Lynx nutzt beispielsweise Airbus-A321-Umbaufrachter für den E-Commerce – da ist der Transport deutlich einfacher als etwa bei temperaturempfindlichen Medikamenten.
Der Transport ist nicht das entscheidende Thema. Die Frage ist, welche Prozesse habe ich davor und danach. Weiß ich genau, welche Sendungen auf diesem Flieger sind? Wenn etwas nicht so läuft, wie es geplant war, habe ich dann die Prozesse, um das aufzufangen und die Fracht trotzdem pünktlich an Ort und Stelle zu bringen? Den Unterschied machen letztendlich die Prozesse am Boden aus. Dazu gehören auch die Fragen: Kenne ich die Kunden? Wie bekomme ich den Flieger gefüllt, wenn der einzelne Kunde nicht den ganzen Flieger braucht? Wie gestalte ich die Preise, damit es am Ende auskömmlich ist? Das sind eine Reihe von Kompetenzen, die man aufbauen muss. Und beim E-Commerce geht es auch darum, sehr verlässlich zu sein und transparent zu machen, wo sich ein Sendung gerade befindet.
Ist Amazon Air Konkurrenz für Lufthansa Cargo?
Amazon kreiert auch Nachfrage. Wenn jemand selber seine Nachfrage mitbringt, nimmt er uns zumindest mal nichts weg. Aber umgekehrt ist das sicherlich auch jemand, der Kunde von uns sein könnte. Insofern ist es in gewisser Weise doch schon eine Konkurrenz.
Manchmal fliegen wir auch Dreiecksflüge, weil der Flug in eine Richtung sonst nicht gut voll zu bekommen ist.
In der Pandemie war Luftfracht sehr sichtbar – mit Masken, Impfstoffen und so weiter. Das ist jetzt nicht mehr so. Daher die Frage: Was transportiert Lufthansa Cargo überhaupt? Und was am meisten?
Wir transportieren alles, was fliegbar und legal ist und bei dem es ein wirtschaftliches Interesse gibt, es zu fliegen. Denn Luftfracht ist nun mal teurer als beispielsweise Seefracht. Wir haben viele Kunden aus dem deutschen Exportsektor, zum Beispiel aus der Automobilindustrie. Auf der Importseite ist viel Hightech dabei, Chemieindustrie und Pharmaindustrie. Und es gibt bestimmte Märkte, bei denen in die eine Richtung die klassischen Exportgüter gehen und auf dem Rückflug – zum Beispiel aus Südamerika – kommen verderbliche Waren wie zum Beispiel Blaubeeren oder Mangos. Im E-Commerce sind es Textilien, also Mode, Hightech, aber zunehmend auch Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsstoffe und Kosmetik.
Welchen Anteil hat der E-Commerce an Ihrem Geschäft?
Das ist schwer zu messen. Weil es in der Luftpost drin ist, bei den Spediteuren und so weiter. Ich denke, dass es aktuell vielleicht 10 Prozent ausmacht – allerdings mit dem stärksten Wachstum.
Nennen Sie bitte mal ein paar Beispiele für ungewöhnliche Dinge, die Sie transportieren.
Wir haben zum Beispiel die Pandas aus Chengdu für Frau Merkel geflogen. Oder wir haben Antiquitäten aus dem Kairoer Antikenmuseum zu Ausstellungen in den USA gebracht. Und zu den großen Dingen, die wir transportieren, gehören Flugzeugtriebwerke. Oder auch Autos, die getestet werden sollen. Und Pferde, Polopferde oder Zuchtpferde, gerade zwischen Südamerika und Europa.
Wie viele Stationen brauchen Sie, um ein Flugzeug voll zu bekommen?
Zunehmend fliegen wir wie auch Passagiermaschinen einfach hin und zurück. Aber manchmal fliegen wir auch Dreiecksflüge, weil der Flug in eine Richtung sonst nicht gut voll zu bekommen ist. Vietnam zum Beispiel exportiert viel nach Deutschland, importiert aber wenig aus Europa. Da fliegen wir dann zuerst die Strecke von Frankfurt nach Bombay in Indien, auf der es Nachfrage gibt. Anschließend gibt es ein bisschen Nachfrage auf dem Flug von Bombay nach Hanoi in Vietnam und dann von Hanoi nach Frankfurt. Nach Saigon in Vietnam fliegen wir über Bangkok in Thailand.
Aber generell geht die Entwicklung Richtung Punkt-zu-Punkt-Verkehr?
Ja, der Trick ist aber: Wir fliegen von Frankfurt, aber wir verkaufen europaweit diese Kapazität, also auch aus Mailand, Madrid oder Warschau. Die Fracht kommt dann mit Trucks nach Frankfurt und man hat im Endeffekt doch viele Märkte, die einen Flug füllen. In der Gegenrichtung steckt häufig nicht so ein großes Netz dahinter, außer in den USA, wo auch getruckt wird.
Was kommt aus Vietnam, was kommt aus Indien?
Indien ist ein sehr starker Pharmamarkt. Aus Vietnam kommt Hightech, Samsung hat dort zum Beispiel einen riesigen Standort, und auch Sportmode wie Turnschuhe. Und es siedeln sich weitere Industrien dort an, wie etwa die Automobilindustrie.
Welches sind die meist frequentierten Flughäfen in Ihrem Netzwerk, außer Frankfurt?
Shanghai und Chicago. Und bis vor Kurzem Incheon, aber das war eine Sondersituation. Denn da unsere Piloten aufgrund von Pandemie-Regeln nicht in Shanghai übernachten konnten, sind wir über Incheon geflogen und hatten da eine Art Hub. Jetzt können wir wieder direkt fliegen. Das ist effizienter und dadurch ist eine zusätzliche Rotation möglich.
bis die Boeing 777 F im Branchenvergleich zu alt sind, muss bei anderen Airlines erstmal eine ganz Menge noch viel älteres Fluggerät ersetzt werden.
Ihre Passagierflugzeuge kauft Lufthansa immer bei Airbus und Boeing. Lufthansa Cargo hat natürlich eine viele kleinere Flotte. Können Sie sich trotzdem vorstellen, irgendwann neben Ihren Boeing 777 F auch Airbus A350 F zu betreiben?
Ja, im Prinzip schon. Aber jetzt haben wir ja erstmal bis 2030 unsere Flugzeuge bestellt. Und in gewisser Weise fliegen wir ja schon mit Airbus und Boeing, da wir auch A321-Frachter haben.
Warum haben Sie sich für den A321- und nicht den Boeing-737-Umbauchfrachter entschieden?
Weil es der größte Kurzstreckenfrachter ist mit seinen 28 Tonnen Nutzlast. Und das zielt am Ende auch auf das Thema Nachhaltigkeit ab. Pro Tonne ist es das effizienteste Flugzeug für diese Distanz. Das war mit ein wesentlicher Entscheidungsfaktor für uns.
Ihre Flotte besteht aus Boeing 777 F der aktuellen Generation. Aber die darf Boeing nach 2028 nicht mehr bauen. Und sie haben sieben 777-8 F bestellt. Wie sieht die weitere Flottenplanung aus? Wird Ihre Flotte künftig eine 777-8-F-Flotte?
Ja, das ist aktuell der Plan. Aber bis die Boeing 777 F im Branchenvergleich zu alt sind, muss bei anderen Airlines erstmal eine ganz Menge noch viel älteres Fluggerät ersetzt werden.
Die Boeing 777-8 F wird die kleine Frachtschwester des Passagierjets 777-9. Bild: Boeing
Wie alt waren Ihre McDonnell Douglas MD-11, als sie die Flotte verlassen haben?
Mehr als 20 Jahre im Durchschnitt.
Ist das auch ein Zielwert für die 777 F der jetzigen Generation?
Aus heutiger Sicht würde man sie eher länger fliegen, 25 oder 30 Jahre. Die MD-11, die wir verkauft haben, fliegen ja auch noch, aber bei Fluggesellschaften, die sie nur vier, fünf oder sechs Stunden am Tag betreiben. Im Vergleich zu vielen anderen Airlines fliegen wir hochproduktiv und da lohnt es sich mehr, immer in die neueste Flugzeuggeneration zu investieren, weil man damit die direkten Betriebskosten viel mehr beeinflusst.
Die sieben bestellten 777-8 F sollen zwischen 2027 und 2030 kommen, hieß es bei der Bestellung. Steht das Datum noch trotz der 777X-Verspätungen?
Ja, das steht noch – und hängt am Ende ab von der Entwicklung der 777-9X.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat kürzlich gesagt, sogar Boeing selber nenne momentan keinen Zeitplan mehr für die 777X. Haben Sie Sorge, dass Boeing den Zeitplan womöglich nicht mehr einhalten kann?
Wir haben den Vorteil, dass die Passagiermaschine rund zwei Jahre vor der Frachtmaschine kommt. Daher wissen wir zwei Jahre vorher, wenn sich etwas nicht vernünftig entwickelt. Auch die Passage hält an den Fliegern fest, denn die Verzögerungen haben zum größten Teil ja bereits stattgefunden und es gibt eine Perspektive für die Auslieferungen. Daher hoffe ich, dass wir kein allzu großes Risiko mit der Boeing 777-8 F eingehen. Aber ja, wir müssen natürlich nochmal gucken, ob die Flieger auch kommen.
Es ist ja auch durchaus denkbar, dass die Passagiermaschine den Betrieb aufnimmt, aber es auf dem Weg zum Frachter noch weitere Probleme gibt.
Das Ganze ist ja aktuell ein Zulassungsthema für das Flugzeug. Und die 777-8 F ist zwar sechs Meter kürzer, aber Flügel, Elektronik und die meisten zertifizierunsgrelevanten Teile sind gleich.
Im Passagiergeschäft beschafft sich Lufthansa als Brückenlösung andere Flieger, während sie auf die 777X wartet. Werden Sie das auch machen?
Hoffentlich nicht.
Ab etwa zehn Flugzeugen könnte man über sind eine gute Größe für einen eigenen Flugbetrieb nachdenken.
Wie ist Ihr Geschäft mit den A321-Umbauchfrachtern angelaufen?
Gut. Wir gehen in ein neues Segment. Wir müssen Kunden finden, mit denen wir so noch nicht zusammengearbeitet haben. Das braucht logischerweise Anlaufzeit. Deshalb bieten wir auch Liniendienste an wie auf der Langstrecke. Istanbul ist zum Beispiel eine Destination, die früher mit der MD-11 bedient wurde und die wir jetzt mit dem A321 anfliegen. Das ist ein Markt, den wir bereits kennen – und es ist ein guter E-Commerce-Markt, besonders im Bereich Textilien.
Auf Dauer wollen Sie mit den A321 aber mehr Charter- und weniger Liniengeschäft fliegen?
Genau. Wir haben auch jetzt schon Charteraufträge und lernen damit umzugehen. So erfahren wir, was die Kunden genau wollen. Aber mit ein, zwei Flugzeugen ist das schwierig. Wir brauchen daher das dritte und vierte Flugzeug, die im zweiten Quartal kommen. Dann haben wir ein besseres Angebot. Aber es war ein guter Zeitpunkt, um in den Markt zu gehen. Es gibt hohe Erträge, es sind zum Teil Märkte, die wir gut kennen, und wir können zusätzlich Dinge ausprobieren.
Bestellen Sie weitere A321-Umbaufrachter?
Wenn der Betrieb mit vier Flugzeugen läuft, werden wir das bewerten. Und dann ist die Frage, wie groß wir den Markt einschätzen.
Airbus-A321-Umbaufrachter von Lufthansa Cargo. Bild: Lufthansa Cargo
Derzeit werden die A321 von Lufthansa Cityline betrieben. Wie groß muss die Teilflotte werden, damit Lufthansa Cargo das selber macht?
Ab etwa zehn Flugzeugen könnte man über sind eine gute Größe für einen eigenen Flugbetrieb nachdenken.
Wenn das Gewicht auf einer Seite der Palette höher ist als auf der anderen, muss Torsion möglich sein, also Verdrehung, und das können Verbundstoffe oft nicht.
Sie nutzen leichtere Frachtnetze und Sie kleben Haihaut-Imitation auf die Jets, um Treibstoff und CO2 zu sparen. Wie wichtig ist solch ein Feintuning? Wie viel Potenzial kann man damit heben?
Insgesamt haben wir uns 5 Prozentpunkte Kerosinersparnis aus dem operativen Bereich vorgenommen. Aber es braucht viele Einzelmaßnahmen, um dahin zu kommen. Der größte Hebel insgesamt ist, die neuste Flotte zu haben, was jeweils bis zu 15 Prozent ausmacht. Und dann nutzen wird noch Sustainable Aviation Fuel SAF, aber das ist teuer.
Müssen Sie die Flugzeuge mit den aufgeklebten Haihaut-Rillen eigentlich anderes reinigen?
Bei der Flugzeugwäsche gibt es die Einschränkung, dass keine Trockenwäsche erlaubt ist, da dieses Verfahren die Riblet-Strukturen in Mitleidenschaft ziehen könnte. Stattdessen wird bei den mit Riblet-Filmen ausgestatteten Flugzeugen die Nasswäsche durchgeführt.
Wie oft braucht so ein Flugzeug eine neue Haihaut-Beschichtung?
Alle vier Jahre laut Hersteller.
Was ist die nächste Technologie, die beim Feintuning hilft?
Viel hat zu tun mit Daten, mit guten und immer akkurateren Vorhersagen. Wie können wir die Route noch besser berechnen, die Windströmungen besser berücksichtigen und nutzen? Wie wird sich das Wetter entwickeln? Die Prognose, wie viel Treibstoff wir mitnehmen müssen, hat schon einen recht hohen Hebel. Eine weitere Frage ist, ob Paletten irgendwann leichter werden. Denn Fracht wird ja, wenn sie nicht im Container ist, auf großen Stahlpaletten aufgebaut und die haben ein hohes Eigengewicht.
Warum baut man sie nicht aus Verbundwerkstoffen?
Wenn das Gewicht auf einer Seite der Palette höher ist als auf der anderen, muss Torsion möglich sein, also Verdrehung, und das können Verbundstoffe oft nicht.
DHL hat viele Flugzeuge zu Aerologic gestellt – wir wollen da auf Augenhöhe sein.
Zwischen Management und Cockpitcrews von Lufthansa Cargo gibt es ja durchaus Spannungen. Wie sehen Sie das Verhältnis aktuell?
Wir sind in sehr engem Austausch mit unseren Piloten. Wichtig ist, zu erklären, welche Entscheidung wir wie und warum treffen. Ich glaube, unsere Piloten sind verantwortungsvoll und haben verstanden, was unser Geschäft ausmacht und was wichtig für dieses Geschäft ist. Es ist nicht immer einfach, aber wir sind auf einem guten Weg.
Ein Kritikpunkt: Die nächste 777 F geht an Aerologic. Warum ist das so?
Wir haben zwei Flugbetriebe. Aerologic ist nichts Fremdes, sondern unser Flugbetrieb im Joint Venture mit DHL. Und am Ende wollen wir, dass beide Flugbetriebe wachsen. Wir wollen bei beiden Flugbetrieben ein relevanter Partner sein. DHL hat viele Flugzeuge zu Aerologic gestellt – wir wollen da auf Augenhöhe sein.
Boeing 777 F, betrieben von Aerologic. Bild: Lufthansa Cargo/Oliver Rösler
Wie sieht es mit den sieben bestellten Boeing 777-8F aus – werden die auch aufgeteilt, oder gehen die alle zu Lufthansa Cargo?
Dazu haben wir uns noch keine Gedanken gemacht, denn bis dahin sind es ja noch ein paar Jahre hin.
2021 haben Sie in einem Interview gesagt: «Luftfracht steht nicht für Nachhaltigkeit, das müssen wir uns noch erarbeiten.» Haben Sie da Fortschritte gemacht?
Ich finde, dass unsere CO2-neutralen Flüge nach Shanghai schon bemerkenswert sind, das hat sonst noch keiner in der Branche gemacht. Letztes Jahr haben wir 10.000 Tonnen SAF verkauft und 2 Prozent unseres Treibstoffes waren bereits SAF – das ist wirklich viel. Und auch die leichteren Folien und Sharkskin – ich kenne keine andere Airline, die so viele Einzelmaßnahmen gemacht hat. Trotzdem haben wir noch einen großen CO2-Fußabdruck und wird müssen noch viel tun.
Was ist das Wichtigste, was zu tun ist?
Die nächste Generation Flugzeuge einflotten, im operativen Bereich weiterhin in vielen kleinen Maßnahmen Kerosin einsparen, SAF verkaufen und Kompensation nutzen. Vielleicht gibt es irgendwann auch gute Möglichkeiten, CO2 aus der Luft zu holen, also Carbon Capture, aber erstmal ist das die Spielwiese.
(Folgende nachgereichte Frage beantwortete Frau von Boxberg Anfang April schriftlich:)
Lufthansa Cargo hat drei Rekordjahre in Folge hingelegt, zwei davon mit Ihnen an der Spitze – warum gehen Sie jetzt als Chefin von Bord?
Wenn es am schönsten ist, soll man ja bekanntlich gehen. Nein, im Ernst: Ich wurde gefragt, die nächste Chefin der Brussels Airlines zu werden und ich freue mich, gemeinsam mit dem Team die nationale Fluggesellschaft Belgiens erfolgreich in die Zukunft zu führen. Neben meinen Aufgaben als Airline-Chefin werde ich die Stimme der Lufthansa im politischen Brüssel sein. Dort werden wichtige Entscheidungen für die Zukunft der Luftfahrt getroffen und ich freue mich, die Interessen der Lufthansa dort einzubringen.
*Dorothea von Boxberg wurde 1974 im hessischen Bad Homburg geboren. Ihre berufliche Laufbahn begann sie 1999 bei der Boston Consulting Group. 2007 ging sie zur Lufthansa-Gruppe, wo sie verschiedene leitende Positionen innehatte. So führte sie mit ihrem Team etwa eine neue Generation Business-Class-Sitze ein. 2015 wechselte sie zu Lufthansa Cargo und leitete den Bereich Global Sales Management. 2018 wurde sie in den Vorstand berufen und war dort für weltweiten Vertrieb, Netzplanung, Produktmanagement und Produktentwicklung verantwortlich. Seit 2021 führt sie Lufthansa Cargo als Vorstandsvorsitzende. Am 15. April wechselt sie als Chefin zu Brussels Airlines.