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CO2-Reduktion

So ist das Luftfahrt-Klimaabkommen einzuordnen

Die globale Luftfahrtbranche hat sich auf eine Stabilisierung der Treibhausgase geeinigt. Was das Abkommen für Fluggesellschaften und Umwelt bedeutet, sagt Klimaexperte Martin Cames.

Nach jahrelangen Verhandlungen haben sich die Mitglieder der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation Icao in Montreal auf ein weltweites Klimaschutzabkommen geeinigt. Es sieht vor, dass Airlines für Flugrouten Zertifikate kaufen, um den CO2-Ausstoß auszugleichen. Die Vereinbarung tritt 2021 in Kraft, ist bis 2026 freiwillig und ab 2027 verpflichtend. Sie soll sicherstellen, dass die Luftfahrt trotz steigender Passagierzahlen nicht das Ziel des Pariser Klimaabkommens gefährdet. Es sieht vor, den Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

aeroTELEGRAPH hat Klimaexperte Martin Cames vom Öko-Institut in Berlin zum Abkommen befragt.

Sind Sie zufrieden mit den Ergebnissen von Montreal?
Martin Cames: Aus Umweltsicht ist natürlich noch viel mehr nötig. Der Luftverkehr nimmt gewaltig zu und wenn wir auch nur das Zwei-Grad-Klimaziel erreichen wollen, müssen wir den Luftverkehr bis 2050 vollständig dekarbonisiert haben. Davon sind wir mit dem Abkommen noch weit entfernt. Andererseits wäre ein weiterer Aufschub ein Problem gewesen.

Was bedeutet das Abkommen konkret für die Fluggesellschaften?
Ab 2021 werden sie für die erfassten Strecken Zertifikate kaufen müssen. Das ist für viele Airlines nicht vollständig neu, da sie bereits am Europäischen Emissionshandel teilnehmen. Der Bedarf an Zertifikaten ist stark an den Treibstoffverbrauch gekoppelt und wird deshalb in vielen Fällen von den entsprechenden Abteilungen abgewickelt. Eine drastische Umstellung wird daher in der Regel nicht notwendig sein.

Wie schmutzig ist die Luftfahrtbranche denn überhaupt?
Der gesamte Luftverkehr hat einen Anteil von etwa 2,4 Prozent an den globalen CO2-Emissionen. Der wird aber steigen, wenn andere Branchen ihren Anteil reduzieren, wie im Klimaabkommen von Paris vereinbart. Und der Luftverkehr hat neben dem CO2 auch weitere Treibhausauswirkungen, die abhängig sind von den Flugprofilen, wie hoch man fliegt, wie die Wetterkonditionen sind und so weiter. Der Weltklimarat geht davon aus, dass die gesamten Treibhauswirkungen des Luftverkehrs im Mittel doppelt so hoch sind wie die CO2-Emissionen.

Was ist lobenswert an dem Abkommen?
Es ist ein routenbasiertes System, das differenziert: Routen in bestimmte Länder sind noch ausgenommen und einige werden auch langfristig ausgenommen, etwa zu den kleinen Inselstaaten. Und es geht nicht um die Herkunft der Airline. Wenn die Route eingeschlossen ist, müssen alle Fluglinien, die dort fliegen, Zertifikate kaufen. So gibt es keine Wettbewerbsverzerrung und das Abkommen kann nicht unterlaufen werden.

Bringt es noch mehr Gutes mit sich?
So ein System kann Anreiz sein, andere Technologien anzuwenden. Die Effizienz steigt tendenziell schon im Luftverkehr, aber auch Dinge wie der Einsatz von nachhaltigen, alternativen Kraftstoffen sind ja denkbar.

Gibt es einen Hoffnungsträger, was alternative Technologien angeht?
Ich bin kein Fan von Hoffnungsträgern. Ich denke, wir müssen wirklich unsere komplette Wirtschaft umstellen und auch über Konsumstrukturen und Nachfrage im Luftverkehr reden. Weiter wie bisher ist nicht möglich. Wie drastisch das ausfällt, hängt davon ab, wie früh wir mit der Umstellung anfangen. Aber ich denke, dass es nicht alleine technische Lösungen geben wird.

Heißt das, dass der Flugverkehr irgendwann auch reduziert werden muss?
Ja, ich denke schon. Flüge stehen dann in Konkurrenz mit anderen Dingen, die auch Treibhauswirkungen verursachen.

Was können die Passagiere tun?
Es geht um all die Dinge, die in den vergangenen Jahren möglich geworden sind, weil dem Luftverkehr die Umweltwirkungen nicht entsprechend angerechnet wurden. Im Business-Bereich lassen sich Flüge durch Videokonferenzen vermeiden. Und privat kann man sich fragen, ob man wirklich übers Wochenende per Flugzeug einen Städteausflug zum Einkaufen machen muss.

* Martin Cames ist Leiter des Bereichs Energie und Klimaschutz beim Öko-Institut in Berlin und Experte für Treibhausgas-Emissionen im internationalen Luft- und Schiffsverkehr.