Tiere an Bord
Haustierfreundliches Reisen im Privatjet – Schein und Sein
Fast alle Privatjet-Betreiber werben mit ihren Angeboten für Reisende mit Haustier. Doch nicht immer hält das Angebot, was es verspricht.
Perserkatze: Nicht alle Betreiber sind auf Reisen im Privatjet gut vorbereitet.
Perserkatze: Nicht alle Betreiber sind auf Reisen im Privatjet gut vorbereitet.
Menschen mit Haustier sind eine zunehmend wichtige Zielgruppe für die Marketingbemühungen der Privatjet-Betreiber. Die Vorteile einer Reise für Mensch und Tier verglichen mit einer Reise mit einer Airline, liegen auf der Hand. Auch aus tierärztlicher Sicht ist die Nutzung eines Privatjets (für die wenigen, die es sich leisten können) begrüßenswert.
Dennoch stellt sich die Frage, was es es praktisch bedeutet, wenn von einem Erlebnis nur für die «Pawsengers» (eine Worterfindung für Haustiere im Privatjet), beziehungsweise für die «felltragenden Kunden» oder «vom tierfreundlichsten Betreiber» gesprochen wird. Steckt hier wirkliche Fachkenntnis im Umgang mit dieser Passagierkategorie dahinter oder handelt es sich am Ende doch nur um Werbeslogans?
Haustierfreundliches Reisen – was heisst das eigentlich?
Schaut man sich die Präsentationen der Urheber der ausschnittsweise genannten Werbeslogans an, so ist das Ergebnis, bis auf ein, aus tierärztlicher Sicht vorbildhaftes Beispiel, eher dürftig. Auf den meisten Seiten findet man neben der Info, dass Haustiere an Bord willkommen sind und dem Hinweis vorab, die Einreise veterinärrechtlichen Einreise-Modalitäten für das Flugziel zu adressieren, keine weiteren Fakten.
Einige Betreiber und Privatjet-Broker geben durchaus gute Tipps. Diese reichen unter anderem von Trivialitäten wie eine Decke oder das präferierte Spielzeug zum Stressabbau für das Tier mit an Bord zu bringen, über die Sicherstellung eines guten Gesundheitszustandes vor Antritt des Fluges bis hin zur genauen Abwägung des Einsatzes von Beruhigungsmitteln. Dies deutet darauf hin, dass manche Anbieter ein Verständnis für die Herausforderungen entwickeln, die mit dem Transport von Haustieren in der Kabine einhergehen.
Was nötig wäre
Was bis auf eine Ausnahme durchweg fehlt, ist ein eindeutiger Hinweis auf die Kompetenz der Besatzung. Aus der Sicht eines als Berufspilot tätigen Tierarztes, sowie unternehmerischen und in der Zukunft gegebenenfalls versicherungstechnischen Erwägungen scheint es notwendig, dass Besatzungsmitglieder kompetent in allen relevanten Aspekten des Transports von verschiedenen Haustieren in der Kabine mit ihren Besitzern sind.
Ein Operator zeigt, wie es geht und definiert einen Standard, an dem sich die Businessjetbranche in Zukunft orientieren sollte. Standardmäßig werden alle Kabinencrews im Umgang mit Haustieren trainiert. In den Seminaren lernen die Kolleginnen und Kollegen die Körpersprache gängiger Haustiere zu lesen, routiniert mit diesen umzugehen und im Notfall erste Hilfe zu leisten. Wünschenswert wären zudem Kenntnisse von Art- bzw. rassespezifischen Besonderheiten. Gemäß Pressemitteilungen verschiedener Businessjet-Betreiber fliegen durchaus auch Exoten wie Vögel und Reptilien im Jet mit. Der mittlerweile allgegenwärtige Mops ist verglichen mit anderen Rassen herausfordernd.
Oft eher ein Werbeslogan
Die Recherche ergibt, dass hinter den genannten Werbeslogan, in den meisten Fällen leider wenig Substanz über das reine Mitnehmen der Tiere in der Kabine hinaus steckt. Dies deckt sich mit den Erfahrungen des Autors. Dies wird weder der hochanspruchsvollen Kundschaft, noch Sicherheits- und Tierschutzaspekten gerecht. Dies ist sicher auch dadurch begründet, dass derzeit noch keine oder nur wenige Trainingsressourcen für Luftfahrtzeug Besatzungen zur Verfügung stehen.
Sebastian Gehrig ist freier Kolumnist von aeroTELEGRAPH. Er ist Tierarzt und Pilot (derzeit auf A320 bei einer europäischen Airline) mit mehrjähriger Erfahrung im Executive Aviation Bereich. Als Bindeglied zwischen der Welt der Veterinärmedizin und der Luftfahrt berät er Privatjetbetreiber hinsichtlich der adäquaten Betreuung von Haustieren von VIPs die mit diesen verreisen. Die Meinung der freien Kolumnisten muss nicht mit der der Redaktion übereinstimmen.