Frauen im Cockpit
Das Geheimrezept gegen Pilotenmangel
Weltweit fliegen immer mehr Menschen. Piloten werden so zur Mangelware. Ausgerechnet aus dem Nahen Osten kommt jetzt der Ruf nach mehr Frauen im Cockpit.
Ghada Mohamed Al Rossi, Pilotin bei Air Arabia: Sie ermutigt mehr Frauen, die Ausbildung zur Pilotin zu wagen.
Ghada Mohamed Al Rossi, Pilotin bei Air Arabia: Sie ermutigt mehr Frauen, die Ausbildung zur Pilotin zu wagen.
«Ich erinnere mich, wie ich das erste Mal ein Cockpit sah. Ich hatte umgehend das Gefühl, ich müsste Pilotin werden», sagt Ghada Mohamed Al Rousi. Jetzt appelliert die Pilotin von Air Arabia aus den Vereinigten Arabischen Emiraten an Frauen aus aller Welt, dass sie sich trauen sollten, das klassisch männliche Berufsfeld für sich zu entdecken. Da sie aus einer kulturell sehr konservativen Gesellschaft stammt und es trotzdem geschafft hat, möchte sie anderen Frauen ein Vorbild sein. «Es gibt keinen Grund, sich zu schämen, ein Flugzeug zu fliegen. Meine Familie und mein Land sind stolz auf mich. Sie haben mich bei jedem Schritt auf dem Weg unterstützt.»
Auf derartige Werbung hören nicht viele Frauen. Aktuell sind nur drei Prozent aller 130.000 kommerziellen Luftfahrtpiloten weiblich – ein verschwindend geringer Anteil. Der amerikanische Flugzeugbauer Boeing schätzt, dass die Welt bis 2034 rund 558.000 neue Piloten braucht, um der wachsenden Nachfrage Herr zu werden. Doch die großen Airlines der Welt heuern pro Jahr gerade einmal 3000 neue Flugzeug-Kapitäne an. Laut Al Rossi ist die Stunde für Frauen in der Luftfahrt deshalb gekommen: «Es gibt nicht genügend Frauen, die fliegen. Das muss sich ändern. Fliegen ist nicht mehr nur Männersache.»
Engpass bei Piloten
Das Wachstum im Flugreisemarkt ist insbesondere im asiatisch-pazifischen Raum groß, wo mehr Menschen den Eintritt in die Mittelschicht schaffen. Die Internationale Organisation für Zivilluftfahrt in Montreal (Icao) warnt, dass diese Region allein bis 2030 230.000 zusätzliche Piloten braucht und jährlich 14.000 neue Piloten ausbilden muss, um dies zu schaffen. Bislang können in der Region maximal 5000 Piloten pro Jahr ausgebildet werden.
9000 Ausbildungsplätze – und Kandidaten für sie – fehlen. Es werde Zeit, dass auch Frauen als geeignete Kandidatinnen betrachtet und gezielt gefördert werden, so Al Rousi. Für schnell wachsende Fluggesellschaften entsteht ein ernstzunehmendes Problem. Einzig in Nordamerika gibt es auf die kommenden 15 Jahre gesehen einen Pilotenüberhang.
Wachstumschance für Flugschulen
Das sieht man auch bei Turkish Airlines so. Vorstandsvorsitzender Temel Kotil will gerne saudiarabische Frauen als Pilotinnen einstellen – und stellt mit seiner Aussage vor der Presse zugleich heraus, wie viele Vorurteile Frauen in der Luftfahrtbranche noch zu überwinden haben: «Es gibt Flugzeugtypen, für die man nicht physikalische Stärke braucht, um sie zu fliegen – für die sind auch weibliche Piloten geeignet», so Kotil. Und: «Wir hätten gerne männliche und weibliche muslimische Piloten.»
Für Flugschulen und Simulatorenhersteller stellt der Piloten-Engpass die Wachstumschance schlechthin dar. «Wir sind in den vergangenen fünf Jahren erheblich gewachsen, und die Zahlen der geplanten Flugzeugauslieferungen sprechen für die Zukunft eine ähnliche Sprache», sagt Irfan Khalid, der beim Flugsimulatoren-Hersteller CAE für den asiatisch-pazifischen Raum zuständig ist. Die Flugschule Alpha Aviation, die ihren Sitz in Großbritannien hat, errichtet weltweit neue Trainingszentren. Gerade versucht sie, den Standort Manila weiter auszubauen. «Es ist unmöglich, mit der Nachfrage Schritt zu halten», sagt Max Bürger, ein Manager bei Alpha Aviation zur Zeitung Financial Post. «Wir können unsere Kapazitäten nicht schnell genug aufbauen, um mit der Nachfrage der Airlines Schritt zu halten.»
Familienfeindlich?
Der Pilotenberuf gilt als extrem familienunfreundlich: «Es gibt das Vorurteil, dass Piloten lange Arbeitszeiten haben und immer unterwegs sind – das hält viele Frauen von dem Beruf ab», so Bürger. Doch gerade Billigfluglinien bieten viele Kurzstrecken an, die es den Crews erlauben, abends wieder zu Hause zu sein. Hohe Ausbildungskosten, die die Kandidaten oft selbst tragen müssen, sind ein weiterer Faktor, der gerade Frauen in traditionell konservativen Orten von der Flugausbildung abhält. «Wir machen aktiv Werbung dafür, dass Frauen unsere Schulen besuchen», so Bürger.
Al Rousi ist die erste weibliche Absolventin der Alpha Aviation Flugschule in Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Inzwischen bilden sie in diesem Standort bis zu zwanzig Prozent weibliche Kandidaten zu Piloten aus – es gibt also noch deutlich Luft nach oben: «Es gibt Raum für mehr weibliche Piloten», so Al Rousi, «Ich rate jeder Frau, die Pilotin werden will, sich diesem Traum nicht ausreden zulassen, sondern es zu versuchen.»