Letzte Aktualisierung: um 12:44 Uhr

Arbeitsmarkt

Am Flughafen Frankfurt fehlen 12.000 Mitarbeitende

In Deutschland fehlen Arbeitskräfte, auch in der Luftfahrtbranche. Der Bedarf ist riesig. Die Politik muss reagieren, aber auch die Unternehmen müssen sich ändern. Einige positive Beispiele gibt es.

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Deutschland hat ein Problem. Ein Problem mit dem Arbeitsmarkt. Es wird in naher Zukunft massiv an Arbeitskräften mangeln. Positive Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2035 knapp drei Millionen Arbeitsplätze nicht besetzt werden können, weil schlicht entsprechendes Personal fehlt.

«Das Kind ist mehr als tief in den Brunnen gefallen», sagt Detlef Scheele, bis August 2022 Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit beim Branchengespräch Luftfracht. Initiiert wurde es vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) und dem Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV). Die Luftfahrtbranche spürt die Auswirkungen schon heute. Der Frankfurter Flughafen musste in diesem Jahr seine Kapazität deckeln, weil es an Personal fehlt, erklärt Pierre Dominique Prümm, Vorstand von Aviation und Infrastruktur der Fraport AG.

Bedarf an Arbeitskräften ist hoch

«Die gesamte Branche ist schon heute auf der Suche nach Personal», so Prümm und schätzt, dass am Frankfurter Flughafen bis zu 12.000 Mitarbeiter sofort eingestellt werden könnten, um den künftigen Bedarf zu decken. «Wenn es denn geeignetes Personal gebe». Ähnliches prognostiziert auch Frank Bauer, Personalvorstand bei Lufthansa Cargo. Er rechnet vor, dass beim Logistiker in zehn Jahren 60 Prozent der heutigen Belegschaft in Rente sein werden.

Laut dem Ex-Chef der Bundesagentur für Arbeit stehen nur wenige Instrumente zur Verfügung, um das Problem am Arbeitsmarkt zu mildern. Die Zahl der Teilzeitverträge muss sinken. Derzeit arbeiten mehr als 10,5 Millionen Deutsche in Teilzeit, davon sind 90 Prozent Frauen. Vollzeitstellen müssen für Frauen attraktiver werden, so Scheele. Zudem würde eine auch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters helfen. Lösbar ist das Dilemma für den Arbeitsmarktexperten aber nur durch Zuwanderung.

20.000 Bewerbungen allein aus der Türkei

Pro Jahr kommen rund 75.000 Arbeitsmigranten nach Deutschland, aber es müsste um ein Vielfaches höher sein, um den Bedarf zu decken. Scheele sieht die Politik, Kommunen und Unternehmen in der Pflicht, gemeinsam integrativ tätig zu sein. Vom Bürokratieabbau bis zur Willkommenskultur. Zwar hat die Politik im vergangenen Sommer viel möglich gemacht, um Arbeitskräfte aus dem Ausland unbürokratisch nach Deutschland zu holen, um an den Flughäfen auszuhelfen, aber genützt hat das wenig, denn die Leute durften nur für acht Monate bleiben.

Fraport hat letztlich nur 95 Menschen aus der Türkei und 88 aus dem Westbalkan eingestellt, bei allein 20.000 Bewerbungen aus der Türkei, sagt Fraport-Vorstand Prümm. «Wenn die Leute nur für acht Monate bleiben dürfen, macht das keiner». Denn allein die Zuverlässigkeitsüberprüfung beim Luftfahrtbundesamt (LBA), die jeder Mitarbeitende benötigt, um beispielsweise in der Abfertigung arbeiten zu können, hat allein eine Bearbeitungszeit von rund drei Monaten – wenn es schnell geht. Prümm fordert von der Politik, mutiger zu werden und beispielsweise längere Aufenthaltstitel möglich zu machen.

Fraport bietet Wohnung und Geld

Dabei tut Fraport viel dafür, um zugewanderten Personen einen guten Start zu ermöglichen. So bietet das Unternehmen neuem Personal aus dem Ausland Wohnraum und noch vor dem Arbeitsbeginn erhält jeder oder jede 1800 Euro, um in Deutschland anzukommen. Da es sich bei vielen Jobs um angelernte Tätigkeiten handelt, können sich Beschäftigte auch hocharbeiten.

Markus Otte, Geschäftsführer von European Air Transport in Leipzig, warnt davor, dass Deutschland bei der Arbeitsmigration aufpassen müsse. «Bei uns in Leipzig arbeiten Menschen aus über 100 Nationen, die genau schauen, was politisch bei uns passiert». Man müsse aufpassen, dass die Leute nicht wieder abwandern.

Neue Unternehmenskultur

Um wieder mehr Mitarbeitende für die Luftfahrt und Luftfracht zu gewinnen, müssen sich Unternehmenskulturen ändern, sagt Lufthansa-Cargo-Vorstand Bauer. «Wir müssen gute Gehälter zahlen, aber auch das Miteinander fördern, beispielsweise nicht nur Weihnachten als christliches Fest feiern, sondern auch anderen Religionen einen Platz einräumen.»

Dass die Jobs wieder attraktiv werden müssen, sagt auch Otte. Für ihn muss das Gesamtpaket stimmen. Bestehend aus einem guten Gehalt, aber auch Zusatzleistungen wie Jobtickets oder einer guten Krankenversicherung. Zudem darf man als Arbeitgeber den Bewerbenden keine Märchen erzählen, wenn man unglaubwürdig wirkt, gehen die Leute woanders hin.

Automatisierung als Chance begreifen

Eine vieldiskutierte Möglichkeit, um die Luftfahrt attraktiver zu gestalten, ist der Einsatz von Automatisierung und Digitalisierung. Flugzeuge werden in vielen Fällen immer noch abgefertigt, wie vor 40 Jahren, beispielsweise bei der Gepäckbeladung. Die Koffer werden von Hand in die Maschinen verladen. Das soll sich in Zukunft ändern. Das Fraunhofer-Institut arbeitet zusammen mit dem Flughafen München an Gepäckrobotern, die im Flugzeugladeraum, die Koffer selbstständig stapeln.

«Bei der Automatisierung ist es wichtig, die Mitarbeitenden zu integrieren und zu vermitteln, dass keine Arbeitsplätze wegfallen», sagt Harald Sieke vom Fraunhofer-Institut, denn die Lage sei zu angespannt. Automatisierung wird sich auch nur langsam durchsetzen, weil die Luftfahrt kein Industriebetrieb ist, bei dem sich Tätigkeiten immer wiederholen. Mit Arbeitsmigration, einer veränderten Unternehmenskultur und Automatisierungsprozessen, wollen Unternehmen dem kommenden Mangel entgegentreten.