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Flying Doctors: Medizinische Buschfliegerei und Luftrettung in Subsahara-Afrika
Was im dichtbesiedelten Europa meist der Rettungswagen und nur in besonderen Notfällen der Hubschrauber ist, ist in Afrika südlich der Sahara viel häufiger grundsätzlich der Helikopter oder eine robuste Turboprop-Maschine. Dadurch ist der Kontinent heute eines der weltweit größten Aktionsfelder medizinischer Buschfliegerei.
Afrika zwischen Sahara und Kap der Guten Hoffnung erlebt seit einiger Zeit eine rasante Entwicklung nebst Bevölkerungswachstum. Doch obwohl hier etwa 1,18 Milliarden Menschen leben, beträgt die Bevölkerungsdichte im Schnitt nur 40 Personen pro Quadratkilometer. Dabei ist dieser Wert durch dichtbesiedelte Staaten wie Nigeria und teils sehr große Städte wie Jaunde (Kamerun) sogar noch künstlich verzerrt. In Angola und Namibia etwa liegt er niedriger als 10 Menschen pro Quadratkilometer. Ähnlich sieht es in vielen anderen der 49 Staaten südlich der Sahara aus.
Hinzu kommen teils große Distanzen und ein nicht überall gut ausgebautes Wegenetz. Nicht zuletzt, weil sich immer mehr Touristen für eine authentische Afrika Reise mit einer kleinen Gruppe durch die ländlichen Gebiete interessieren, hat die medizinische Versorgung aus der Luft hier einen riesigen und weiterhin steigenden Stellenwert.
Heute werden deshalb viele afrikanische Staaten durch professionelle Air Medical Services über Starr- und Drehflügler versorgt. Dennoch ist die moderne Luftrettung in Subsahara-Afrika oftmals nicht weniger abenteuerlich als zu ihren Anfängen.
1. Luftrettung in Afrika: Eine lebensnotwendige Bedingung
Schon aufgrund der extremen Weite und Einsamkeit Afrikas sind Luftfahrzeuge oft der einzige Garant für eine zeitnahe medizinische Versorgung.
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Es gibt verschiedene Weltregionen, die von enormen Distanzen bei gleichzeitig niedriger Bevölkerungsdichte geprägt sind. Etwa Nordamerika ab etwa 100, 150 Kilometer von den Küsten entfernt. Sieht man jedoch einmal von Australien ab, dann gibt es kaum eine andere Region, in der das medizinische Wesen so sehr mit der Fliegerei verknüpft ist wie in Afrika südlich der Sahara.
Maßgeblich verantwortlich dafür sind zahlreiche Eigenheiten des Kontinents:
- Südlich der Sahara gibt es nicht weniger als 49 eigenständige Staaten und somit viele Staatsgrenzen. Nicht alle dieser Nationen koexistieren friedlich miteinander. Zudem spielen klassische Religions- und Stammeszugehörigkeiten der Bevölkerungsgruppen eine weitere Rolle in der Aufsplittung. Das kann medizinische Straßentransporte aus (grob gesprochen) «politischen Gründen» erschweren.
- Es gibt teils dramatische Unterschiede der Entwicklungsstände unterschiedlicher Länder. Selbst innerhalb einer Nation kann das Entwicklungsgefälle zwischen urbanen und ländlichen Regionen dramatisch sein. In der Folge existieren regelrechte «Inseln», in denen allein ein Direktzugang zu modernen medizinischen Verfahren vorhanden ist. Dazwischen liegen hunderte, mitunter tausende Kilometer, auf denen sich teils nicht einmal ein einziger Mediziner befindet.
- In vielen afrikanischen Staaten existiert kein staatlich organisiertes medizinisches Rettungswesen. Dadurch fehlt hier vielerorts der «Link» zwischen Patienten und medizinischen Einrichtungen, sofern nicht letztere oder Dritte einen solchen aufbauen.
- Die generelle Infrastruktur ist außerhalb der Städte vielfach stark unterentwickelt, das gilt insbesondere für ein kleinzelliges, ganzjährig benutzbares Straßennetz. So lebt hier rechnerisch nur jeder Zweite in einer Region mit asphaltierten Straßen. In West- und Zentralafrika existiert ferner ein ausgeprägtes Monsunsystem. Dadurch sind im Sommer ganze Großregionen oftmals über viele Wochen nicht auf dem Landweg zu erreichen.
Nicht zuletzt spielt die Geographie noch eine Rolle. Viele Bereiche Afrikas sind ausgesprochen schroff und außerdem klimatisch extrem. Selbst in Weltregionen mit besserer Infrastruktur würde unter ähnlichen Umständen keine bodengebundene Rettung oder Versorgung betrieben werden.
Vielfach endet eine umfassende Infrastruktur bereits kurz hinter den Stadtgrenzen, wie hier in Nairobi. Gerade ländliche Gebiete sind deshalb medizinisch häufig unterversorgt.
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Die Fliegerei ist deshalb in Subsahara-Afrika das Mittel der Wahl. Sie kann den kürzesten Weg nehmen, kann wegeloses Gelände ebenso überfliegen wie Konfliktregionen. Zudem benötigt sie je nach Luftfahrzeug höchstens eine halbwegs ebene, einige hundert Meter lange Schneise im Busch, eine wenige Quadratmeter große Urwaldlichtung – oder, bei der Windenrettung, sogar nichts dergleichen.
Anders formuliert: Die Luftrettung per Flugzeug und Helikopter sowie das Einfliegen von medizinischem Personal ist die perfekte Antwort auf die Gesamtheit verschiedenster afrikanischer Realitäten.
Dadurch ist die Vorgehensweise südlich der Sahara vielerorts deutlich niedrigschwelliger ausgeprägt als beispielsweise in Europa. In manchen Gegenden Afrikas wäre es beispielsweise völlig normal, bei einem unkomplizierten Beinbruch die Luftrettung einem mehrtägigen «Ritt» im Geländewagen über schlechte Straßen und durch Furten vorzuziehen.
Umgekehrt sind Luftfahrzeuge ebenso der oft beste Weg, um Mediziner regelmäßig in entlegene Gebiete zu bringen, um dort eine Grundversorgung bereitzustellen. Zu den umfassenden Herausforderungen aus medizinischer Sicht sei eine 2011 veröffentlichte Dissertation empfohlen: Air Ambulance Transport in Sub-Saharan Africa: Challenges Experienced by Health Care Professionals.
2. Medizinisches Flugwesen in Afrika: Die fliegerisch-technischen Herausforderungen
Mitten im Busch müssen Crew und Flugzeug gleichermaßen mit sehr spartanischen und oftmals widrigsten Bedingungen zurechtkommen.
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Es gibt in Subsahara-Afrika verschiedenste Organisationen und Gruppierungen, die die Luftrettung und generelle medizinische Versorgung garantieren. Viele der Mitglieder bezeichnen sich selbst stolz als Buschflieger und ihre Art der Fliegerei als Buschfliegerei.
Tatsächlich handelt es sich dabei um weit mehr als nur eine etwas nostalgische Verklärung des Berufs. Denn was das Fliegerische anbelangt, sind viele dortige Regionen tatsächlich eine Herausforderung von besonderer Qualität für Mensch und Maschine – die vor allem diejenigen immer wieder überrascht, die europäische Bedingungen gewohnt sind.
Fangen wir damit an: Afrika hat einige Hundert Airports und Airstrips, dazu Tausende allgemeine Landeplätze. Allerdings sind nur wenige mit einem modern ausgestatteten Landeplatz europäischer Prägung zu vergleichen. Ebenso wenig existiert keine wirklich flächendeckende (moderne) Flugsicherung; selbst wenn einzelne Staaten diese derzeit modernisieren.
Mitunter fehlt es mitten in der Savanne sogar an jeglicher Form von Befeuerung oder überhaupt einer flugerfahrenen einweisenden Person am Boden. Wenn die Bedingungen es erfordern, dann muss im Zweifelsfall alles, was lang und breit genug sowie hinreichend eben ist, zur Lande- und Startbahn werden können – selbst wenn zunächst mehrere tiefe Überflüge vonnöten sind, um die lokale Tierwelt von der Bahn zu vertreiben.
Das alles ist insbesondere eine Herausforderung für die Piloten. Sie müssen in der Lage sein, unter spartanischsten Bedingungen zu operieren, die andernorts seit Jahrzehnten nicht mehr vorhanden sind. Das Verlassen auf moderne technische Hilfsmittel wird hier durch
- klassisch-fliegerisches Können,
- Erfahrung,
- regionale und meteorologische Kenntnisse
- intensive Kommunikation mit Kollegen und
- Einschätzungsvermögen
ersetzt. Oftmals wechseln sich Sicht- und Instrumentenflugbedingungen im Minutentakt ab. Zudem wird häufig in niedrigeren Höhen geflogen, wenn das Missionsprofil es erfordert.
Viele Flüge müssen aus klimatisch-geographischen Gründen zudem unter ausgesprochenen Hot-and-High-Bedingungen erfolgen. Das reduziert Auftrieb und Triebwerksleistung, mindert dadurch häufig MATOW und MALW (= maximal praktisch mögliche Abflug- und Landemassen) gleichermaßen. Zusätzlich werden Start- und Landestrecke verlängert und die Leistungsreserven für den Steigflug minimiert.
Das kann beispielsweise das Operieren aus Talkesseln heraus oder den Schwebeflug von Hubschraubern sehr anspruchsvoll bis riskant machen. Ebenso ist ein Durchstarten vielerorts nicht möglich, weshalb keinerlei Raum für Fehler besteht.
Robustheit und Einfachheit sind südlich der Sahara das Maß aller Dinge. Angesichts dessen ist hier sogar eine Turboprop-modifizierte DC-3/C-47trotz höchstem Alter eine verlässliche Wahl.
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Nicht zuletzt sind in diesem großen Teil Afrikas die Bedingungen rund um die Fliegerei häufig von Kargheit geprägt:
- Die Beschaffung von Verschleiß- und Ersatzteilen.
- Das für Wartung und Reparatur nötige Fachpersonal. Mitunter müssen Piloten deshalb selbst mit anpacken.
- Das Vorhandensein von Werkstätten, Werkzeugen oder sogar wetterfesten Unterbringungsmöglichkeiten.
Von Dingen wie klimatisierten Hangars, binnen Stunden verfügbarer Ersatzteile und komfortabler Betankung können die fliegenden Helfer und Retter Afrikas nach wie vor oftmals nur träumen – zumindest außerhalb der festen Basen, von wo aus sie zu ihren Einsätzen aufbrechen.
Aus ähnlichem Grund geht hier seit Jahren ein starker Trend hin zu turbinenbetriebenen Maschinen und weg von kolbenmotorbasierenden Modellen. Hauptsächlich liegt das daran, weil die Verfügbarkeit von Avgas (= Kraftstoff für fremdgezündete kolbenmotorbetriebene Flugzeuge) südlich von Ägypten seit Jahren stark ab- und dafür der Preis zunimmt.
Schon in Sudans Hauptstadt Khartum beispielsweise kann der Liter Avgas in Richtung 10 US-Dollar tendieren. Weiter südlich ist das sogar häufig der übliche Preis – und die gängige Verkaufseinheit sind 200-Liter-Fässer, die zudem oft lange im Voraus zu bestellen sind.
Dadurch werden Maschinen mit Turbinentriebwerken nicht nur deutlich ökonomischer zu betreiben, sondern sind es vielfach auch aus einem rein logistischen Standpunkt.
3. AMREF und Co: Afrikas Luftretter und ihre Maschinen
Schnelle Hilfe über weite Distanzen. Für solche Missionen nutzen die AMREF Flying Doctors unter anderem eine Cessna Citation Sovereign – freilich nur für Runways jenseits von einem Kilometer Länge zu gebrauchen.
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Ein Großteil der medizinischen Fliegerei sämtlicher Anlässe wird in Subsahara-Afrika durch private Unternehmen geleistet. Das heute bekannteste hiervon dürfte AMREF Flying Doctors sein; ein zentraler Teil von AMREF Health Africa. Hierbei handelt es sich um nicht weniger als die größte medizinische Nichtregierungsorganisation des gesamten afrikanischen Kontinents.
Gegründet 1957 in Kenia durch zwei Chirurgen betrieb die Organisation schon von Anfang an gezielt medizinische Buschfliegerei – sowohl in Form von Luftrettung als auch dem Einfliegen von Medizinern in entlegene Gebiete zwecks Grundversorgung.
Damals wie heute liegt der Fokus von AMREF zwar auf Ostafrika. Durch die technische Bestückung mit Fluggeräten umfasst das Operationsgebiet jedoch weite Teile des gesamten Kontinents. Dies reicht südlich hinab bis nach Südafrika und in westlicher bzw. nordwestlicher Richtung bis in den Raum Nigeria / Benin.
In der Hauptsache stützt sich AMREF heute auf verschiedene Modelle aus der Citation-Serie von Cessna. Namentlich:
- XLS C560
- Bravo C550
- Sovereign C680
Grundsätzlich ist die gesamte Starrflügelflotte der Organisation so konzipiert, dass sie stets zwei liegende Patienten transportieren kann. Je nach Modell kommt mindestens noch ein sitzender Patient hinzu – im Fall der Sovereign C680 sogar derer drei.
Neben diesen zweistrahligen Modellen operiert AMREF ein regelrechtes Paradebeispiel für etwas größere Turboprop-Maschinen in der Buschfliegerei: Die Pilatus PC-12. Aufgrund der großflächigen Fowler-Klappen und der großen Leistungsreserven der gedrosselten Turbine (je nach Ausführung unterschiedliche Varianten der Pratt & Whitney Canada PT6A-67) ist das Modell hervorragend für kurze Start- und Landestrecken sowie Hot-and-High-Bedingungen geeignet.
Daneben nutzen die fliegenden Ärzte das zweimotorige Modell King Air B200 von Beechcraft sowie den Eurocopter AS350 – mittlerweile am Markt besser als Airbus Helicopters H125 bekannt.
Neben AMEREF existieren rund zwei Dutzend weitere Firmen, die von Afrika aus operieren. Zusätzlich bieten verschiedene internationale Flugfirmen entsprechende Dienste auf dem Kontinent an.
Während für die allgemeinere (das heißt nichtmedizinische) Buschfliegerei in Afrika derzeit vor allem Kitplanes for Africa große Erfolge feiern kann, sind diese Maschinen für medizinische Flüge oft zu klein bzw. haben eine zu geringe Zuladung. Hubschrauber werden zwar ebenfalls genutzt, sind aber aufgrund ihrer geringen Reichweite für viele afrikanische Einsatzszenarien nicht geeignet.
Hier überwiegen daher eher folgende Modelle, respektive ähnlich aufgebaute Konkurrenzmuster, beispielsweise:
- Cessna 208 Caravan
- de Havilland Canada DHC-6 Twin Otter
- GippsAero GA8 und GA10
- PAC P-750 XSTOL
- Pilatus PC-6 Porter
- Quest Kodiak
Auffällig ist insbesondere der schon angesprochene Wandel hin zu turbopropbetriebenen Mustern aufgrund der Avgas-Versorgung bzw. -preise.
de Havilland Canadas zweimotorige STOL-Legende Twin Otter ist auch in der heißen Luft über Afrikas Savanne eines der beliebtesten Buschflugzeuge dieser Gewichtsklasse.
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Und wo einstmals Maschinen mit Spornradfahrwerk geradezu archetypisch für die Buschfliegerei waren (und man entsprechend grundsätzlich nur Piloten nahm, die mit Tailwheel bzw. Taildragger Erfahrung hatten), geht der Trend heute eindeutig zu Modellen mit Bugradfahrwerk. Jedoch: Zwar achten die heutigen Firmen nicht mehr so streng auf eine vorhandene Spornrad-Einweisung. Dennoch wird sie zumindest als sinnvolle Ergänzung in der Vita eines Piloten betrachtet.
Ob ein Flugzeugtyp grundsätzlich für die Notwendigkeiten der afrikanisch-medizinischen Buschfliegerei geeignet ist, hängt primär von einigen technischen, konstruktiven Faktoren ab:
- Allgemeine Robustheit, unter anderem bezogen auf holprige Bahnen, notwendig harte Landungen sowie harsche, tropische Klima- und ähnliche Umgebungsbedingungen.
- Möglichst einfache Wartung und insbesondere simple Ersatzteilbeschaffung respektive Verfügbarkeit.
- Ausgeprägte STOL-Fähigkeiten bezogen auf Gewicht und Leistungsklasse. Dazu eine gute Steigleistung.
- Allgemein gutmütiges Flugverhalten, speziell in niedrigen Flughöhen und unter Extrembedingungen.
- Große Ladeklappe(n), damit unter anderem liegende Patienten ohne größere Probleme ein- und ausgeladen werden können.
- Rasches Ansprechen des Triebwerks auf, bzw. Unempfindlichkeit gegenüber schnellen Leistungsänderungen.
- Gute Übersichtlichkeit vom Cockpit aus.
- Umfassende Zugänglichkeit der Technik über Wartungsklappen etc.
- Hohe Resistenz gegenüber Staub und allgemein FOB (Foreign Object Debris).
Da all diese Faktoren gleichermaßen vorhanden sein müssen, liegt es nahe, warum die weiter oben genannten Muster eine so große Rolle innerhalb der modernen Buschfliegerei aufweisen – übrigens weit über den afrikanischen Kontinent hinaus.
4. Von den 1920ern bis heute: Die Geschichte medizinischer Fliegerei in Afrika
Schon zu Zeiten einer Royal Aircraft Factory B.E.2 optierte die Französin Marie Marvingt für MEDEVAC-Versuche. Ob derart frühe Muster jedoch praktisch geeignet gewesen wären, erscheint zweifelhaft.
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Bis auf ausgesprochen fragile oder gefailte Regionen, respektive Staaten ist medizinische Fliegerei heute in ganz Afrika südlich der Sahara vorhanden. Das heißt, binnen weniger Stunden kann ein Luftfahrzeug vor Ort sein – wenngleich es mitunter nötig ist, einen Patienten zu einem geeigneten Landeplatz zu transportieren.
Allerdings war das nicht immer so. Wohl war Afrika tatsächlich die Wiege der medizinischen Fliegerei, speziell der Luftrettung. Die maßgebliche Entwicklungsarbeit fand jedoch in anderen Weltregionen statt – namentlich Australien, Schottland und Nordamerika. Der erste nachgewiesene Vorschlag kam bereits 1910. Damals schlug die französische Pilotin und Krankenschwester Marie Marvingt vor, Patienten mit Flugzeugen zu evakuieren – sowohl vor als auch während des Ersten Weltkriegs (1914-1918) stieß sie damit jedoch bei der französischen Armee auf taube Ohren.
Zudem ist die Geschichte dieser Fliegerei aufs Engste mit der Entwicklung der Ersthilfe und Notfallmedizin verknüpft. Daher waren Luftfahrzeuge über weite Teile so gesehen lediglich Verkehrsmittel, die entweder Mediziner in Zielgebiete transportierten oder Verletzte abholten – ohne Möglichkeiten der Versorgung im Flugzeug.
Der afrikanische Teil dieser Geschichte beginnt zusammen mit den 1920er Jahren. Damals führte Großbritannien zahlreiche Gefechte und Kleinkriege in seinem afrikanischen Kolonialreich – ebenso, wie es Frankreich tat. Nachdem die Briten 1917 erstmals nachgewiesen einen verwundeten Soldaten auf der Sinai-Halbinsel ausgeflogen hatten, nutzten sie nach dem Krieg unter anderem bei Gefechten im heutigen Somalia einen modifizierten Doppeldecker-Bomber Airco DH.9A.
Dieser konnte hinter dem Piloten einen liegenden Patienten befördern – freilich ohne jegliche Versorgung während des Flugs. Allerdings erwies sich das generelle Konzept als äußerst brauchbar. Insgesamt sollen Briten und Franzosen in diesem Zeitraum mehrere Tausend Verwundete in Afrika auf dem Luftweg transportiert haben.
Doch obwohl die koloniale Geschichte Subsahara-Afrikas noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts andauerte, wurde es dort lange Zeit still um medizinische Fliegerei. Erst, als 1957 die Flying Doctors of East Africa in Kenia gegründet wurden und 1966 das südafrikanische Rote Kreuz Flugzeuge anschaffte, bekam die Thematik neuen Schwung.
Die Performance der Pilatus PC-6 (hier in schweizerischen Diensten) selbst in schwierigsten Gebirgsregionen ist legendär. Kein Wunder, dass sie sich Afrika ebenso bewährt wie beim Zirkeln durch die Schweizer Alpen.
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In den 1970ern geschahen schließlich zwei Dinge:
- In anderen Weltregionen entstand ein zunehmend dichtmaschiges Netz, insbesondere der hubschraubergestützten Luftambulanz.
- Davon ausgehend wurden immer mehr Prinzipien entwickelt sowie im Praxistest evaluiert, um Luftfahrzeuge mit medizinischer Hilfestellung zu kombinieren.
Wohl hatten Buschpiloten schon zuvor in Afrika Verletzte evakuiert oder Mediziner in Regionen gebracht. Aufgrund dieser Entwicklungen wandelte sich die Thematik jedoch weg von einem reinen Transport hin zu einer regelrechten fliegenden medizinischen Station.
Das Luftfahrzeug ist also technisch dauerhaft für den Transport von Kranken, Medikamenten und anderen Hilfsmitteln ausgerüstet. Außerdem besitzt es integrierte medizinische Gerätschaften, um während des Flugs eine adäquate Versorgung zu gewährleisten.
Dies ist übrigens der wichtigste Grund dafür, warum selbst vergleichsweise große Luftfahrzeuge nur wenige liegende Verletzte befördern können: Ein Großteil des restlichen Platzes wird für die zur Versorgung nötige Medizintechnik und das -personal benötigt.
Eines steht jedoch fest: Noch nie war die medizinische Fliegerei in Afrika so wichtig und leistungsfähig wie heute. Wohl wird der Kontinent sich weiterentwickeln und infrastrukturelle Lücken schließen. An seiner Weite wird sich jedoch nie etwas ändern – weshalb fliegende medizinische Versorgung dort auf absehbare Zeit der wichtigste Modus Operandi bleiben wird.
5. Fazit
Egal, ob es eine bloße Fleischwunde ist, die sich durch die harschen Umgebungsbedingungen stark entzündet, ob unmittelbar lebensbedrohliche Verletzungen oder schlicht die regelmäßige Versorgung entlegener Gebiete: In weiten Teilen Afrikas ist Luftambulanz nicht nur ein letztes Mittel für Notfälle, sondern ein zentraler Teil des medizinischen Systems.
Die afrikanischen Buschflieger in medizinischen Dingen sorgen unzählige Male jährlich für gerettete Leben, glimpflicher abgelaufene Verletzungen und eine verbesserte Bevölkerungsgesundheit. Nicht schlecht für einen Dienst, der etwa 25 Millionen Quadratkilometer zwischen Wüste, Savanne, tropischem Urwald und Hochgebirge abzudecken hat.