Flughafen Tirana
«Investoren haben das Potential erkannt»
aeroTELEGRAPH sprach in Tirana mit Flughafengeschäftsführer Constantin von Alvensleben über die aktuellen Entwicklungen seines Unternehmens.
Der CEO des Tirana International Airport, Constantin von Alvensleben
CEO Constantin von Alvensleben, TIA Pressesprecherin Arlinda Causholli mit dem Autor Martin Dichler.
Der CEO des Tirana International Airport, Constantin von Alvensleben
CEO Constantin von Alvensleben, TIA Pressesprecherin Arlinda Causholli mit dem Autor Martin Dichler.
Während chinesische Investitionen in Infrastruktureinrichtungen in Europa noch für viele ein Schreckgespenst sind, funktioniert am Flughafen der albanischen Hauptstadt Tirana, die Zusammenarbeit mit den neuen Investoren aus Hongkong sehr gut. Im Oktober 2016 wurde von der Regierung eine Flughafenkonzession für die Laufzeit von zehn Jahren an das Investmentunternehmen China Everbright Limited vergeben. Abseits des öffentlichen Interesses entwickelte sich der Flughafen Tirana bereits in den letzten Jahren überproportional stark. Das vom deutschen Vorstandsduo Constantin von Alvensleben (CEO) und Volker Wendefeuer (COO) geführte Unternehmen gewinnt am Balkan immer mehr an Bedeutung.
Gerne würde ich mit einem aktuellen Thema beginnen. Albanien war im vergangenen November von einem schweren Erdbeben betroffen, welche Auswirkungen hatte die Katastrophe auf den Flughafen Tirana?
Constantin von Alvensleben: Wir erlebten eine Schrecksekunde, das Erdbeben fand ja mitten in der Nacht gegen 03:30 Uhr statt und es waren zu diesem Zeitpunkt nur etwa 30 Personen im Terminal tätig, welcher daraufhin umgehend evakuiert wurde. Die Situation hatte sich aber sehr schnell beruhigt, es gab keine Schäden am Flughafen und bereits nach 30 Minuten konnten wir den Air Serbia Flug nach Belgrad wieder planmäßig abfertigen, wobei ich hier besonders die gute Zusammenarbeit mit den Behörden erwähnen möchte.
Bereits in der ersten Nacht, also nur 12 Stunden nach dem Erdbeben landeten die ersten Hilfsflüge mit Gerät und Mannschaften aus Griechenland, Italien, Serbien, Frankreich und der Türkei. Innerhalb der ersten sieben Tage wickelten wir täglich zwischen sieben und zehn Hilfsflüge ab, wobei alle Kosten für die Abfertigung der Maschinen vom Flughafen Tirana übernommen wurden. Darüber hinaus wurde unter den Flughafenmitarbeitern sehr schnell ein Freiwilligenchor unter der Leitung unserer erfahrenen Pressesprecherin Arlinda Causholli gegründet, die Hilfsmittel im Wert von umgerechnet 23.000 Euro direkt vor Ort an die Bedürftigen verteilt haben. Innerhalb von 24 Stunden hat der Flughafenbetreiber CEL außerdem eine Million Euro auf das Konto der Erdbebenhilfe gespendet! Wir wollten rasch handeln und haben dies auch kommuniziert.
Erwarten Sie negative Auswirkungen durch verunsicherte Touristen?
Ich kann derzeit keinen negativen Effekt ausschließen, aber wir können ihn derzeit noch nicht messen. Nach meinen Erkenntnissen tritt das Erdbeben schon bald wieder in den Hintergrund. Eigentlich kenne ich niemanden der aufgrund des Erdbebens seine Reise nach Albanien abgesagt hätte. Die Leute waren natürlich bestürzt und wir bekamen viele Anfragen und Unterstützung aus dem Ausland. Wir konnten die Menschen aber beruhigen, da es zwar an der Küste aber nicht am Flughafen Schäden gab.
Sie haben die Stelle des Chief Executive Officer im vergangenen September übernommen, waren aber bereits zwischen 2006 und 2007 in dieser Position tätig. Inwieweit hat sich der Flughafen Tirana seitdem entwickelt?
Die Kapazitäten sind bis auf einige kleine Anpassungen gleichgeblieben aber der Verkehr ist deutlich gewachsen. Das Personal ist ebenfalls angewachsen aber die wichtigen Positionen am Flughafen werden immer noch von den erfahrenen Leuten von damals, wie unserer Pressesprecherin, der Personalchefin, dem Airline Marketing Manager oder unserem Finanzvorstand (CFO) fortgeführt.
Hat sich der Flughafen TIA so entwickelt wie Sie es sich erhofft hatten?
Er hat sich sogar besser entwickelt als erwartet! Zu dem Zeitpunkt als wir den neuen Terminal im März 2007 in Betrieb genommen haben, hatten wir eine Verkehrsprognose, die wir inzwischen stark übertroffen haben. Gerade in den letzten drei bis vier Jahren ist der Verkehr hier am Westbalkan ja besonders stark angestiegen.
Was war der Motor für diesen Erfolg?
Ich sehe dafür eine Reihe von Gründen: Das Einkommen der Albaner ist gestiegen und die Einheimischen geben generell sehr gerne ihr Geld für Reisen aus, zusätzlich ist das Land von den westeuropäischen Individualtouristen entdeckt worden. Viele Europäer möchten eine Abwechslung von den massentouristischen Destinationen wie Mallorca haben und etwas Neues und Interessantes entdecken. Albanien hat mit seiner landschaftlichen Vielfältigkeit und seiner Geschichte sehr viel zu bieten. Die Wirtschaft und die ausländischen Investitionen im Land sind stark gestiegen wodurch auch der Geschäftsverkehr am Flughafen zugenommen hat. Und es gibt die Erwartungen, dass Albanien in die EU aufgenommen wird und schon allein diese Erwartung führt meiner Meinung nach zu mehr Verkehr.
Am Flughafen wird gebaut, gibt es die Notwendigkeit die bestehende Infrastruktur weiter auszubauen?
In den kommenden zwei Jahren investieren wir einen zweistelligen Euro-Millionen-Betrag in den Ausbau unseres Airfields. Aktuell arbeiten wir an einem neuen Taxiway, im kommenden Jahr wird die Piste saniert und zusätzliche Abstellpositionen werden ebenfalls errichtet, um den zunehmenden Verkehr abwickeln zu können. Im Terminal sind wir an manchen Spitzen schon an der Kapazitätsgrenze angelangt, weshalb wir nun mit den konkreten Planungen für einen weiteren Terminalausbau beginnen, dessen Baustart in den nächsten zwei bis drei Jahren beginnen könnte.
Können Sie uns einen aktuellen Überblick über die Entwicklung der Passagierzahlen geben?
Die Entwicklung ist sehr positiv und wir sind sehr zufrieden. Bis jetzt (Dezember 2019) haben wir knapp 13 Prozent mehr Passagiere als im Jahr zuvor verzeichnet. Wir sind nicht sicher ob wir diesen hohen Wert auch im kommenden Jahr halten werden können, aber wir sind optimistisch, dass wir wieder einen Zuwachs von plus 10 Prozent im Jahr 2020 verzeichnen werden.
Wizz Air hat gerade eine neue Verbindung nach Wien eröffnet, Easyjet, Pegasus und Norwegian fliegen auch neu nach Tirana. Erleben Sie gerade so etwas wie einen Low Cost Boom?
Es gibt eine sehr starke Nachfrage von Low Cost oder Budget Airlines. Wir sind aber kein Low Cost Flughafen, erfreuen uns aber natürlich an der starken Nachfrage. Es gibt keine Differenzierung bei den Gebühren für diese Airlines, wir unterstützen bei Bedarf die Fluglinien mit unseren Marktdaten oder beim Marketing und geben Incentives bei der Eröffnung neuer Routen.
Welche Bedeutung hat die Destination Wien?
Wien hat eine sehr große Bedeutung, ich würde sogar sagen, dass für den mittel- und westeuropäischen Verkehr der Hub Wien nicht zu schlagen ist. Mit den sehr guten Tagesrandzeiten der Austrian Airlines ist der Hub meiner Meinung nach für den Geschäftsreisenden sogar wichtiger als Frankfurt. Wir sind sehr glücklich, dass wir eine Anbindung an die beiden Lufthansa-Hubs in Wien und Frankfurt haben, hätten aber auch nichts dagegen, wenn wir noch München dazu bekommen würden.
Mit Albawings und Air Albania haben Sie gleich zwei Fluglinien, die am TIA beheimatet sind. Welchen Anteil tragen die Homecarrier an der positiven Entwicklung des Flughafens?
Einen steigenden Anteil, beide Airlines bedienen derzeit zwar nur 13 Prozent am Gesamtaufkommen, ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Wert weiter steigen wird. Albawings hat derzeit drei Boeing 737 im Einsatz und Air Albania hat als Turkish-Tochtergesellschaft eine Boeing 737-800 in Tirana stationiert. Air Albania entwickelt sich stark und wird in Kürze mit zwei zusätzlichen Flugzeugen das Geschäft hier kräftig weiterentwickeln.
Welche Rolle spielt der ethnische Verkehr?
Der ethnische Verkehr ist erheblich und spielt mit mehr als fünfzig Prozent am Gesamtaufkommen eine wichtige Rolle. Gerade hier sind natürlich unsere Strecken nach Italien besonders stark gefragt. Der Verkehr am Flughafen TIA teilt sich generell zu ca. 25 bis 30 Prozent auf die Hubs und zu 65 bis 70 Prozent auf den Point zu Point Verkehr auf.
Gibt es Strecken, die Sie noch gerne in ihr Portfolio aufnehmen würden?
Ein hoher Anteil unseres Verkehrs geht traditionell aufgrund der Geschichte Albaniens in Richtung Westeuropa und Nordamerika. Ostwärts sind wir zwar mit Istanbul und Athen gut angebunden aber doch noch etwas unterrepräsentiert. Eine zusätzliche Anbindung an einen der beiden Hubs am Golf würde mich aber auch noch sehr freuen!
Lassen Sie uns kurz über die touristische Entwicklung Albaniens sprechen. Die Besucherzahlen steigen stetig und es scheint gerade so, als würden die Touristen das Land neu entdecken. Welches Potential hat Albanien und wie sehen Sie die Zukunft des Tourismus?
Auch wenn der Tourismus aus Europa und den USA in den letzten Jahren erfreulich zugenommen hat, so denke ich, dass es hier noch ein großes Steigerungspotential gibt. Grundlegend ist Albanien noch ein weitgehend touristisch unbekanntes Reiseziel, das es noch zu entdecken gilt. Der Wachstumstrend wird deshalb weiter anhalten und meine Hoffnung ist, dass Albanien in die EU aufgenommen wird und dies zu einer weiteren Steigerung der Besucherzahlen führt.
Welche Vorteile würden eine EU-Mitgliedschaft bringen?
Ich glaube, dass der Business- als auch der touristische Verkehr weiter wachsen würden. Von seiner Infrastruktur, seinen Safety & Security Standards ist der Flughafen Tirana aber bereits heute auf europäischen Niveau. Wir arbeiten derzeit daran das alle EU Standards und EASA Anforderungen bis Ende 2020 erfüllt werden.
Im Oktober 2016 wurde der Flughafen Tirana an die Investmentgruppe (CEL) mit Sitz in Hongkong verkauft, wie läuft die Zusammenarbeit?
Die Zusammenarbeit ist gut und langfristig. Wie haben einen Konzessions-Vertrag mit der Regierung Albaniens bis ins Jahr 2027 und es ist nicht ausgeschlossen, dass es im Anschluss weitere Gespräche über eine Verlängerung gibt. Die chinesischen Investoren haben mit Sicherheit das zukünftige Potential des Flughafens erkannt. Es gibt aber auch eine historische Verbindung zwischen China und Albanien, weshalb zahlreiche weitere chinesische Investitionen in der Region getätigt wurden.