Blinde Passagiere
Kann man im Fahrwerk überleben?
Ein Teenager flog im Fahrwerk einer Boeing 767 über den halben Pazifik. Zu schön um wahr zu sein? Experten und Fakten stützen die Geschichte.
Bugrad einer Boeing 737: Wenig Raum für blinde Passagiere.
Bugrad einer Boeing 737: Wenig Raum für blinde Passagiere.
Eine Flugreise von 3880 Kilometer oder rund fünfeinhalb Stunden im Fahrwerk? Viele wollen die Geschichte des 15-jährigen Amerikaners* nicht so recht glauben, der an Ostern in einer Boeing 767 von Hawaiian Airlines von Kalifornien nach Hawaii flog. Kann man in einer Höhe von mehr als 11’000 Metern über Meer, bei Temperaturen von minus 40, minus 50 Grad in einem so kleinen Raum überhaupt überleben?
Man kann, sagen Experten:
Die Statistik: Seit 1947 zählte die amerikanische Aufsichtsbehörde FAA weltweit 105 blinde Passagiere, die ausserhalb der Druckkabine reisten. Von ihnen überlebten immerhin knapp ein Viertel oder 25. Drei Beispiele: Der bekannteste Überlebende ist Armando Socarrás. Er überstand 1969 einen Flug von Kuba nach Madrid im Fahrwerk einer DC-8 von Iberia. Im Jahr 2000 flog Fidel Maruhi von Tahiti nach Los Angeles und überlebte im Fahrwerk einer Boeing 747. 2010 flog ein junger Rumäne im Fahrwerk von Wien nach London.
Die Technik: In einem Forschungsbeitrag von 1996 über die Problematik (siehe Download-Link unten) weisen Experten der FAA darauf hin, dass sich die Reifen beim Start wegen des hohen Gewichts eines Großraumflugzeuges und der Reibung stark erwärmen. Zudem fließen durch den Fahrwerksschacht hydraulische Flüssigkeiten, die warm sind. Das kann einen blinden Passagier zumindest für eine gewisse Zeit vor den extremen Außentemperaturen schützen, weil vom Flieger Hitze abgegeben wird.
Der Körper: Forscher kennen den sogenannten poikilothermischen Effekt. Wenn die Körpertemperatur auf unter 27 Grad fällt, können die Körperfunktionen und der Sauerstoffbedarf massiv reduziert werden. Das ist etwa so, wie wenn Ärzte Patienten ins künstliche Koma versetzen. Dieser extreme Ohnmachts-Zustand hilft beim Überleben.
Doch macht das den Teenager glaubwürdig? Erst muss das FBI die Untersuchungen abschließen. Doch seine Geschichte scheint plausibel. Denn zum einen wurde er beim Übersteigen eines Zauns am Flughafen San Jose von Sicherheitskameras aufgenommen. Zum anderen gibt es offenbar auch Aufnahmen aus Hawaii, auf denen er beim Klettern aus dem Bugfahrwerk beobachtet wird, berichtet der TV-Sender ABC.
* In der ersten Meldung gab das FBI das Alter des Jungen mit 16 an. Inzwischen wurde es auf 15 korrigiert.