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Interview mit Bettina Ganghofer, Flughafen Salzburg

«Es geht uns hundsmiserabel dreckig»

Die Chefin des Salzburger Flughafens redet Klartext über die Situation regionaler Airports, Subventionen vom Staat und Frauen in der Luftfahrt.

Mit

Frau Ganghofer, werden Corona und der 2. Lockdown der Todesstoß für manche Flughäfen sein?
Ja, in Europa wird es auf alle Fälle Flughäfen und Airlines treffen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle europäischen Flughäfen unbeschadet aus dieser Krise kommen. Die ersten kleineren Flughäfen mussten schon Insolvenz anmelden oder stehen kurz davor. Die großen Hubs in Europa, von London, Paris, Frankfurt über Zürich bis Wien, sind auch schwer betroffen, haben aber ein längeres Durchhaltevermögen.

Bei der Insolvenz sprechen Sie von Paderborn?
Ja, Paderborn war der erste, und ich fürchte, dass weitere Flughäfen in Europa folgen werden, sollte es keinerlei finanzielle Unterstützungen oder Förderung durch die Regierungen geben, wie sie andere Verkehrsträger erhalten.

Wie beurteilen Sie die Lage der österreichischen Flughäfen?
Grundsätzlich haben wir in Österreich eine sehr gute Ausgangslage, da nahezu alle Flughäfen in den vergangenen Jahren – im Gegensatz zu vielen europäischen Mitbewerbern am Markt – sehr positive Betriebsergebnisse geschrieben haben und auch über hohe Eigenkapitalquoten verfügen. Das schafft in der Krise Luft für die Strecke, die noch vor uns liegt.

Wir werden es so lange aushalten, wie wir es aushalten müssen

Gilt das auch für Klagenfurt?
Die kleinsten Flughäfen unter den europäischen Regionalairports haben sicherlich die größten Herausforderungen in der Krise. Klagenfurt hat auch noch einen neuen Eigentümer. Die Perspektiven für diese kleinsten Regionalairports sind für mich sehr schwer abschätzbar.

Sie reagieren auf die Krise mit Kurzarbeit, einem Investitionsstopp und Sparprogrammen. Wird das zum Überleben reichen?
Natürlich wird das zum Überleben reichen, denn wir haben genügend Rücklagen, haben die Kosten im Griff und vermeiden unnötige Ausgaben. Meine größte Sorge ist nicht, ob der Flughafen überlebt, sondern mit welchem Personalstand er überlebt. Da ist das bereits dritte Kurzarbeitsprogramm der Regierung sehr hilfreich.

Welchen Zeithorizont haben Sie im Kopf, wenn Sie von längerem Durchhaltevermögen sprechen?
Wir werden es solange aushalten, wie wir es aushalten müssen. Noch besorgen wir uns die nötige Liquidität über Kredite, um die Kassen unserer Eigentümer Land Salzburg und Stadt Salzburg zu schonen. Aber so wie es sich momentan entwickelt, werden wir in der Folge Geld von außen brauchen.

Die österreichischen Flughäfen werden also letztendlich Geld von den Eigentümern benötigen?
Wir gehören zur kritischen Verkehrsinfrastruktur und müssen uns betriebsbereit halten. Mit Ausnahme der Kurzarbeit werden die Flughäfen von keinem Unterstützungsprogramm der Regierung erfasst und erhalten auch keine Subventionen. Daher stellt sich die Frage, ob zusätzliche Liquidität von den Eigentümern kommen muss oder nicht doch eher von der Bundesregierung in Wien. Begrüßenswert wäre in einem vereinten Europa natürlich ein europäischer Topf – das würde nicht nur den Airlines und Flughäfen, sondern auch der europäischen Wirtschaft helfen.

Gehört wurden wir, gemacht wurde bisher nichts

Was erwarten Sie konkret?
Ich erwarte konkret, dass diese Diskussion offen aufgenommen wird und dass überlegt wird, wie den regionalen Verkehrsflughäfen, aber auch dem Flughafen Wien, unter die Arme gegriffen werden kann. Bei Fluggesellschaften oder Bahnunternehmen ist das ja bereits erfolgt – warum also nicht auch bei den Flughäfen?

In Deutschland hat es kürzlich einen Luftfahrtgipfel gegeben, die Flughäfen hoffen dort auf eine Milliarde Euro an Unterstützung. Soll es in Österreich auch so einen Gipfel geben?
Ich erwarte mir einen offenen Dialog, ein Bekenntnis zur Infrastruktur Flughäfen und eine Antwort der Regierung, was sie bereit ist dafür zu tun. Bestimmte Unterstützungsleistungen müssen für alle zugänglich sein, die Flughäfen haben auf alle Fälle den gleichen Anspruch wie jedes andere Wirtschafts- oder Industrieunternehmen in Österreich.

Haben Sie da schon positive Signale?
Gehört wurden wir, gemacht wurde bisher nichts. Es wird an uns Flughäfen liegen, dass unsere Anliegen und Nöte auch weiterhin gehört und ernst genommen werden.

Sie haben ja einen guten Überblick – ist die Lage für die Regionalflughäfen in Europa, und im Vergleich Österreich, Deutschland, Schweiz, überall gleich schlecht, oder gibt es da Unterschiede?
Es mag den einen oder anderen regionalen oder saisonalen Unterschied geben, aber nein, wir sind hier alle im gleichen Korsett gefangen. Europa leidet im weltweiten Vergleich unter den Einschränkungen im Flugverkehr am allermeisten. Und die kleineren Flughäfen leiden da überproportional, weil sie nicht so finanzstark aufgestellt sind wie die größeren. Dem Luftverkehr fehlen 80 – 90 Prozent der Einnahmen, und das Monat für Monat, es geht uns hundsmiserabel dreckig, so ehrlich und direkt muss man an dieser Stelle sein.

Für die internationalen Anbindungen ist es unabdingbar, dass wir wenigstens Wien stabilisieren können

Kann man die Krise sinnvoll nutzen? Zum Beispiel für notwenige Sanierungen? Oder scheitert das am fehlenden Geld?
Um Gottes Willen, in der Krise nichts zu tun, wäre ja verwerflich. Wir haben uns sehr schnell die Karten gelegt, was zu tun ist. Ein ganz großer Baustein sind da unsere Zukunftsprojekte, wie die Erneuerung unseres Abflugbereiches, der nicht mehr den technischen und baulichen Anforderungen unserer Zeit entspricht. Und wir arbeiten an einer Organisationsadaptierung, weil ein Großteil unserer Führungsmannschaft in näherer Zukunft in Pension gehen wird. Dieses Projekt haben wir vorgezogen und beschleunigt. Und sonst ist alles was bisher „nice to have“ war, jetzt ein «not to have».

2020 kann man abhaken, haben sie gesagt. Schauen wir in die Zukunft. Wie kommen wir aus der Krise wieder heraus?
Da das Virus nicht einfach aufgibt, müssen wir lernen, mit ihm besser umzugehen. Und wir müssen in der EU einen Weg für einheitliche Regelungen finden, damit nicht jeder tut, was er gerade möchte. Wenn das funktioniert, wird es auch wieder nennenswerten Flugverkehr geben.

Der Flughafen Wien, die AUA und auch die Lufthansa versuchen, mit verpflichtenden Corona-Schnelltests für Passagiere das Vertrauen ins Fliegen wiederherzustellen. Ist das eine adäquate Möglichkeit?
Der Schnelltest alleine nicht, denn es braucht ja auch die weltweite Akzeptanz durch die Behörden. Aber es ist sinnvoll, es zu probieren, und ich bin Wien dankbar, dass es sich als Testpilot zur Verfügung gestellt hat. Denn für die internationalen Anbindungen ist es ja unabdingbar, dass wir wenigstens Wien wieder stabilisieren können. Es muss also einheitliche, anerkannte und vor allem schnelle Testverfahren, einheitliche Reiseregelungen im EU-Binnenmarkt und klare Grenzregelungen gegenüber Drittstaaten geben.

Warum ist es denn so schwierig daran, solche einheitlichen Regelungen in Europa zustande zu bringen?
Weil wir souveräne Staaten haben und jeder einzelne Staat in der EU in der Verantwortung gegenüber seinen Bürgern steht. Jeder hat Angst, etwas verkehrt zu machen. Das ist nicht außergewöhnlich. Aber jetzt, nach so langer Zeit, könnte man sich schon – lieber schnell als langsam – auf einen gemeinsamen Weg einigen.

Die Preisgestaltung einer Fluglinie ist wie die eines Möbelhauses

Neben Corona ist auch das Umweltthema für die Flughäfen herausfordernd. Die Anschlussflüge Wien – Salzburg sind durch die Bahn ersetzt worden. Weitere werden folgen, wie Graz – Wien und Klagenfurt – Wien. Welche Konsequenzen hat denn das für Regionalflughäfen?
Unmittelbar keine.

Warum?
Die nationale Seele schmerzt das natürlich, denn man ist ja gerne mit der Hauptstadt verbunden. Wichtig für die Regionalflughäfen ist grundsätzlich eine gute Anbindung an Hubs, damit mit einmal Umsteigen Ziele in der ganzen Welt erreicht werden können. Wien war bisher einer der Hubs, die von Salzburg aus angeflogen wurden, aber der Wegfall dieser Strecke heißt ja nicht, dass wir keine Anbindung an andere Hubs mehr haben. Ich kann über Frankfurt fliegen, über Düsseldorf, London, oder über Istanbul. Für Salzburg würde auch eine Verbindung nach Zürich Sinn machen, daran arbeiten wir gerade.

Es schmerzt also Wien mehr als Salzburg?
Die AUA hat sich entschieden, nur mehr in Wien vertreten sein zu wollen und hält die Anbindung an die Bundesländer nur mit der Bahn offenbar für ausreichend. Die Konsequenzen werden mit der Zeit sichtbar werden. Laut einem aktuellen Artikel im Kurier haben die ÖBB für die Strecke Wien – Linz für das erste Jahr der Bahnanbindung an den Flughafen Wien 300.000 Passagiere prognostiziert. Geworden sind es 100.000 in fünf Jahren. Viele Passagiere sind also abgewandert und wählen zum Beispiel andere Flughäfen als Ausgangspunkt ihrer Reise. Sie wählen immer den einfachsten und schnellsten Reiseweg.

Was halten Sie von den angekündigten Mindestpreisen für Flüge?
Wir hatten nur eine Ultrakurzstrecke, das war Wien. Die Preisgestaltung einer Fluglinie ist wie die eines Möbelhauses. Es gibt Lockangebote und normale Angebote. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man Lockangebote, weil sie einem von der Höhe her nicht gefallen, verbieten kann. Es wird sich in der Verkaufs- und Werbestrategie mancher Fluggesellschaften ein wenig ändern, an der Tatsache, dass einige Fluggesellschaften billiger produzieren als andere, wird auch ein Mindestpreis bei den Flügen nichts ändern.

Ich glaube, es interessieren sich mehr Frauen für die Luftfahrt als wir glauben

Wann werden die Flughäfen wieder so etwas haben wie Normalbetrieb?
Ich denke, zwischen 2024 und 2026 wird sich das wieder eingependelt haben.

Zum Schluss Frau Ganghofer: sie sind eine der wenigen Frauen in der Luftfahrt in Managementverantwortung. Warum interessieren sich so wenige Frauen für Luftfahrt?
Ich glaube, es interessieren sich mehr Frauen für die Luftfahrt als wir glauben. Wir in Salzburg beschäftigen 60% Männer und 40% Frauen, so ist auch das Verhältnis im Management. In vielen anderen Flughäfen ist es aber anders. Und ich frage mich, ist es so, weil es keine geeigneten Frauen gibt, weil die Männer noch geeigneter waren, oder sind es sonstige Gründe. Frauen in Management-Positionen nur als Alibi, das ist kein gesundes Verständnis. Davon müssen wir wegkommen und die richtigen Personen, Frauen wie Männer, in den Positionen einsetzen, in welche sie hingehören.

Kann ein Grund sein, dass sich weniger Frauen für Technik interessieren?
Ich bin auch nicht technikaffin. Als Manager muss man einen breiten Rücken haben, man muss sich um die Belegschaft kümmern und bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Das alles können Frauen gleich gut oder gleich schlecht wie Männer. Wir haben im gesamten DACH-Raum in den Vorständen und Geschäftsführungen aller knapp 60 Flughäfen sechs Frauen. In Stuttgart, München, Berlin, Frankfurt, Rostock und Salzburg. Ich wäre begeistert, wenn es zukünftig bei den restlichen 54 Flughäfen mehr Frauen in Führungspositionen gäbe.

 

Bettina Ganghofer (57), geboren in Bremen, absolvierte ein Managementstudium an der University of Lancaster, das sie mit dem Master of Art abschloss. Sie war 24 Jahre im Lufthansa-Konzern in beschäftigt, bevor sie im April 2009 zur Mitteldeutschen Flughafen AG gewechselt ist. Eine Unternehmensgruppe, zu der die Unternehmen Flughafen Leipzig/Halle GmbH, Flughafen Dresden GmbH sowie das Bodenabfertigungsunternehmen PortGround GmbH gehören. Dort war sie in unterschiedlichen Management- und Führungspositionen tätig.

Am 1. Januar wurde sie zur alleinigen Geschäftsführerin der Flughafen Salzburg GmbH in Salzburg berufen, die zu 75 Prozent dem Land Salzburg und zu 25 Prozent der Stadtgemeinde Salzburg gehört. Neu ist sie auch Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft österreichischer Flughäfen.