Luftfahrtzulieferer FACC
Erfolgsformel leicht aber stahlhart
Den Luftfahrt-Zulieferkonzern FACC trifft die Krise der Flugzeugbauer hart. Mit Innovationen und Zukäufen will er sie gestärkt überwinden. Michael Csoklich hat mit FACC CEO Robert Machtlinger das folgende Interview geführt.
Zulieferer FACC leidet auch unter der Coronakrise
Zulieferer FACC leidet auch unter der Coronakrise
Zur Person:
CEO Robert Machtlinger ist 53 Jahre alt und ein „Urgestein“ von FACC. Er startete seine Berufslaufbahn 1982 mit einer Lehre als technischer Zeichner bei Fischer in Ried im Innkreis, wo FACC gerade als kleine Abteilung entstanden war. 1988 wechselt er zu FACC, bildet sich nebenberuflich weiter und klettert die Führungshierarchie hinauf. 2011 wird er Technikvorstand, 2017 zum CEO ernannt.
FACC ist mehrheitlich im Eigentum des chinesisches AVIC-Konzerns und notiert an der Wiener Börse.
Herr Machtlinger, Ihre wichtigsten Kunden sind Airbus und Boeing, beide stecken tief in der Krise, Boeing wegen der 737MAX noch tiefer. Gibt es Licht am Ende des Tunnels?
Die Hälfte unseres Umsatzes machen wir mit Airbus, 15% mit Boeing. Beide Hersteller haben ihre Fertigung stark reduziert und produzieren auf Halde, weil die Fluggesellschaften ja keine neuen Flugzeuge brauchen. Das wird sich aber in den nächsten Quartalen wieder verändern, sobald diese Flugzeuge ausgeliefert werden.
Wie wirkt sich das konkret auf FACC aus?
Wir fertigen alles in reduzierter Stückzahl, keine Produktion ist gänzlich eingestellt worden. Zeitverzögert zu den Auslieferungen der Flugzeuge werden dann auch wieder höhere Bauraten bei FACC kommen.
Sie liefern auch für das russische Flugzeug Sukhoi und das chinesische Comac. Ist die Lage dort vergleichbar?
Bei den Chinesen nicht, da hat sich nichts verändert. Auf der ARJ21 haben wir eine Baurate von drei Flugzeugen im Monat, das ist wie vor der Krise. Allerdings ist das Marktvolumen natürlich nicht mit Airbus und Boeing zu vergleichen.
Bei FACC ist im Schnitt die Hälfte der Belegschaft auf Kurzarbeit. Ende September, wenn diese ausläuft, werden Sie sich wahrscheinlich von mehr als 700 Beschäftigten trennen müssen. Wie gehen Sie als Chef damit um?
Da blutet einem das Herz. Jeder Beschäftigte ist ja Bestandteil des Erfolgs. Wir haben alles versucht, das zu vermeiden. Weil die Krise aber sehr lange dauern wird, ist ein Modell der Teilzeitbeschäftigung über vier, fünf Jahre nicht umsetzbar. Daher mussten wir diese Entscheidung treffen.
Wie sehr ist man in so einer Krise Mensch, wie sehr Manager?
Ich glaube, man ist immer Mensch, sonst würden Maschinen für uns Entscheidungen treffen. Das macht im Wesentlichen dann auch ein Management aus – menschlich zu bleiben.
Wachsen ist besser als schrumpfen, haben Sie gemeint. Ist Krisenmanagement nicht die spannendere Herausforderung?
Die Aufgabe des Managements ist es das zu tun, was notwendig ist. Das kann einmal wachsen sein, einmal akquirieren sein, und in Zeiten wie diesen gilt es, das Unternehmen an den Markt anzupassen. Einmal so, einmal so.
Beides gleich wichtig, aber das eine ist angenehmer als das andere.
Ich glaube, das liegt in der Natur der Sache.
Der Vorstand verzichtet in der Krise auf 20% seines Nettogehalts, diese Summe fließt in einen Härtefallfonds. Was tut der Fonds?
Er hilft Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Notfällen. Den Fonds gab es schon vor Corona, jetzt fließt auch das Geld aus dem Vorstand in den Fonds.
Um mehr Mitarbeiter halten zu können, haben Sie beschlossen, künftig Teile fertigen zu wollen, die bisher zugekauft worden sind. Was wird das sein?
Das können Toiletten sein, aber auch Strukturkomponenten, die wir derzeit im Ausland fertigen lassen. Die werden wir zurückholen und hochqualifizierte Mitarbeiter beschäftigen. Darüber hinaus haben wir Bauteilgruppen, die wir bisher zugekauft haben, zur Kernkompetenz erklärt und fertigen sie selbst. Wie einen Großteil der Möbel für Business Jets.
Ins Reparaturgeschäft sind Sie ja auch eingestiegen.
Ja, weil wir Experten bei Leichtbaukomponenten sind. Auch Composite kann man reparieren, und Reparaturen von Flugzeugen entwickeln sich zunehmend von Metallstrukturen in Richtung Composite. Da gibt es großes Potential, deshalb engagieren wir uns da.
FACC ist ja führend auf dem Gebiet des Composite-Materials. Was ist denn das besondere an dem Material?
Das sind Verbundmaterialien, die aus vielen Fasern bestehen, sei es Karbon- oder Glasfasern, die mit Klebstoff imprägniert sind. Für jedes Werkstück werden vielen Lagen dieses Materials übereinander gelegt. Wo die Belastung hoch ist, mehr Lagen als bei wenig beanspruchten Stellen. Ein komplexer Bauteil kann bis zu 2000 Lagen und Zuschnitte haben und hat nach der Aushärtung eine Festigkeit wie Stahl.
Das Material ist sehr fest und sehr leicht, geht im Flugzeugbau heute überhaupt noch etwas ohne Composite-Materialien?
Nein. Neue, moderne Flugzeuge wie die A350 oder Boeing 787 bestehen zu 50% aus Leichtbau. Unsere Materialen haben höhere Festigkeitswerte als Stahl, aber nur ein Viertel des Gewichts.
FACC ist führend bei Flugzeug-Inneneinrichtungen, bei Triebwerkskomponenten wie der Schubumkehr oder bei den Treibstoff-sparenden Winglets. Welcher ist der wichtigste Bereich für Sie?
Es sind alle drei gleich wichtig. FACC hat damit gegenüber der Konkurrenz ein Alleinstellungsmerkmal, weil unsere Produkte überall im Flugzeug zu finden sind, und das in praktisch allen modernen Flugzeugen.
Was sind die Stärken, die FACC zu einem Weltmarktführer machen?
Unsere Stärke ist, dass wir von der Grundlagenforschung bis hin zur Serienfertigung alles anbieten und damit ein sogenannter turn key Partner sind. Das zeichnet uns einfach aus. Unsere Spezialität sind im Innenraum die Hauptkabinen, Seitenverkleidungen, Gepäckablagefächer und Deckenpaneele, da sind wir die Nummer Zwei hinter Boeing. Im Wingletbereich sind wir der größte Hersteller mit bisher 20.000 produzierten Winglets, und im Bereich der Schubumkehrer gehören wir zu den Top 5.
Haben Sie Konkurrenten?
Natürlich! Es gibt etwa 20 bis 30 wesentliche Konkurrenten, meist größere Unternehmen, und so wie FACC sogenannte Tier 1 Lieferanten.
Sie haben ja Aufträge im Wert von 6 Milliarden US$ in den Büchern. Was sind diese angesichts der Krise wirklich wert?
Die haben für uns einen sehr hohen Wert, weil es fixe Verträge mit dahinterstehenden OEMs (Original Equipment Manufacturer) sind. Mit diesem Order-Backlog können wir planen, und es gibt eine Gewissheit über mehrere Jahre hinweg.
Sie bauen ja die Drohne ihres Partners eHang, wie weit sind Sie da, dürfen Sie in Europa schon fliegen?
Wir sind mit der Entwicklung fertig, während Corona haben wir getestet und mit der Austro Control über Flugtestgenehmigungen verhandelt. In China fliegt die Drohne schon als Flugtaxi auf einer definierten Strecke, in Österreich und der gesamten westlichen Welt wird es vielleicht zur Mitte des Jahrzehnts so weit sein.
Forschung und Entwicklung ist für FACC sehr wichtig, da wird trotz Krise kaum gespart. Woran wird denn da gerade gearbeitet?
Für uns sehen wir drei Bereiche: die Weiterentwicklung bestehender Bauteile, Klimaschutz und Lärmreduzierung sowie neu die Coronaforschung.
Können Sie uns Beispiele nennen?
Es gibt ein sehr gutes Beispiel: durch unsere Winglets hat die Boeing 737NG Flotte etwa 60 Mrd. Liter Treibstoff über 15 Jahre gespart. Eine Weiterentwicklung von uns senkt jetzt den Verbrauch um weitere 30 Mrd. Liter. Grundsätzlich geht es bei dieser Bauteiloptimierung darum, bestehende Bauteile noch leichter, leiser, verbrauchsärmer oder effizienter zu machen, ohne dass es neu zugelassen werden muss. So verbessert sich die Effizienz der Flugzeuge um 0,5 bis 1% pro Jahr.
Im Bereich Akustik haben Sie ja auch Innovationen vorzuweisen.
Ja, das ist auch ein Asset von uns: bei den Triebwerken haben wir eine akustische Oberfläche entwickelt, die mit Millionen von Löchern das Triebwerk um vieles leiser macht.
Es gibt ja strenge Vorschriften, wie Bauteile im Flugzeug auszulegen sind, was sie aushalten müssen. Gepäckfächer müsse zum Beispiel eine Belastung von 16 G aushalten. Ist das wirklich notwendig?
Es gibt bei den Bauteilen eine Grundbelastung, die beim normalen Fliegen entsteht. Dann gibt es Aufschläge für besondere Belastungen, wie harte Landungen, und am Ende gibt es noch einen Sicherheitsaufschlag von 50%. Nehmen wir die Gepäckablagefächer im Fall einer sehr harten Landung, bei der das Flugzeug Schaden nimmt, sonst aber nichts weiter passiert. Es wäre doch schlimm, wenn die Passagiere normal aussteigen hätten können, aber durch das Gepäck zu Schaden gekommen wären.
Und 16 G bedeutet in dem Fall was?
Dass man an ein Gepäckablagefach, in das 125 kg Gepäck passen, ein Auto mit zwei Tonnen Gewicht anhängen kann, ohne dass es bricht.
Woran forschen Sie auf Grund von Corona? Man liest ja immer wieder von Trennwänden zwischen den Sitzen, oder von Sitzen die anzeigen, ob sie desinfiziert worden sind.
Eine Trennwand ist keine optimale Lösung, auch wenn sie dem Passagier ein gewisses Gefühl der Sicherheit gibt. Das Um und Auf ist die Klimatisierung der Kabine. Die ist schon sehr gut, jetzt gilt es, die letzten paar Prozent der Viren, die die Filter nicht abtöten können, zu schaffen. Da geht es jetzt zum Beispiel darum, die Luftführung der Klimaanlage weiter zu verbessern.
Was wird Corona in der Kabinenausstattung bringen?
Eine noch bessere Luftreinigung, und wahrscheinlich wird es bald neue Sitzkonfigurationen mit größeren Abständen zwischen den Passagieren geben. Das wird aber noch einige Jahre dauern, denn das kostet Geld. Es wird wegen Corona in allen Bereichen des Fliegens, aber auch anderen Bereichen des öffentlichen Verkehrs, Verbesserungen und Maßnahmen geben. Die werden perfektioniert werden, und in zehn Jahren wird es einiges geben, an das wir heute noch gar nicht denken.
Sie glauben, dass die Krise 2024, 2025 überwunden sein wird. Wo soll FACC dann stehen?
Wir werden uns auf Grund der Auftragslage organisch entwickeln können. Darüber hinaus wollen wir Marktanteile gewinnen und auch anorganisch wachsen. Durch Übernahmen von Lieferanten, die zu uns passen.