Letzte Aktualisierung: um 19:39 Uhr

Interview mit John Plueger, Air Lease Corporation

«Einige Bedenken hinsichtlich der Zertifizierung der 777X»

John Plueger ist Chef der Air Lease Corporation. Im Interview spricht er über Bedenken bei der Boeing 777X, Verspätungen bei Airbus sowie Elektro- und Überschallflieger.

Auf der Paris Air Show im Juni waren Sie bezüglich des Airbus A321 XLR sehr optimistisch. Boeing plant auch das NMA. Wie sehen Sie diesen Markt?
John Plueger*: Ja, wir mögen den A321 XLR. Er ist ein großer Teil der Kundennachfrage. Wir glauben, dass er die kleinere Größe von dem anspricht, was Boeing sich als NMA vorstellt (in einer größeren und kleineren Version). Es bleibt abzuwarten, ob dieses Programm vom Markt akzeptiert wird und wirtschaftlich so realisierbar ist, dass es zu einem überzeugenden Preis entwickelt und an Airlines ausgeliefert werden kann. Diese Punkte sind also noch offen. Wir werden das beurteilen und wir sprechen mit Boeing, während sie sich weiter mit dem NMA befassen. Ich denke jedoch, es ist offensichtlich, dass Boeing im Moment die absolute Priorität darauf setzt, die Max wieder in Betrieb zu nehmen.

Was erwarten Sie: Wann fliegt die Boeing 737 Max wieder?
Ich weiß es nicht und ich werde nicht spekulieren. Das große Fragezeichen bleibt die Rezertifizierung nicht nur durch die FAA, sondern auch durch die Easa und die anderen Aufsichtsbehörden. Das ist immer noch eine große Unbekannte. Eigentlich sollten wir bis Ende des Jahres 27 weitere Max zur Auslieferung bekommen. Aber alle unsere Max sind bisher für Nicht-US-Betreiber bestimmt. Daher ist das von den ausländischen Zertifizierungen abhängig und Stand heute erwarten wir keine weiteren Lieferungen bis Ende dieses Jahres. Bei einer früheren Zertifizierung durch ausländische Behörden, einschließlich der Easa, könnte sich das ändern. Aber im Moment rechnen wir nicht damit.

Wie schlimm ist das Grounding der Max für Ihr Unternehmen?
Zum Zeitpunkt des Groundings hatten wir nur 15 dieser Flugzeuge an verschiedene Airlines verleast, während unsere gesamte Flotte mehr als 300 Flugzeuge umfasst. Als Air Lease Corporation sind wir mehr besorgt über die Auswirkungen, die das auf unsere Kunden hatte. Wir mögen es nicht, wenn unsere Kunden enttäuscht sind, und wir arbeiten eng mit Boeing zusammen, um die Folgen zu minimieren.

Für den A321 ist ein verbessertes Produktionssystem nötig

Sprechen Sie mit Boeing auch über Entschädigungen?
All diese Gespräche sind vertraulich. Wir arbeiten jedoch mit Boeing an einer Reihe konstruktiver Lösungen, um unseren verschiedenen Airline-Kunden zu helfen und die finanziellen Auswirkungen auf ALC zu minimieren. Es handelt sich um einen vielschichtigen Ansatz, der finanzielle Unterstützung, die Verlängerung von Leasingverträgen und andere Aspekte von Flugzeugauslieferungen umfasst.

Interessieren Sie sich für die Boeing 777X?
Wir haben keine 777X bestellt, daher befinden wir uns derzeit nicht auf dieser Kundenliste. Wir bräuchten eine größere Anzahl von Airline-Kunden, die sich für die 777X entschieden haben. Außerdem schauen wir uns den Zeitplan für Auslieferungen und Zertifizierung des Flugzeuges an. Es gab Verzögerungen. Wir haben einige Bedenken hinsichtlich des Triebwerkes und der endgültigen Zertifizierung des Fliegers. Kürzlich gab es einen weiteren Rückschlag bei einem Drucktest des Flugzeuges. Momentan ist es für uns verfrüht, das wirklich zu kommentieren, und wir haben derzeit keine Aufträge für die 777X.

Airbus hatte in letzter Zeit einige Probleme mit der Produktion der A320-Neo-Familie. Verspätete Lieferungen des A321 Neo an IAG und Jetblue sind nur zwei Beispiele. Macht Ihnen das Sorgen?
Wir haben seit fast 18 Monaten industrielle Verzögerungen bei Airbus und diese Verzögerungen dauern an. In erster Linie handelt es sich um A321-Neo-Lieferungen aus dem Hamburger Werk und um Verzögerungen beim A330 Neo. Diese Verzögerungen sind störend für unsere Kunden. Deshalb arbeiten wir mit Airbus zusammen, um diese Verzögerungen zu minimieren. Dennoch gibt es ein sehr herausforderndes Industrieprogramm und insbesondere für den A321 ist ein verbessertes Produktionssystem nötig. Ich weiß, dass Airbus alle erdenklichen Schritte unternimmt, um dieses Programm wieder auf Kurs zu bringen, aber wir glauben, dass wir auch in den nächsten ein bis zwei Jahren noch Verzögerungen sehen werden.

Glauben Sie, dass es einen interessanten Leasingmarkt für gebrauchte Airbus A380 geben wird?
Nein, ich sehe keinen starken Gebrauchtmarkt für den A380.

Schwierig, die Wirtschaftlichkeit eines Überschallfliegers zu sehen

Könnten Sie sich vorstellen, eines Tages Flugzeuge aus Russland oder China zu kaufen von UAC oder Comac? Und was wären die Anforderungen?
Das ist heute schwer vorstellbar. Wenn wir jedoch eine ausreichende Anzahl von Fluggesellschaften mit einem starken Interesse auf der ganzen Welt sehen, wären diese Flugzeuge potenzielle Kandidaten, insbesondere die chinesischen Comac-Flugzeuge. Aber ich denke, dass wir noch weit davon entfernt sind. Es geht mir dabei nicht so sehr um die brandneuen Flugzeuge, sondern um das Folge-Leasing als gebrauchte Flugzeuge mit dem zweiten und dritten Betreiber. Dafür muss man eine sehr starke Kundenbasis haben. Und es bleibt die Frage, ob chinesische oder russische Hersteller in der Lage sind, den Support überall dort zu gewährleisten, wo die Flugzeuge weltweit eingesetzt werden. Dies ist eine wichtige Überlegung bei Produkten, die nicht von Airbus oder Boeing stammen.

Was werden wir zuerst sehen: Elektroflugzeuge auf Kurzstreckenflügen oder erneut Überschallflüge über den Atlantik?
Ich denke, dass ein zunehmender Fokus sowohl bei Airbus als auch bei Boeing auf Flugzeuge gerichtet ist, die alternative Energieformen nutzen können. Ich weiß, dass Airbus derzeit viel an elektrisch angetriebenen Flugzeugen arbeitet. Es wird sehr interessant sein zu sehen, wie das auf große Verkehrsflugzeuge anwendbar ist.

Aber ist beides für Sie interessant? Oder ist die Nachfrage Ihrer Meinung nach zu gering?
Obwohl die Technologie vorhanden ist, um den Überschallknall über Land zu minimieren, wird viel mehr Treibstoff benötigt, um ein Flugzeug mit Überschallgeschwindigkeit zu betreiben. Daher ist es derzeit schwierig, die Wirtschaftlichkeit eines Überschallfliegers für kommerzielle Fluggesellschaften zu sehen. Dagegen können Flugzeuge mit alternativen Energieformen, die entweder als Ergänzung oder als primäre Energiequelle genutzt werden, in Abhängigkeit von normalen Standards wie Nutzlast – Reichweite wirtschaftlich rentabel sein. Ich glaube, dass alle Dinge, über die wir im Hinblick auf den normalen kommerziellen Betrieb nachdenken, an ein elektrisch oder alternativ angetriebenes Flugzeug anpassbar sind. Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir eine kommerzielle Anwendung im großen Stil sehen werden. Aber es ist heute politisch ein sehr heißes Thema im Hinblick auf die nächsten 20 oder 30 Jahre der Entwicklung der Luftfahrtindustrie. Wir beobachten das sehr genau.

*John L. Plueger ist CEO und Präsident des Leasingunternehmens Air Lease Corporation ALC. Seit 31 Jahren arbeitet er in der Luftfahrtbranche und seit 2010 für ALC. Er besitzt selber eine Pilotenlizenz und verschiedene Musterberechtigungen.