Roland Hüser, Flughafen Paderborn/Lippstadt
«Eine Turkish-Airlines-Anbindung ans Drehkreuz Istanbul wäre interessant für uns»
Seit zwei Jahren ist Roland Hüser Chef des Flughafens Paderborn/Lippstadt. Im Interview spricht er über seine Pläne für mehr Billigflüge, über Kannibalisierung zwischen Drehkreuzen, über das Wunschziel Istanbul und über Chancen durch Elektroflieger.
Chef Roland Hüser, Airport Paderborn/Lippstadt: Mehr Ziele und Reisende anvisiert.
Chef Roland Hüser, Airport Paderborn/Lippstadt: Mehr Ziele und Reisende anvisiert.
Von Mitte November bis Ende Februar kann man ab Paderborn/Lippstadt fünf Ziele anfliegen: München mit Lufthansa, Palma de Mallorca mit Eurowings, Alicante mit Ryanair, Antalya mit Corendon und Hurghada mit Freebird. Im Hochsommer 2023 waren es 14 Destinationen. Ist das ausreichend, oder arbeiten Sie daran, weitere Ziele in den Flugplan zu bekommen?
Roland Hüser*: Wir haben bisher eine Fokussierung auf den Pauschalreiseverkehr: die beiden Massenvolumenmärkte Mallorca und Antalya, plus im Sommer die griechischen Inseln und Kanaren. Damit könnten wir einen Zuwachs auf 700.000 Passagiere erreichen, nach 500.000 im Jahr 2022. Dann ist das Potenzial weitestgehend ausgeschöpft. Von hier kann man sinnvoll etwa 25 Mal pro Woche nach Mallorca oder Antalya fliegen, aber nicht 50 Mal. Irgendwann ist der Markt gesättigt. Nur über neue Destinationen können wir weiterwachsen.
Und was für Ziele haben Sie da im Kopf?
Besonders Ziele mit einem Fokus auf Individualreisen. Das könnten Städte sein in Kroatien, Spanien, Portugal oder in Italien, die Pauschalreiseanbieter ab Paderborn nicht ansteuern. Aber Low Cost Airlines könnten das tun. Außerdem ist der sogenannte «Visiting friends and relatives»-Verkehr wichtig, denn hier in der Region leben zum Beispiel viele türkisch- und italienisch-stämmige Menschen. Daher war es so wichtig für uns, mit Ryanair mit einem ersten Low Coster ins Geschäft zu kommen, um Wachstumspotenzial zu heben.
Ryanair fliegt hier erst seit März 2023. Warum hat das nicht früher geklappt?
Wir waren lange skeptisch bei klassischen Low Cost Airlines. Jetzt haben wir es nach intensiven Verhandlungen geschafft, mit Ryanair positive Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. Das war für uns die Voraussetzung für eine Zusammenarbeit, denn wir wollen uns keinen Verkehr kaufen. Und das ist auch ein Schlüsselfaktor, um das Wachstum unseres Flughafens voranzutreiben.
Sie setzen also auf weitere Billigflug-Verbindungen?
Bei Ryanair haben sich die Flüge nach Alicante und Malaga mit hoher Auslastung schon sehr gut entwickelt. Und es sind weitere Ziele vorstellbar. Grundsätzlich sprechen wir mit allen Airlines über neue Routen.
Eine weitere große Billigfluglinie ist Wizz Air.
Wizz Air ist ein langjähriger, guter Partner, der regelmäßig für Ausweichlandungen zu uns kommt. Denn sie haben eine starke Präsenz in Dortmund, wo es keinen 24-Stunden- Betrieb gibt.
Wizz Airs Fokus liegt auf Osteuropa. Ist das interessant für Sie?
Auf jeden Fall. In unserer Region leben beispielsweise viele polnisch-stämmige Menschen. Und die Tönnies-Gruppe hat hier viele osteuropäische Mitarbeiter. Daher bin ich sicher, dass es auch bei uns einen Markt gibt. Und wir haben operativ viel zu bieten – hier gibt es etwa keine Nachtflug-Beschränkungen und keinen Personalmangel.
Wir sprechen mit Turkish und waren auch schon vor Ort in Istanbul.
Sie planen für 2025 mit 800.000 Fluggästen. Ist das die Obergrenze?
Das sehe ich nicht. Wir haben zwar keinen großen Ballungsraum, aber eine gute Verkehrsanbindung mit dem Auto und günstige Parkmöglichkeiten. Es hängt von den Airline-Partnern und Flugzielen ab. Der Flughafen Memmingen beispielsweise hat fast zwei Millionen Fluggäste, auch wenn er etwas abseits liegt. Wenn das richtige Angebot da ist, auch durch Low Coster, die ein großes Portfolio an Strecken haben, haben wir Potenzial jenseits der 1-Million-Grenze. Auch, weil im Low-Cost-Bereich der Einzugsbereich viel größer ist.
Was heißt das genau?
Für Flüge nach München etwa ist der Einzugsbereich überschaubar. Kaum jemand fährt 120 Kilometer beispielsweise von Bochum nach Paderborn, um nach München zu fliegen und dann vielleicht weiter nach Mailand. Da ist unser Einzugsgebiet vielleicht 75 oder 80 Kilometer groß. Bei unseren Ryanair-Flügen ist das ganz anders. Für die kommen Leute 130 Kilometer aus Göttingen oder sogar 300 Kilometer aus Würzburg in Nordbayern. Das hängt natürlich auch ein bisschen mit Ferienverschiebungen und Preisen zusammen.
Wünschen Sie sich Anbindung an weitere Drehkreuze, etwa Zürich, Wien oder wieder an Frankfurt?
Wir hatten Frankfurt mal, Lufthansa hat das getestet vor der Pandemie. Aber Frankfurt kannibalisierte damals die München-Strecke. Und nach Frankfurt, was nicht so weit entfernt liegt, flogen fast nur Umsteiger, während München für uns eine Doppelfunktion hat: Wir haben dort 60 Prozent Aussteiger und 40 Prozent Umsteiger. Auch Zürich und Wien sind Drehkreuze der Lufthansa-Gruppe. Daher müsste es ein anderer Hub sein. Dann ist man schnell bei Amsterdam, aber dort sollen die Flugbewegungen reduziert werden und es gibt keine Slots mehr. London ist ebenfalls voll. Paris könnte eine interessante Alternative sein, aber viele Reisende lieben den Flughafen dort nicht zum Umsteigen.
CRJ 900 von Lufthansa Cityline in Paderborn: Fliegt nach München. Bild: Paderborn/Lippstadt Airport
Wo sehen Sie dann eine Möglichkeit?
Eine Turkish-Airlines-Anbindung ans Drehkreuz Istanbul wäre interessant für uns. Denn Turkish Airlines hat eines der dichtesten und vielfältigsten Netze der Welt und das bei attraktiven Preisen und einem guten Service. Und Istanbul hätte wie München eine Doppelpunktion für uns: Es würde Umsteiger ansprechen, wäre aber auch ein Point-to- Point-Ziel für die große türkischstämmige Gemeinschaft hier sowie für Geschäfts- und Städtereisende.
Verhandeln sie darüber mit Turkish Airlines?
Ja, wir sprechen mit Turkish und waren auch schon vor Ort in Istanbul. Aber auch dort sind, wie derzeit überall, fehlende Kapazität bei Flugzeugen und Personal ein Thema.
Ich glaube, dass wir lieber unserer Aufgaben als Regionalflughafen nachkommen sollten.
Mittelgroße Flughäfen wie Hamburg hoffen auf den Airbus A321 XLR für Langstreckenflüge, vor allem Richtung USA. Ist das hier auch eine Hoffnung, oder ist das eine Nummer zu groß?
Die Frage ist, ob das der Nachfrage gerecht wird. Einen A321 mit 210 Sitzen zu füllen und das jeden oder jeden zweiten Tag, wird schwierig. Ich glaube, dass wir lieber unserer Aufgaben als Regionalflughafen nachkommen sollten und dass wir mit einer guten, hochfrequenten Hub-Anbindung sehr gut bedient sind, was USA-Verkehr angeht.
Sie hatten hier mit Green Airlines einen Anbieter, der mit Sylt-Flügen sehr gut zu einem Regionalflughafen passte. Waren Sie sehr enttäuscht, dass der Betrieb eingestellt wurde?
Ja, dass es nicht weiterging, war schade. Denn Green Airlines ist ja den ganzen Sommer 2021 von Ende März bis Ende Oktober die Sylt-Verbindung freitags und sonntags geflogen, wenn auch mit wechselnden Flugzeugen. Aber das Unternehmen ist uns als Partner nichts schuldig geblieben und wir hegen keinen Groll.
Warum hat es nicht geklappt? Nachfrage war ja da.
Das kann ich schwer beurteilen. Ich kenne die wirtschaftliche Basis der Firma nicht, ich weiß nicht, wie die Aktivitäten waren im Vertrieb. Ich weiß nur, dass die Flugzeuge sich regelmäßig bewegt haben und Fluggäste geflogen sind in einer schwierigen Zeit, und das war sehr positiv.
Start von Green Airlines in Paderborn/Lippstadt im März 2021. Bild: aeroTELEGRAPH
Aber der Vertriebs- und Marketingleiter Ihres Flughafens war ja damals auch für Green Airlines tätig, daher müssten Sie als Airport ja schon etwas mehr Einblick gehabt haben.
Er hat das Unternehmen 2021 vertrieblich unterstützt, hatte aber auch keine Detailkenntnisse über deren Zahlen.
Es ist noch nichts von einer Insolvenz von Green Airlines bekannt. Haben Sie noch Kontakt?
Nein, überhaupt nicht.
Schauen wir aufs Wirtschaftliche: 2022 hat Ihr Flughafen rund 460.000 Euro Gewinn gemacht. Was erwarten Sie für 2023?
Das Jahr läuft ja noch. Das Ziel ist aber, wieder ein ausgeglichenes oder leicht positives Ergebnis auszuweisen. Das ist auch die Vorgabe unserer Eigentümer. Der Flughafen muss kein Renditeobjekt sein. Es geht darum, dass die Infrastruktur sich trägt.
Sie haben sich in einer Insolvenz gesundgeschrumpft in der Pandemie. Jetzt wächst das Geschäft wieder und damit auch die Kosten. Ist das eine Herausforderung?
Der Unterschied ist, dass wir in der Muttergesellschaft nur noch das Stammpersonal haben mit 70 Angestellten aus Feuerwehr, Technik und überschaubarer Verwaltung. Das operative Personal, das sich etwa um Flugzeug- und Passagierabfertigung kümmert, ist nun in zwei Tochtergesellschaften angestellt, von denen eine neu ist. Diese Gesellschaften arbeiten viel mit Aushilfskräften, sodass sie gut atmen können zwischen Sommer- und Winterflugbetrieb und keine Kosten haben, wenn keine Erlöse gegenüberstehen.
Und haben Sie keine Probleme, Personal zu finden?
Nein, überhaupt nicht. Wir scheinen ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.
Wenn man nicht daran glaubt, dass der Mensch solche Fortschritte machen kann, dann wird es schwierig.
Spielt Fracht an ihrem Flughafen eine Rolle?
Ja, Ad-hoc-Fracht. Das heißt, ein Automobilzulieferer muss etwa spontan zehn oder zwölf Euro-Paletten beispielsweise nach Skandinavien fliegen – mit einer Saab 2000, Saab 340 oder einer ATR. Dann ist es gut für unsere Wirtschaft hier in der Region Ostwestfalen- Lippe, dass es einen Flughafen gibt, an dem so etwas möglich ist im 24-Stunden-Betrieb. Es geht also um kleine Tonnagen, aber um eine hohe Bedeutung für die Unternehmen.
Und militärische Flüge?
Wir haben hier den Truppenübungsplatz Senne unter britischer Verwaltung. Der stand schon mal kurz davor, abgewickelt zu werden. Angesichts der aktuellen Lage in der Welt ist davon aber keine Rede mehr, im Gegenteil. Die Briten und ganze Nato-Verbände üben dort und nutzen unseren Flughafen, um Großgerät und Soldaten hierher zu bringen.
Boeing 737 in der Businessjet-Variante in Paderborn. Bild: aeroTELEGRAPH
Sie haben hier auch eine starke Geschäftsfliegerei, unter anderem mit der hier ansässigen Fluggesellschaft PAD Aviation Service oder Bertelsmann Aviation. Dieser Bereich der Luftfahrt steht aber stark in der Kritik aufgrund seines großen ökologischen Fußabdrucks.
Ich glaube, das ist eine sehr deutsche Diskussion. Dass Flugzeuge auf Dauer nicht mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden können, ist doch klar. Da muss etwas passieren, es gibt einen großen Innovationsdruck und das ist auch gut so. Aber zu glauben, dass man alle Businessjet-Flüge verbieten müsste, bis es in 10 oder 15 Jahren dekarbonisierte Antriebe gibt, ist der falsche Weg. Denn es ist ja nicht so, also würden die alle privat nach Sylt fliegen oder nach Nizza. Das Gros findet zu geschäftlichen Zwecken statt. Ich sehe ja, wer da einsteigt. Das sind Entscheider, die Konzerne lenken. Und zu glauben, dass man das Klima retten würde, wenn man Farbe in Triebwerke sprüht und Flugzeuge zerstört, ist aus meiner Sicht verrückt.
Gab es hier schon Protestaktionen?
Nein, zum Glück nicht.
Pro Kopf gerechnet ist die Business Aviation aber tatsächlich die klimaschädlichste Art zu reisen.
Wenn Sie alleine mit einem Volvo XC90 durch die Gegend fahren, verbrauchen Sie auch mehr Kraftstoff als in einem VW Polo oder mit dem Bus. Individualverkehr hat immer eine schlechtere CO₂-Bilanz als Massenverkehrsmittel. Aber deshalb kommt ja niemand auf die Idee, Autos mit nur einer Person auf der Autobahn zu untersagen. Und wenn wir wirtschaftlich weiter erfolgreich sein wollen, um uns Dinge leisten zu können, auch im sozialen und ökologischen Bereich, muss die Wirtschaft handlungsfähig bleiben. Dafür müssen Geschäftsreisende flexibel sein, müssen in der Lage sein, mehr Termine am Tag wahrzunehmen, als mit Linienflügen möglich ist, gerade wenn sie in entlegene Winkel Europas reisen.
Und glauben Sie daran, dass wir in 10 bis 15 Jahren so weit sind mit der Dekarbonisierung, auch bei Strecken, die länger sind als nach München?
Ja, DHL hat etwa die Alice bestellt, die es auch als Passagiervariante geben soll. Bis jetzt sind etwa Reichweiten von 300 oder 400 Kilometer geplant. Aber mit steigender Energiedichte der Batterien und mit Wasserstofftechnologie wird mehr möglich sein. Bei größeren Flugzeugen werden mehr nachhaltige Treibstoffe wie E-Fuels zum Einsatz kommen.
Elektroflieger Alice von Eviation. Bild: Eviation
Auch mit ausreichender Reichweite für Businessjet-Verkehr in ganz Europa oder sogar darüber hinaus?
Das hängt sehr ab von der Entwicklung bei den Batterien. Es gab aber auch Zeiten, in denen wurden Jet-Triebwerke entwickelt und man kannte nur Propeller – und viele haben gezweifelt. Aber wenn man nicht daran glaubt, dass der Mensch solche Fortschritte machen kann, dann wird es schwierig.
Da sehe ich eine riesige Chance für regionale Flughäfen.
Regionalflughäfen haben es wirtschaftlich oft schwer und müssen ihre Existenz rechtfertigen. Warum braucht es den Flughafen Paderborn/Lippstadt?
Im Gegensatz etwa zu Frankreich ist Deutschland föderal und dezentral strukturiert, politisch, aber auch wirtschaftlich. In unserer Region hier haben wir einen starken Mittelstand, der international operiert, und ein paar wirklich große Player. Da muss man sich fragen: Welche Infrastruktur biete ich dieser Wirtschaft und den Menschen der Region, um am Luftverkehr teilhaben zu können? Nordrhein-Westfalen mit 18 Millionen Einwohnern hat sechs Verkehrsflughäfen, zwei große, vier kleinere. Österreich hat neun Millionen Einwohner und auch sechs Flughäfen. Und dort stellt niemand infrage, dass es Flughäfen wie Graz und Linz gibt.
Aber auch da haben die Kleinen es nicht leicht.
Ja, aber es ist doch eine Frage der Einstellung: Will ich als Staat, als kommunale Gesellschaft, als Land oder Bund so eine Infrastruktur bereitstellen in einem dezentralen, föderalen System, oder will ich das nicht? Und die Vorstellung, dass es immer Renditeobjekte sein und ohne Transfermittel auskommen müssen, ist nur bei den Flughäfen so, bei Bahnhöfen etwa nicht. Und Straßenbahnen und U-Bahnen fahren auch nicht ohne öffentliche Subventionen. Gerade in Deutschland ist die Einstellung gegenüber Flughäfen als Teil der Infrastruktur sehr merkwürdig. Rein praktisch kommt hinzu: Fahren Sie mal von hieraus durchs Ruhrgebiet zum Flughafen Düsseldorf. Sie wissen nicht, ob das anderthalb, zweieinhalb oder drei Stunden dauert.
Aber vielleicht können hier eines Tages elektrische Senkrechtstarter abheben und Zubringerflüge nach Düsseldorf durchführen, wo die Reisenden dann in Flugzeuge umsteigen.
Die Idee, alles auf große Flughäfen zu zentralisieren, hinkt doch, wenn man sich anschaut, wie viel Verkehr dort jetzt schon stattfindet. Das führt zu Warteschleifen in der Luft und Stop and Go am Boden, wenn 20 Flugzeuge nacheinander starten oder landen wollen zur Rushhour in Düsseldorf. Es ist doch ökonomisch und ökologisch unvernünftig, wenn man da 20 Minuten mit laufenden Triebwerken steht oder kreist, oder nicht genug Personal hat, um so viel Verkehr abzuwickeln. Und dass Flugverkehr besser auch in der Fläche stattfindet anstatt nur in Düsseldorf und Köln/Bonn, ist auch eine Frage der Belastung der Menschen vor Ort. Wer in Ratingen bei Düsseldorf wohnt, will bestimmt nicht, dass der ganze Verkehr von Weeze, Dortmund, Paderborn und Münster auch nach Düsseldorf kommt, ganz abgesehen davon, dass das ein Chaos geben würde.
Flieger von Eurowings: Künftig auch wieder andere Strecken? Bild: Paderborn/Lippstadt Airport
Welche Chancen bringt die Elektrifizierung Ihrem Airport dann?
Ich glaube, dass Airlines an regionalen Flughäfen durch die Elektrifizierung wieder die Chance haben werden, Strecken anzubieten, die in den 1990er-Jahren noch wirtschaftlich geflogen werden konnten. Da gab es mit 50-Sitzern von Eurowings und Co. Strecken wie Paderborn – Dresden oder Paderborn – Paris. Dann wollte man die Stückkosten reduzieren durch die Flucht in die große Röhre. Bei Lufthansa ist das kleinste Flugzeug heute ein 90-Sitzer und eines Tages vielleicht ein 130-Sitzer. Aber die Stückkosten sinken nur, wenn man auch eine gute Auslastung hat. Und natürlich ist das schwierig an regionalen Flughäfen. Und durch die Elektrifizierung wird es wieder möglich, 30- und 40- Sitzer wirtschaftlich sinnvoll zu betreiben. Da sehe ich eine riesige Chance für regionale Flughäfen.
Elektro- und Wasserstoffantriebe brauchen aber große Investitionen in die Infrastruktur des Flughafens. Können Sie das finanzieren, oder brauchen Sie dazu zusätzliche Gelder?
Bei ausgeglichenen Ergebnissen können wir unsere Abschreibungen komplett reinvestieren. Das sind bei uns etwa drei Millionen Euro. Und bei einem Flughafen unserer Größe dürfen die öffentlichen Anteilseigner 75 Prozent der Investitionskosten, wenn diese luftfahrtaffin sind, übernehmen, ohne dass es beihilferechtlich ein Thema ist. Und unsere Gesellschafter stehen voll dahinter und würden auch solche Investitionen mittragen, wenn diese notwendig und sinnvoll sind. Alleine in den Landkreisen Paderborn und Höxter zusammen gibt es übrigens fast so viele Windräder wie in ganz Baden-Württemberg. Wir wären also prädestiniert dafür, Flugzeuge hier mit lokalem, regenerativem Strom aufzuladen, wenn die rechtlichen Fragen geklärt werden, die bisher verhindern, dass die Betreiber ihren Strom direkt an Großunternehmen liefern dürfen.
*Roland Hüser studierte Betriebswirtschaftslehre und startete 1999 als Leiter Passagierdienste und Luftsicherheit am Flughafen Paderborn/Lippstadt. Von 2009 bis 2013 war er dann als Leiter Non Aviation-Management tätigt und von 2013 bis 2021 als Prokurist und Kaufmännischer Leiter. Seit August 2021 ist Hüser Geschäftsführer des Airports. Der 52-Jährige ist ausgebildeter Berufspilot mit mehrjähriger Erfahrung in der Geschäftsfliegerei. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter.