Letzte Aktualisierung: um 15:28 Uhr

Kippflügel

Eine alte Technik aus Deutschland erlebt eine Renaissance

Sikorsky hat ein neues Evtol vorgestellt. Der amerikanische Hubschrauber-Riese setzt dabei auf eine Technik, die viele Vorteile bietet und in Deutschland erfunden wurde.

Adolf Rohrbach und Adolf Simon hatten eine revolutionäre Idee. Sie entwickelten 1938 für ihren Arbeitgeber Weser-Flugzeugbau in Bremen ein zweisitziges Militärflugzeug, das senkrecht starten und landen konnte. Das Vtol hätte der Deutschen Wehrmacht im sich anbahnenden Zweiten Weltkrieg dienen sollen. Sein Name: Weserflug P.1003.

Das Besondere des Fliegers war, dass sich seine Tragflächen um die Querachse drehen ließen. Zum Start konnte der äußere Teil um 90 Grad gedreht werden, sodass die Propeller gerade nach oben zeigten und die Weserflug P.1003 wie ein Hubschrauber abheben konnte. In der Luft wurden Flügel und damit Propeller in die Horizontale gedreht und das Flugzeug konnte geradeaus fliegen.

Effizienter und einfacher als Kipprotoren

Die Weserflug P.1003 wurde zwar nie umgesetzt. Das Prinzip Kippflügel aber war erfunden. Erstmals umgesetzt wurde die Technik in den USA 19 Jahre nach Rohrbachs und Simons Erfindung. Der amerikanische Hersteller Vertol präsentierte 1957 ein Experimentalflugzeug namens VZ-2. Es absolvierte rund 450 Flüge. Es folgten weitere Modelle wie etwa 1965 die Canadair CL-84 Dynavert. Doch durchgesetzt haben sie sich alle nicht.

Dennoch faszinieren Kippflügel Ingenieurinnen und Ingenieure bis heute. Denn die Technik gilt als effizienter, kostengünstiger, sicherer und einfacher als die verwandte der Kipprotoren, bei denen nur die Rotoren von Vtols (die Abkürzung steht für Vertical Take-Off and Landing) gedreht werden. Unter anderem kann ein Kippflügel-Flieger auch bei ganz niedrigen Geschwindigkeiten problemlos vom vertikalen in den horizontalen Flug wechseln.

Viele Vorteile, aber auch Nachteile

Kein Wunder, schauen sich Fachleute weltweit wieder Kippflügel an, wo Senkrechtstarter in der Form von Evtols einen Boom erleben. Airbus setzte bei seinem Flugtax Vahana auf Kippflügel. Das Projekt wurde allerdings 2019 zugunsten des City Airbus Next Gen eingestellt. Denn Kippflügel haben auch Nachteile. Die Fluggeräte sind anfälliger auf Böen und im Schweben ineffizienter.

Jetzt setzt der amerikanische Hubschrauber-Riese Sikorsky darauf. Hex heißt das Projekt des experimentellen Evtols, das diese Woche vorgestellt wurde. Es soll mit seinen Flugtestes dazu dienen, «wertvolle Erkenntnisse im Hinblick auf eine künftige Flugzeugfamilie bieten, die in dem Umfang und den bevorzugten Konfigurationen gebaut wird und für kommerzielle und militärische Kunden relevant sind», so das Unternehmen, das zu Lockheed Martin gehört.

Kein Cockpitpersonal nötig

Ziel der Ingenieurinnen und Ingenieure von Sikorsky ist es, bei Hex eine Reichweite von mehr als 920 Kilometer (500 Seemeilen) bei hoher Geschwindigkeit zu erreichen. Das Evtol soll auch weniger mechanische Systeme aufweisen, um die Komplexität zu verringern und günstiger in der Wartung zu sein. Als maximales Startgewicht sind 408 Kilogramm vorgesehen – und eben Kippflügel.

Den Antrieb baut Sikorsky zusammen mit GE Aerospace. In einem ersten Schritt wollen sie ein 600-KW-Hybrid-Elektro-Motor bauen. Damit soll die Schwebeleistung des Hex-Demonstrators getestet werden. Später ist ein doppelt so starker Antrieb vorgesehen. Und eines ist von Anfang an angedacht: Das Hex-Vtol bekommt ein «fortschrittliches autonomes System», damit es keine Pilot oder Pilotinnen mehr braucht.