Letzte Aktualisierung: um 15:06 Uhr

Luftfahrt und Politik

Die Wunschliste an die künftige deutsche Regierung

Die Bundesrepublik bekommt eine neue Regierung. Was soll sie in puncto Luftfahrt unternehmen? Eine Wunschliste.

Es gibt unterschiedliche philosophische Perspektiven, mit denen man die Wirklichkeit des gesellschaftlichen Lebens beurteilen kann, die aber für den praktischen politischen Diskurs ungeeignet sind. Zum Beispiel die Frage, welchem Interesse einzelne Institutionen oder Handlungen dienen (Marxismus); oder welche Funktionen sie im System der Gesellschaft haben (Luhmann).

Andere Diskurse haben einen je spezifischen Beurteilungs-Code. In der Religion geht es um: wahr oder unwahr; in der Moral um: gut oder böse und in der Wissenschaft um: richtig oder falsch. Gegenwärtig finden wir einen Cocktail von Beurteilungsperspektiven in der politischen Diskussion, die neu sortiert werden sollten.

Politik ist auf Teilhabe angewiesen

Politik in einer Demokratie ist auf Teilhabe angewiesen. Da die meisten Menschen nur einen begrenzten Teil ihrer Einsichten im alltäglichen Leben umsetzen, oder umsetzen können, sollte sich der politische Code auf: besser oder schlechter in der Beurteilung von politischen Maßnahmen einschränken. Diese pragmatische Ausrichtung bedeutet nicht, dass Politik nicht korrektive Leitideen wie wissenschaftliche Erkenntnisse (Klimakrise), oder moralische Anschauungen (universelle Menschenrechte) als Orientierung benötigt.

Eine Freundin brachte es für mich auf den Punkt: «Wenn du 70 Prozent deiner Einsichten umsetzt, bis du im Normalbereich; setzt du nur 50 Prozent oder weniger um, solltest du zum Therapeuten gehen; wer 90 Prozent umsetzt, gehört wahrscheinlich einer Sekte an».

Wunschliste an neue deutsche Regierung

Das gilt es auch zu beachten, wenn Deutschland in den kommenden Monaten eine neue Regierung bekommt. Im Hinblick darauf kann die Luftfahrtindustrie aber schon mal ihre zentralen Vorstellungen für eine neue Politik vorbringen – auch mit dem Bewusstsein, dass nie alles genauso umgesetzt werden wird.

  1. Die gleichberechtigte Behandlung aller Verkehrsträger (soweit sie nachhaltig werden), inklusive des Dezentralen Luftverkehrs, ist aus gesellschafts- und verkehrspolitischen Gründen dringend geboten. Denn das Mobilitätswachstum und die Urbanisierungsprozesse halten langfristig an. Die Flugplätze dienen dabei als Mobilitätsgarant für die Wirtschaft, Entlastungsinfrastruktur für die großen Drehkreuze und Verkehrs- und Mobilitätskonzept für nachhaltige, kleinere Flugzeuge der Zukunft. Das verlangt den weiteren Ausbau und die optimalere Nutzung ihrer Infrastruktur und die Stärkung ihrer Schnittstellen mit anderen Verkehrsträgern. Dies muss sich auch in einem Luftverkehrskonzept 2030+ widerspiegeln.
  2. Die Anerkennung und Ausrüstung ausgewählter Flugplätze als «strategische Infrastruktur im Bundesinteresse» ist für eine Resilienz-Strategie angesichts der zunehmenden Schwerstwetterereignisse und anderer gesellschaftlicher Herausforderungen geboten.
  3. Wir benötigen eine auf kleine Unternehmen bezogene, verlässliche Förderkulisse, zur Unterstützung von Initiativen zur nachhaltigen Umrüstung und zum Ausbau der Infrastruktur des Dezentralen Luftverkehrs in der Fläche, sowie zur Marktanalyse neuer Betreibermodelle (zum Beispiel für den ÖPSV).
  4. Da sich Transformationsprozesse von den arbeitsteiligen Strukturen unserer politischen Institutionen nicht angemessen begleiten lassen und diese zugleich eine Vielzahl von unnötigen bürokratischen Interventionenprovozieren, braucht es runde Tische und eine verbesserte Kommunikation zwischen den Ministerien und den betroffenen Fachverbänden zu ermöglichen.

Ulrich Stockmann ist freier Kolumnist von aeroTELEGRAPH. Er war von 1989 bis 2009 als Parlamentarier in der Volkskammer, im Bundestag und im Europaparlament. Seitdem ist er für Verbände des Luftverkehrs tätig. Die Meinung der freien Kolumnistinnen und Kolumnisten muss nicht mit der der Redaktion übereinstimmen.