Flug J28243
Die Theorie des Abschusses der Embraer E190 von Azerbaijan Airlines
Die Löcher im Rumpf der Embraer E190 von Azerbaijan Airlines nähren die Theorie eines irrtümlichen Abschusses. Doch es gibt so gute Argumente für sie wie gegen sie.
Warnung: Das Video enthält Szenen, die für einige möglicherweise verstörend wirken könnten.
Warnung: Das Video enthält Szenen, die für einige möglicherweise verstörend wirken könnten.
Es war ein schauerlicher Anblick, den sich den Rettungskräften bot, die am Weihnachtstag zur rund drei Kilometer von Flughafen Aktau entfernten Unglücksstelle eilten. Aus dem kopfüber liegenden Heck der Embraer E190 von Azerbaijan Airlines krochen Überlebende heraus. An einer anderen Stelle lag ein Wrackteil und brannte lichterloh. Die Bilanz des tragischen Absturzes von Flug J28243 vom 25. Dezember: 40 Tote und 29 Überlebende.
Theorien zur Ursache gab es schnell viele; harte, belastbare Fakten dagegen kaum. Dennoch hält sich seit dem Fund des Wracks eine Theorie hartnäckig: Die Embraer E190 soll irrtümlicherweise beschossen worden sein. Das Schadensmuster im Rumpf und im Flieger deute darauf hin, dass russische Luftabwehr den Absturz verursacht haben könnte, schreibt der Rundfunkanbieter BBC mit Verweis auf Fachleute für Luftverteidigung.
Kreml: «Warten, bis die Untersuchung abgeschlossen ist»
«Es sieht sehr nach der Detonation einer Flugabwehrrakete im hinteren und linken Teil des Flugzeugs aus, wenn man sich das Muster der Splitter ansieht», so Justin Crump vom Risikoberatungsunternehmen Sibylline zur BBC. Denn im Höhenleitwerk und Rumpf der E190 mit dem Kennzeichen 4K-AZ65 zeigen sich Dutzende Löcher unterschiedlicher Größe. Ein Kreml-Sprecher erklärte umgehend: «Es wäre falsch, vor den Schlussfolgerungen der Untersuchung irgendwelche Hypothesen aufzustellen. Das werden wir natürlich nicht tun, und das sollte auch niemand tun. Wir müssen warten, bis die Untersuchung abgeschlossen ist».
Die Embraer E190 von Azerbaijan Airlines sollte eigentlich im russischen Grozny landen. Doch das gelang nicht. Nach mindestens zwei misslungenen Landeversuchen in der tschetschenischen Hauptstadt drehte die Cockpitcrew ab. Als Ausweichflughafen stand zuerst die russische Stadt Makhachkala. Doch die Piloten entscheiden sich, nicht in der Hauptstadt von Dagestan zu landen, sondern ins kasachische Atkau weiterzufliegen.
Aktau liegt weit entfernt von Grozny
Die Beschuss-Theorie nährt auch eine Aussage eines Überlebenden. «Beim dritten Mal explodierte etwas… ein Teil der Außenhaut des Flugzeugs war herausgesprengt worden», sagte er zu den abgebrochenen Landeversuchen in Grozny. Die Ukraine hatte sowohl Dagestan als auch Tschetschenien in letzter Zeit vermehrt mit Drohnen angegriffen – immer wieder erfolgreich. Die russische Luftabwehr war daher definitiv in erhöhter Bereitschaft.
Dennoch ist es viel zu früh irgendwelche Schlüsse zum Unglück von Azerbaijan Airlines zu ziehen. Auch dies bleibt nicht mehr und nicht weniger als eine Theorie für die einiges spricht, aber auch einige dagegen. Denn bei einem Beschuss würde sich unter anderem die Frage stellen, weshalb sich die Piloten entschlossen, quer übers Kaspische Meer mehr als 400 Kilometer weit nach Aktau zu fliegen, wo doch Makhachkala deutlich näher lag. In einem Notfall so weit und dann noch über ein großes Gewässer zu fliegen ist ein großes Risiko.