Bericht zum Absturz in Brasilien
Die letzten Minuten der ATR 72 von Voepass
Vor einem Monat stürzte eine ATR 72 ab und 62 Menschen starben. Jetzt hat die brasilianische Unteruchungsbehörde den ersten Zwischenbericht veröffentlicht. Er zeigt, dass die Piloten von Voepass früh ein Problem bemerkten.
Das Wrack der PS-VPB: Die ATR 72 stürzte in eine Wohnsiedlung.
Das Wrack der PS-VPB: Die ATR 72 stürzte in eine Wohnsiedlung.
Pünktlich einen Monat nach dem tragischen Unglück hat das Centro de Investigação e Prevenção de Acidentes Aeronáuticos Cenipa in Brasília seinen ersten Zwischenbericht zu Unglücksflug 2Z-2283 präsentiert. Die ATR 72-500 von Voepass war am 9. August bei Vinhedo in Spiralbewegungen abgestürzt. Alle 62 Menschen an Bord starben beim Aufprall des Flugzeuges mit dem Kennzeichen PS-VPB und der Seriennummer 908 in eine Wohnsiedlung.
Noch gibt es keine klare Ursache für das tragische Unglück. Doch die Fachleute der brasilianischen Untersuchungsbehörde wiesen darauf hin, dass sie sich einen Punkt noch viel genauer anschauen müssen. Denn schon wenige Minuten nach dem Start erhielten die beiden Piloten von Voepass im Cockpit eine Warnung vor einem Ausfall des Anti-Vereisungssystems.
Anti-Vereisungssystem eingeschaltet
Schon früh war auf das Wetter als möglicher mitauslösender Faktor für den Absturz hingewiesen worden. In der Region um Vinhedo herrschte am Unglückstag instabiles Wetter mit der Gefahr von Gewittern, Turbulenzen und Vereisung. Schätzungen aus meteorologischen Modellen deuten auf Temperaturen zwischen -9 und -11 Grad in Flughöhe hin. Doch zugleich wurde betont, dass Flugzeuge dafür mit Schutzsystemen ausgerüstet sind.
Doch genau damit gab es bei der ATR 72 von Voepass offenbar ein Problem, wie der Zwischenbericht zeigt. Es hat schon früh begonnen, wie die Cenipa festhält. Um 11:58 Uhr Ortszeit startete die ATR 72 mit 58 Passagieren und vier Besatzungsmitgliedern an Bord am Aeroporto Regional do Oeste – Coronel Adalberto Mendes da Silva in Cascavel. 14 Minuten später wurde das Anti-Vereisungssystem für die Propeller eingeschaltet.
Warnleuchte geht an – und aus
Als sich der Flieger nochmals zwei Minuten später auf Flugfläche 130 befand (bei normalem Luftdruck beziehungsweise unter Standardbedingungen entspricht das einer Flughöhe von 13.000 Fuß oder 3960 Metern), ging im Cockpit eine Warnleuchte an. Sie wies auf die Gefahr von Vereisung hin. Die Piloten schalteten daraufhin auch den restlichen Vereisungsschutz des Fliegers ein.
Wenig später, um 12:15 Uhr, erklang ein Warnton im Cockpit. Er wies auf ein Problem mit dem Anti-Vereisungssystem hin. Die Piloten erkannten ihn und bestätigten ihn, wie aus den Aufnahmen des Stimmenrekorders zu vernehmen ist. Wenige Sekunden später schaltet sich das System aus. Doch bereits 30 Sekunden danach erlischt die Warnleuchte. In den folgenden 50 Minuten geht sie immer wieder an und aus.
Idealer Punkt für Sinkflug
Um 13:05 Uhr meldeten sich die Piloten von Passaredo erstmals bei der Anflugkontrolle von São Paulo. Die Besatzung der ATR 72 meldete 13 Minuten danach, dass sie sich am idealen Punkt für den Sinkfluges befindet. Die Flugsicherung sagt kurze Zeit später, sie sei sich dessen bewusst und bittet, auf die Genehmigung zum Sinkflug zu warten. Ein anderes Flugzeug befindet sich gerade in der Gegend. Die Genehmigung werde in zwei Minuten kommen.
Kurz zuvor hatte der elektronische Eisdetektor wieder ein Warnsignal angezeigt. Die Piloten schalteten das Anti-Vereisungssystem ein. Dann wurde es wieder ausgeschaltet. Bei einer Geschwindigkeit von 184 Knoten oder 384 Kilometern pro Stunde erschien im Cockpit eine Warnung. Degraded Performance wird angezeigt, nachlassende Leistung.
Warnung vor Strömungsabriss
Um 13:20 Uhr sagte der fliegende Pilot: «Eine Menge Eis». Die Crew schaltete das Anti-Vereisungssystem ein. Sie erhielt jetzt die Erlaubnis, Wegpunkt Sanpa anzusteuern – auf Flugfläche 170. Die Crew ging in eine Kurve über. Bei einer Geschwindigkeit von 169 Knoten wurde die Warnung Increase Speed angezeigt, Geschwindigkeit erhöhen. Auch ein Warnton erklang.
Danach setzten Vibrationsgeräusche im Flugzeug ein und der Strömungsbariss-Alarm erklang. Von 13:22:02 Uhr bis 13:22:49 Uhr versuchte die Anflugkontrolle von São Paulo fünf Mal, die Crew von Voepass zu erreichen – erhielt aber keine Antwort. Das war auch nicht mehr möglich, wie dem Zwischenbericht zu entnehmen ist.
Zuerst nach links, dann nach rechts
Denn gemäß den Fachleuten der Cenipa hatten die Piloten um 13:21:09 die Kontrolle über das Flugzeug verloren. Die ATR 72 neigte sich um 52 Grad nach links und dann um 94 Grad nach rechts, sodass sich sein Bug um 180 Grad im Uhrzeigersinn drehte. Anschließend drehte es sich gegen den Uhrzeigersinn und vollführte fünf flache Schraubbewegungen. Dann schlug es am Boden auf.
Den Zwischenbericht der Cenipa können Sie hier herunterladen (in Portugiesisch).