Liberalisierung des EU-Luftverkehrs
Die Geburtsstunde der Billigflieger
In den Neunzigerjahren gab es kaum Wettbewerb im Luftverkehr. Die Liberalisierung durch die EU vor 25 Jahren änderte das. Davon profitierten vor allem die Passagiere.
Blick aus dem Fenster: Das könne sich heute mehr denn je Leute leisten.
Blick aus dem Fenster: Das könne sich heute mehr denn je Leute leisten.
Vor 25 Jahren war an einen Wochenendtrip nach Paris für Normalverdiener kaum zu denken: Umgerechnet 400 Euro hätte ein Ticket ab Mailand gekostet – pro Person, pro Strecke. Dass der Preis inzwischen bei rechtzeitiger Buchung auf bis zu 15 Euro gefallen ist, liegt am europäischen Luftverkehrs-Binnenmarkt.
Ab 1992 wurde der europäische Luftverkehr liberalisiert: Die Zulassungsbedingungen für Fluggesellschaften wurden vereinheitlicht, Kapazitätsbeschränkungen und Preisvorgaben abgeschafft. Statt vieler nationaler Regelungen und Beschränkungen gelten jetzt EU-weite Regeln. Seitdem dürfen EU-Airlines frei zwischen allen Mitgliedsstaaten fliegen und die Preise selbst gestalten.
Passagierzahlen mehr als verdoppelt
Das war vorher nicht der Fall: Deutsche Fluggesellschaften durften etwa keine Verbindungen innerhalb Spaniens anbieten. Zwischen Paris und Berlin durften nur deutsche und französische Fluglinien Flüge anbieten. Diese Befreiung hatte Folgen.
Bereits in den ersten fünf Jahren wuchsen die grenzüberschreitenden Verbindungen um 75 Prozent, die Zahl der Inlandsflüge stieg um zwölf Prozent. Insgesamt sind die Flugpreise stark gesunken, die Zahl der Passagiere hat sich mehr als verdoppelt: Flogen 1993 noch 360 Millionen Menschen innerhalb der EU-Staaten, waren es 2015 bereits 918 Millionen. Tendenz steigend.
Mehr Arbeitsplätze
Von der Liberalisierung haben besonders die Billigflieger wie Ryanair oder Easyjet profitiert, die mittlerweile ganz Europa zu Kampfpreisen anfliegen. Mit niedrigen Personal- und Verwaltungskosten, einem reduzierten Bordservice und kostenpflichtigen Extras haben sie den Markt auf der Kurz- und Mittelstrecke grundlegend verändert.
Doch nicht nur die Passagiere haben Vorteile, auch die Wirtschaft hat kräftig zugelegt. So schafft laut EU-Kommission ein neuer Job in der Luftfahrtbranche drei weitere Jobs in den Bereichen Tourismus, Logistik und Handel. 2014 sorgte die Luftfahrt so für insgesamt 8,8 Millionen Jobs und trug mit 621 Milliarden Euro zum EU-weiten Bruttoinlandsprodukt bei.
Offene Himmel
Im Jahr 2006 hatte die EU die Luftfahrtliberalisierung mit dem European Common Aviation Area Abkommen – kurz ECAA – auf die Länder Norwegen, Island, Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo und Kroatien ausgeweitet. Später folgten Serbien und Montenegro. 2008 folgte das Open-Skies-Abkommen zwischen der Union und den Vereinigten Staaten. Bis dahin galten individuelle Vereinbarungen zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten und den USA. Nun darf jede Fluggesellschaft aus der EU von jedem europäischen Flughafen aus in die Vereinigten Staaten fliegen.
Mit dem Brexit muss auch der Luftverkehr zwischen Großbritannien und der EU neu geregelt werden. Flüge zwischen der EU und Großbritannien sind wichtig für Airlines. 2015 flogen mehr als 130 Millionen Passagiere auf diesen Strecken. Das Vereinigte Königreich könnte über das ECAA-Abkommen ähnlich wie Norwegen einen unbeschränkten Zugang zum europäischen Luftverkehr bekommen. Daran sind allerdings zahlreiche Bedingungen geknüpft. Bei einem harten Brexit dürfte das wohl nicht klappen.
Brexit erschüttert Branche
Die großen Gewinner der Luftfahrtliberalisierung, Ryanair und Easyjet, müssen sich wohl auch umstellen. Ryanair ist zwar in Irland beheimatet und bleibt damit in der EU. Allerdings ist die Airline in Großbritannien stark vertreten, 40 Prozent ihrer Passagiere kommen von der Insel. Die britische Easyjet hat sich eine Lizenz in Österreich beschafft.