Wiederzulassung
Die Boeing 737 Max darf auch in Europa wieder starten
Auch Europa hat das Flugverbot für die 737 Max aufgehoben. Für Boeing ist die Krise damit noch lange nicht ausgestanden.
737 Max über New York: Liegt die Gewitterfront hinter Boeing?
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20 Experten hätten 20 Monate lang jede Schraube der Boeing 737 Max umgedreht, um das Flugzeug wieder flugtüchtig zu machen, sagt Patrick Ky. Boeing habe zahlreiche Änderungen vorgenommen und er sei überzeugt, dass das Flugzeug jetzt wieder sicher sei, so der Direktor der europäischen Luft- und Raumfahrtbehörde Easa vergangene Woche. Am Mittwoch (27. Januar) wurde das auch offiziell: Europa hat nach den USA, Brasilien und Kanada die Boeing 737 Max ebenfalls wieder zugelassen.
Für den amerikanischen Flugzeugbauer geht damit auch in Europa ein dunkles Kapitel dem Ende entgegen, das mit zwei Abstürzen der Boeing 737 Max im Oktober 2018 und im März 2019 mit insgesamt 346 Toten begonnen hat. Als Hauptursache der Unglücke gilt die fehlerhafte Flugsteuerungssoftware MCAS. Ein Sensor hatte falsche Daten über die Fluglage an sie geliefert. Das MCAS drückte die Nase der Flugzeuge daraufhin nach unten, bis diese auf dem Boden aufprallten.
«Wir haben schwierige Fragen gestellt»
Als Ergebnis der Prüfung musste Boeing zahlreiche Änderungen durchführen und Auflagen erfüllen. Eine verbesserte Software baut jetzt auf Daten von zwei Sensoren auf. Die Easa will künftig – statt einem dritten Sensor – eine Anzeige für die sogenannten Synthetic Airspeed, die für die Max aber erst entwickelt werden muss. Geändert werden musste auch die elektrische Verkabelung.
Ein Pilotentraining ist verpflichtend, und jedes Flugzeug muss ohne Passagiere getestet werden, bevor es wieder in Betrieb gehen darf, erzählt Ky. «Unsere Bewertung wurde in völliger Unabhängigkeit von Boeing oder der Federal Aviation Administration und ohne jeglichen wirtschaftlichen oder politischen Druck durchgeführt», kommentiert er. «Wir haben schwierige Fragen gestellt, bis wir Antworten bekamen, und auf Lösungen gedrängt, die unsere hohen Sicherheitsanforderungen erfüllen.» Auch Großbritannien zog gleich nach.
Billige Flugzeuge
Für Boeing gilt es jetzt, Vertrauen zurückzugewinnen. Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt glaubt, dass der Imageschaden rasch vergessen sein und Preis und Leistung des Flugzeugs wieder im Vordergrund stehen werden. Wie der im Vergleich zu den Flugzeugen der A320-Familie günstigere Treibstoffverbrauch. Und Boeing wird den Kaufpreis günstiger gestalten, glaubt Großbongardt. Das zeige die jüngste Bestellung von 75 Boeing 737 Max durch Ryanair. Sie ist mit 210 Bestellungen der größte 737-Max-Kunde und bestellt Flugzeuge meist in Situationen, in denen der Preis niedrig ist.
Skeptisch sind noch die Passagiere. Laut einer Umfrage in den USA wollen viele nicht mit einer Boeing 737 Max fliegen, oder erst dann, wenn das Flugzeug mindestens ein halbes Jahr wieder in der Luft war. Das könnte sich rasch ändern, falls viele Fluglinien, wie angekündigt, tatsächlich mit Kampfpreisen aus der Corona-Krise fliegen werden.
Kosten zwischen 15 und 20 Milliarden Dollar
Etwa 800 Maschinen hat Boeing bisher gebaut, knapp 400 sind ausgeliefert worden, 400 warten auf die Abholung, knapp 3400 sind trotz zahlreicher Stornierungen fix bestellt. Finanziell ist der einstige Verkaufsschlager 737 Max für Boeing jedenfalls zu Desaster worden. Die Entschädigung der Opfer, die Kompensationszahlungen an die Fluglinien für das Flugverbot und die technischen Änderungen und Umrüstungen kosten Milliarden.
Alleine 2,5 Milliarden Dollar kostete ein Vergleich mit dem Justizministerium der USA, damit strafrechtliche Ermittlungen eingestellt werden. Zwischen 15 und 20 Milliarden Dollar, so die Schätzungen, dürfte Boeing alles bis jetzt gekostet haben.
Finanziell angeschlagen
Noch nicht eingerechnet sind die Probleme von Boeing mit dem schwächelnden Markt für große Langstreckenflugzeuge. Da tendiert die Nachfrage gegen Null. Das trifft das 787-Programm, das gleichzeitig mit großen Produktionsmängeln und -problemen und zusätzlichen Inspektionen der Behörden kämpft. Da trifft es sich vielleicht nicht schlecht, dass auch die Erstauslieferung des neuen Flaggschiffs, der 777X, auf Ende 2023 verschoben wurde.
Die milliardenschweren Entwicklungskosten belasten den Konzern finanziell zusätzlich. Wegen all dieser Probleme ist Boeing finanziell stark angeschlagen. Der Konzern reagiert darauf mit drastischen Sparmaßnahmen und will die Zahl der Mitarbeiter bis Ende 2021 von 160.000 auf rund 130.000 senken.
Zusammenarbeit der Zulassungsbehörden verändert sich
Noch eine Folge hat die Wiederzulassung der Boeing 737 Max. Die Zusammenarbeit der Zulassungsbehörden verändert sich. Zwar versichern sie sich wechselseitig das Vertrauen, aber sie wollen sich künftig gegenseitig mehr auf die Finger schauen und nicht mehr alles ungeprüft voneinander übernehmen.
Noch keine Freigabe gibt es in der Golfregion und in China. Für die chinesische Führung gehe es da aber um mehr als Flugzeuge, das sei auch ein politisches Spiel mit den USA, so Großbongards. Offiziell heißt es aus China, bevor die Maschine wieder fliegen dürfe, müsse die Untersuchung der beiden Unfälle abgeschlossen werden.
Die Lufttüchtigkeitsanweisung der Easa zur Boeing 737 Max können Sie hier herunterladen.