Letzte Aktualisierung: um 17:33 Uhr

Bernd Bauer, Edelweiss und Eurowings Discover

«Anstrengungen bei Edelweiss gehen in Richtung Airbus A350»

Bernd Bauer ist in der Lufthansa-Gruppe verantwortlich für die Ferienflieger Edelweiss und Eurowings Discover. Im Interview erzählt er, wie er den Spagat zwischen Deutschland und der Schweiz schafft, warum Edelweiss kein Personal entlassen musste - und welche Flieger schon bald zur Flotte stoßen sollen.

Seit Oktober 2022 haben Sie zusätzlich zur Aufgabe als Chef von Edelweiss auch die Leitung von Eurowings Discover übernommen. Wie viel Zeit verbringen Sie gerade in Zürich und wie viel in Frankfurt?
Bernd Bauer: Vor der Ernennung hätte ich geantwortet: Ich bin 99,9 Prozent der Zeit in Zürich. Seither hat sich das verändert. Inzwischen bin ich 50 Prozent der Zeit in Zürich, 50 Prozent in Frankfurt.

Das ist eine gewaltige Änderung.
Ja, aber es sind natürlich auch zwei Unternehmen, um die ich mich jetzt kümmern darf. Weil ähnliche Themen anfallen, ist es thematisch keine große Umstellung. Aufmerksamkeit braucht es dennoch, denn die Fragestellungen sind mitunter anders. Edelweiss ist als alteingesessene Airline bald 28 Jahre am Markt, Eurowings Discover hingegen gibt es erst seit eineinhalb Jahren.

Zerreißt einen das nicht, wenn man zwei Airlines gleichzeitig führt?
Ich komme mit der Aufteilung gut zurecht. Sie dürfen nicht vergessen: Sowohl bei Edelweiss als auch bei Eurowings Discover gibt es ein sehr kompetentes Management, das sich um das Tagesgeschäft kümmert.

Und Sie sind der Chef Urlaubsgeschäft?
Meine Aufgabe ist es, die strategischen Leitlinien festzulegen, hier wie dort. Und dafür zu sorgen, dass Abläufe stimmen und Prozesse funktionieren.

Es geht nun darum, daraus zu lernen, was wir in der Schweiz in den vergangenen Jahren richtig gemacht haben.

Insofern ist Ihre neue Aufgabe auch ein großes Kompliment, was Ihre Arbeit bei Edelweiss angeht.
Eurowings Discover wurde mit Edelweiss als Vorbild gegründet. Diese ist innerhalb weniger Jahre von einer kleinen Airline mit vier Flugzeugen zu einer mit 16 beziehungsweise sogar bald 18 Flugzeugen gewachsen. Wir waren vor allem erfolgreich darin, Edelweiss neben Swiss zu entwickeln, das zeigt sich am besten am Destinationsportfolio. Nur eine Strecke überschneidet sich: Mallorca – und da fliegen alle hin. Wir steuern mit Edelweiss über 80 Ziele an, Swiss über 100. Das ist ein starkes gemeinsames Netz. Dieselbe Idee verfolgen wir jetzt in Deutschland. Lufthansa hat über die letzten Jahre immer wieder ihre Position im Feriengeschäft gestärkt. Jetzt mit Eurowings Discover passiert das nochmal sehr fokussiert. Es geht nun darum, daraus zu lernen, was wir in der Schweiz in den vergangenen Jahren richtig gemacht haben.

Aber ist das denn eins zu eins auf Eurowings Discover übertragbar?
Natürlich ist die Schweiz ein ganz anderer Markt, in Deutschland ist alles dezentraler. Aber die Zusammenarbeit zwischen Lufthansa und Eurowings Discover sollte möglichst so funktionieren, wie die zwischen Swiss und Edelweiss. Hier in der Schweiz sind die beiden Airlines sehr synergetisch verbunden. Ähnliches wollen wir in Deutschland erreichen. Wir möchten mit Eurowings Discover in Deutschland ein Portfolio bieten, das Lufthansa ergänzt und ihr mehr Möglichkeiten gibt.

Und wahrgenommen wird als eigene Airline?
Ja.

Müsste dafür nicht erstmal das Eurowings aus dem Namen verschwinden? Wann passiert das?
Bei der Gründung mitten in der schwersten Krise der Luftfahrt war Eurowings als Marke eine gute Entscheidung. Sie hat uns von Beginn an große Sichtbarkeit verschafft und unser Profil als Ferienairline gut vermittelt. Jetzt geht es darum, Eurowings Discover weiter erfolgreich zu etablieren und Kunden klarzumachen, dass es eine Airline der Lufthansa Gruppe ist, mit einem qualitativ vergleichbaren Produkt – aber eben doch eine eigenständige Fluggesellschaft. Alles, was dafür nötig ist, werden wir tun.


Flieger von Eurowings Discover – wie lange noch mit Eurowings? Bild: Eurowings Discover

Es geht also nicht darum, Edelweiss und Eurowings Discover zusammenzulegen. Sondern nur darum, dieselben Synergien in Deutschland zu schaffen wie in der Schweiz?
Genau.

Bei den Bordprodukten von Swiss und Edelweiss gibt es trotz aller Synergien merkliche Unterschiede. Wie wichtig ist es, diese beizubehalten?
Wir richten das Bordprodukt konsequent auf Privat- und Ferienreisende aus. Ich behaupte, wir haben den Begriff Premium Leisure als Edelweiss geprägt. Aber das auch gerade vor dem Hintergrund, dass wir mit Swiss zusammenarbeiten.

Was heißt das?
Nehmen Sie zum Beispiel die Langstrecke. Wir achten darauf, dass Strecken kombiniert werden können. Dann fliegt man zum Beispiel mit Swiss nach Los Angeles und mit Edelweiss von Las Vegas zurück. Insbesondere in Premium-Klassen dürfen die Reisenden die Unterschiede zwar wahrnehmen, aber qualitativ muss alles auf gleichem Niveau liegen. Das findet auch in Europa statt. Mit Swiss kann man nach Palermo und mit Edelweiss von Catania wieder zurück. Die Qualität muss ähnlich sein. Aber, und das ist der entscheidende Unterschied, ausgerichtet auf die Ferienreisenden.

Was sind denn da zum Beispiel Unterschiede?
Geschäftsreisende möchten arbeiten, schlafen, schnell essen. Die Ferienreisenden möchten auch unterhalten werden. Unsere Serviceabläufe sind daher andere. Die Kabinenbesatzung ist mehr in der Kabine unterwegs, interagiert mehr. So haben wir in der Business Class auf der Langstrecke den Aufdeckservice. Unsere Passagiere bekommen kein Tablett vorgesetzt, sondern die einzelnen Gänge. Das geht natürlich bei uns auch einfacher, weil wir eine deutlich kleinere Business Class haben als Netzwerk-Airlines.

Swiss hat inzwischen – wie auch andere Gruppenairlines – auf Europa-Strecken Bezahlessen eingeführt. Ist das für Sie auch ein Thema?
Das macht ja heute fast jede Airline in Europa. Wir versuchen aber, uns dem Trend Bezahlessen zu entziehen. Gerade als Schweizer Airline wollen wir gern ein Rundum-All-Inclusive-Produkt liefern. Daher verzichten wir im Moment darauf. In der Economy muss man allerdings bei uns den Alkohol bezahlen. Essen und Getränke bekommen alle.

Wir bekommen quasi täglich Benachrichtigungen über Preiserhöhungen, etwa beim Catering, aber auch in vielen anderen Bereichen.

Sie versuchen sich dem zu entziehen – das heißt, ausgeschlossen ist es nicht?
Natürlich hängt das auch vom Umfeld ab. Solange unsere Gäste bereit sind, diesen Service zu bezahlen, und solange wir wirtschaftlich operieren können, ist das gut. Aber man gerät immer wieder unter Druck.

Aktuell zum Beispiel durch die wirtschaftliche Krise infolge des Ukraine-Krieges, Inflation und Konjunkturabkühlung. Werden die Tickets teurer?
Die Preise bewegen sich schon nach oben, das müssen sie meiner Meinung nach aber auch. Weil wir mit enormen Mehrkosten belastet werden, etwa durch den stark gestiegenen Ölpreis. Aber auch durch die Inflation in vielen Ländern um uns herum. Wir bekommen quasi täglich Benachrichtigungen über Preiserhöhungen, etwa beim Catering, aber auch in vielen anderen Bereichen. Da müssen wir natürlich schauen, wie wir das ausbalancieren können. Aber dass Tickets zu gewissen Destinationen derart viel teurer wurden, liegt größtenteils daran, dass die Nachfrage so sprunghaft zurückkam, die Kapazität, was Flieger und Personal angeht, aber noch nicht wieder ganz da ist, wo sie es vor der Pandemie war.

Personal fehlte, weil in der Krise branchenweit auch viele Mitarbeitende abgebaut wurden oder sie die Branche verließen, weil die Arbeitsbedingungen nicht stimmten. Die Stimmung ist generell nicht überall gut. Bei den Schwesterairlines kommt es regelmäßig zu Streikdrohungen oder sogar Streiks. Bei Edelweiss blieb es ruhig. Was machen Sie anders?
Wir haben hier während der Krise sehr eigenständig agiert. Wir mussten keine Entlassungen aussprechen. Das ist sicherlich der große Unterschied. Das liegt auch daran, dass wir viel kleiner sind und in einem Segment tätig, das sich in den letzten 24 Monaten auch schneller wieder erholt hat. Dadurch konnten wir die Belegschaft an Bord halten. Wir hatten zwar eine natürliche Fluktuation in der Kabine. Die haben wir aber immer. Über sie konnten wir auch viel regeln. Zudem half uns sehr direkt die Unterstützung vom Staat in Form von Kurzarbeitergeld, was sehr effizient und gut funktioniert hat. Im Cockpit hatten wir zudem ein paar Kolleginnen und Kollegen, die auf temporärer Basis für uns flogen und in der Krise zu ihren alten Airlines zurückgekehrt sind. Wir hatten also bei beiden großen Personalkörpern Anpassungen nach unten, ohne entlassen zu müssen.

Obwohl Sie zwei Langstreckenflugzeuge abgeben mussten?
Ja. Wir hatten vielleicht zeitweise etwas zu viel Personal, aber das konnten wir durch die Kurzarbeit ausgleichen. Und aus diesem Grund waren wir auch in der Lage, wieder schnell hochzufahren, als die Nachfrage wieder angezogen hat. Wir sind immer wieder schnell auf das Produktionsniveau gekommen, welches wir vor der Krise schon kannten. Das brachte recht viel Ruhe und Sicherheit in den Betrieb rein. Das war bei Airlines, die Leute entlassen mussten, oft unruhiger. Hinzu kommt, dass wir die Gehälter in Cockpit und Kabine und des Bodenpersonals außerhalb der Verhandlungen über Tarifverträge erhöht haben. Das schafft auch Ruhe.

Wir können zum Beispiel Kapitäne einstellen, die sofort auf der Position loslegen.

Und deshalb gab es bei Edelweiss keine betrieblichen Probleme wie bei vielen anderen Fluggesellschaften im Sommer?
Ja. Wir haben im Jahr 2022 auch zwei neue Kurzstreckenflugzeuge eingeflottet. Früher haben wir teilweise Flugzeuge dazu gemietet, aber im Wet-Lease-Markt war nicht genügend Angebot verfügbar. Flugzeuge waren aber da. Also haben wir zwei dazu genommen und das Personal selbst aufgebaut. Das war auch möglich, weil wir zwei Langstreckenjets in der Krise abgegeben hatten und die Kurzstrecke weniger Personal braucht. So waren wir schnell wieder auf Kapazitätsniveaus von vor der Krise. Teilweise hatten wir 2022 schon höhere Kapazität als 2019. Wir haben durch das schnelle Hochfahren unseren Mitarbeitenden schon viel abverlangt. Sie waren aber bereit, die Mehrleistung auch zu bringen, wofür ich allen Mitarbeitenden sehr dankbar bin.

Suchen Sie gerade Personal?
Wir suchen immer. Wir haben jeden Monat einen, manchmal sogar zwei Kurse für Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter. 2023 kommen zwei Flugzeuge hinzu. Ein Airbus A320 im April und ein A340 im Juli. Dadurch stellen wir in Kabine und Cockpit weiter ein. Seit Oktober 2021 haben wir firmenweit über 400 Mitarbeitende eingestellt.


Edelweiss-Crew. Bild: Edelweiss

Aber es ist doch gerade gar nicht so einfach, Cockpitpersonal zu finden.
Wir haben den Vorteil, dass wir relativ flexibel sind. Wir haben bei unserem Gesamtarbeitsvertrag immer darauf geachtet, dass gute Flexibilität und gute Produktivität vorhanden sind. Das ist in unserem Geschäftsfeld mit hoher Saisonalität unverzichtbar. Wir müssen atmen können.

Was heißt «gute Flexibilität und Produktivität»?
Wir können zum Beispiel Kapitäne einstellen, die sofort auf der Position loslegen. Dasselbe mit First Officern auf der Langstrecke. Wir kennen auch das Freelance-Modell. Wenn sie zum Beispiel als Kapitän bei Swiss pensioniert werden, können sie bei uns noch ein paar Jahre mit einem Freelance-Vertrag fliegen.

Von so einem Tarifvertrag träumt das Swiss-Management.
Da sind wir in der Schweiz sicherlich gut aufgestellt. Aber nur so schaffen wir es eben auch, wieder den Marktanforderungen gerecht werden zu können.

Theoretisch kann man unsere Airbus A340 bis 2030, 2031 betreiben.

Wie haben Sie diesen Vertrag denn so flexibel gestalten können?
Wir hatten den ersten Tarifvertrag 2010, also relativ spät. Da haben wir genau auf diese Punkte geachtet. Mit unserem Geschäftsmodell und unseren damaligen Wachstumsplänen brauchten wir diese Möglichkeiten, das wäre ohne diese Modelle gar nicht möglich gewesen.

Edelweiss bekommt dieses Jahr noch einen Airbus A340 hinzu. Bleibt es trotzdem dabei, dass die älteren Vierstrahler 2025 abgelöst werden?
Der Flieger, den wir dieses Jahr bekommen, muss ja schon noch ein paar Jahre fliegen, damit sich das lohnt. Theoretisch kann man unsere Airbus A340 bis 2030, 2031 betreiben. Aber wir haben die Möglichkeit und zielen darauf ab, sie 2026, 2027 zu ersetzen.

Und womit ersetzen Sie die Airbus A340?
Wir sind Airbus-Betreiber. Und wir profitieren davon, dass unsere Pilotinnen und Piloten sowohl Lang- als auch Kurzstrecke fliegen können. Das würde ich gerne beibehalten. Das Nachfolgemodell wird ziemlich sicher ein Airbus sein. Die Swiss hat sich für eines entschieden und dann kann man sich ja ausrechnen, dass auch die Anstrengungen bei Edelweiss in Richtung Airbus A350 gehen.

Und Sie sind zuversichtlich, dass Sie damit erfolgreich sein werden?
Natürlich muss man das mit der Flottenpolitik der Lufthansa-Gruppe abstimmen. Wir sind nicht die Einzigen, die ältere Flugzeuge ablösen wollen. Daher müssen wir unsere Pläne gut im Konzern begründen. Aber wir bei Edelweiss sind in einer guten Position, wir können unsere Interessen durchsetzen. Dasselbe gilt übrigens auch für die Kurzstreckenflotte.

Edelweiss bekommt also bald Airbus A320 Neo? Wann?
Jetzt haben wir gerade noch zwei A320 mit den klassischen Triebwerken bekommen, die recht neu sind, sie gehören zu den letzten der Serie. Ein weiterer kommt noch dazu. Mit den drei kann man noch eine Zeit fliegen. Aber wir haben durchaus ein paar Flugzeuge, die jetzt abgelöst werden müssen und da wäre der A320 Neo das ideale Nachfolgemodell. Die ersten Ablösungen dürften ab 2025 erfolgen.


Airbus A340 von Edelweiss. Bild: aeroTELEGRAPH

Sie fliegen teilweise mit älteren Flugzeugen als die Schwestern. Sie haben aber dieselben Klimaziele. Ist das unfair?
Wir haben natürlich mit unserer Flotte schon ein Thema, was die Nachhaltigkeitskosten anbelangt. Ob das die Vorgaben durch Corsia sind oder den Zertifikatekauf. Allein deshalb ist es in unserem Interesse, dass wir schnell neuere Flugzeuge bekommen. Die absolute Nachhaltigkeit erreichen wir so aber noch nicht. Das gelingt erst, wenn wir im großen Stil Zugriff auf nachhaltige Treibstoffe haben.

Auf der Langstrecke hat Edelweiss das Angebot zusammengestrichen. Gerade Asien ist noch nicht wieder stark vertreten. Ändert sich das?
Asien hat in der Pandemie stark gelitten. Die Länder waren lange ziemlich vernagelt, das war eine andere Politik als in Mittelamerika oder der Karibik. Und als sie wieder aufgingen, gab es immer noch viele Restriktionen, was Reisende abschreckte. Aber Thailand ist diesen Winter zurück wie früher. Die Malediven funktionieren auch gut. Wo wir uns noch nicht so richtig herantrauen, sind die ganz langen Flüge wie Vietnam, Buenos Aires oder Rio de Janeiro. Das liegt aber nicht an Covid.

Sondern?
Da spüren wir die Treibstoffpreisentwicklung. Die Flüge sind ungleich teurer als noch 2019. Der Anteil des Kerosins an den Gesamtkosten ist auf sehr langen Strecken groß, und wenn sich der verdoppelt, wird das teuer für uns. Daher warten wir ab. Die Nachfrage hat sich aber auch von der Lang- auf die Kurz- und Mittelstrecke verlagert. Man wollte nicht mehr ganz so weit weg, weil man Sorge hatte, dass man nicht wieder zurückkommt. Destinationen wie Kapverden oder die Azoren, aber auch Ziele in Großbritannien und Irland haben daher Erfolg. Das hat sich auch zu einem Ergebnistreiber für uns entwickelt. Wir haben 2022 2,2 Millionen Reisende transportiert, gegenüber 2,6 Millionen 2019. 2023 werden wir 2019 übertreffen.