Zu hohe Standortkosten
Deutsche Politik erhört Airlines und will gegen hohe Gebühren kämpfen
Fluggesellschaften beschweren sich schon lange über zu hohe Kosten und sperrige Regulierung in Deutschland. Ein offenes Ohr fanden sie bei der Politik nicht. Bis jetzt.
Airlines am Flughafen Frankfurt: Deutschland ist teurer für sie als andere Länder.
Airlines am Flughafen Frankfurt: Deutschland ist teurer für sie als andere Länder.
Die Gesellschaft der deutschen Sprache hat entschieden. Ampel-Aus ist das Wort des Jahres. Doch wenn man sich für die Luftfahrtbranche in Deutschland interessiert, gab es noch ein anderes Wort, das in diesem Jahr plötzlich Hochkonjunktur hatte: Standortkosten. Plötzlich hörte man es aus dem Mund so gut wie aller Airlinechefs.
Und auch erbitterte Konkurrenten waren sich zumindest in dieser Sache einig: Die Standortkosten in Deutschland sind zu hoch. Und Schuld daran, dass es deutlich weniger Wachstum gibt, als in anderen Ländern. Ryanair nannte die Kosten denn auch als Grund, sich vermehrt aus dem deutschen Markt zurückziehen zu wollen.
Erst nicht gehört …
Von der Politik fühlten sich die Airlines nicht ernst genommen. Ryanair etwa pöbelte öffentlich, man habe einen Sieben-Jahres-Wachstumsplan für Deutschland präsentiert, um das Verkehrsaufkommen von 16 Millionen auf 34 Millionen zu verdoppeln, «aber es gab keine Rückmeldung von der Bundes- oder den Landesregierungen».
Und auch sonst war der Tenor: Getan wird von der Regierung nicht wirklich etwas, um dem Luftverkehr in Deutschland zu helfen. Doch die gebetsmühlenartige Klage über die Standortkosten scheint nun doch Wirkung zu zeigen.
… und jetzt doch
Die Regierungen der Bundesländer haben die Beschwerden gehört und vergangene Woche bei der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder in Berlin thematisiert. «Während weltweit und in Europa der Luftverkehr wächst, hinkt Deutschland hinterher. Vor allem die stark gestiegenen Steuern und Gebühren verteuern das Fliegen ab und in Deutschland insbesondere im Vergleich mit unseren europäischen Nachbarn», heißt es unter Punkt Top 3: «Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrs».
Und auch hier darf das Airline-Wort des Jahres nicht fehlen: «In Deutschland haben sich insbesondere die staatlichen Standortkosten seit dem Jahr 2020 nahezu verdoppelt», heißt es weiter. Die Bundesrepublik werde in der Folge als Ziel von vielen europäischen Airlines gemieden.
Maßnahmenpaket gefordert
Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten fordern daher von der Bundesregierung, zu prüfen, ein Maßnahmenpaket zur Stärkung des Luftverkehrs vorzulegen. Vor allem solle man prüfen, wie man die Kosten reduzieren kann. Sie müsse vor allem zunächst sicherstellen, dass sie nicht weiter steigen.
Die aktuellen Gebührensätze dürfen laut dem Beschluss auf keinen Fall steigen. Die Bundesregierung solle auch prüfen, die Luftverkehrssteuer und auch die Flugsicherungsgebühren deutlich zu reduzieren, weil man darin «einen bedeutenden Hebel zur Stärkung der nationalen Luftfahrt» sehe. Außerdem schlagen die Landesregierungen vor, die Steuer in eine zweckgebundene Abgabe umzuwandeln, mit deren Einnahmen neue Technologien und nachhaltige Kraftstoffe gefördert werden.
PTL-Quote soll abgeschafft werden
Bestätigt fühlen dürften sich Airlines auch von einer weiteren Empfehlung der Konferenz: Die PTL-Quote solle abgeschafft werden. PTL steht für Power to liquid – also für Flüssigkraftstoff, der mithilfe elektrischen Stroms hergestellt wird. 0,5 Prozent des von Airlines getankten Treibstoffs müssen ab 2026 PTL-Treibstoff sein. 2028 ist es ein Prozent, 2030 steigt die Quote auf zwei Prozent. Die Quote in Deutschland besteht zusätzlich zu EU-Vorgaben für die Betankung nachhaltigen Treibstoffs.
Airlines kritisieren schon lange, dass die Quote aufgrund der aktuellen Verfügbarkeiten kaum einzuhalten sei und nicht den Vorgaben der EU entspreche. Das sieht auch die Konferenz der Länderregierungen so. Sie fordert die Regierung in Berlin auf, die Quote abzuschaffen, da sie zu höheren Kosten im Vergleich zu anderen Ländern in der EU führe.
Gleiche Regeln für alle
Und auch in einem weiteren Punkt haben die Regierungschefinnen und -chefs die Airlines erhört. Hier lautete das geflügelte Wort immer, man müsse mit «gleich langen Spießen» kämpfen dürfen wie die Konkurrenz. Doch wenn gewisse Regeln nur für heimische und nicht für ausländische Airlines gelten, sei das nicht möglich. Die Beschlüsse der Konferenz sehen einen Weg, die Spieße zumindest anzugleichen in den bilateralen Abkommen mit Drittstaaten.
In diesen sollten zum Beispiel «einzuhaltende Verbraucherschutz- und Sozialstandards in diesen bilateralen Verkehrsabkommen geregelt werden», heißt es. «Somit wird sichergestellt, dass sowohl alle Marktteilnehmer unter gleichen ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen agieren müssen und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Luftfahrtunternehmen gewährleistet wird», heißt es in dem Papier.
Lob von ausländischen Airlines
Airlines begrüßen die Beschlüsse. «Mit den Beschlüssen der gestrigen Ministerpräsidentenkonferenz werden nach langen Monaten intensiver Diskussionen der Luftverkehrswirtschaft mit der Politik jetzt endlich erste Maßnahmen in die richtige Richtung formuliert», lässt sich Michael Hoppe, Geschäftsführer des Board of Airline Representatives in Germany Barig zitieren. Der Verband vertritt ausländische Fluggesellschaften in Deutschland.
«Viel zu lange ist die Wichtigkeit des Luftverkehrs für die deutsche Wirtschaft und Konjunktur massiv unterschätzt worden», so Hoppe. Die aktuelle wie auch künftige Bundesregierung müsse unverzüglich handeln und die Beschlüsse in die Tat umsetzen.
Beschlüsse nicht bindend
Denn: Die Konferenz der Länderregierungen ist eine rein informell. Dortige Beschlüsse werden nicht umgesetzt, sondern gelten als Handlungsempfehlungen für die Bundesregierung. Die muss für sich entscheiden, welche der Forderungen sie für wichtig erachtet. Und da in Deutschland Wahlen anstehen ist unklar, wann das geschehen wird.