Letzte Aktualisierung: um 18:04 Uhr

Niemand ist zuständig

Der Luftraum, in dem Crews auf sich alleine gestellt sind

Keine Flugsicherung, keine Informationen, keine Warnungen: In einem Gebiet über dem Ostpazifik sind Cockpitcrews ganz auf sich alleine gestellt, wenn sie sich hinein wagen.

Es klingt wie aus der Zeit gefallen: Da draußen, über dem Ostpazifik, existiert ein großes Stück Luftraum, in dem Flugzeuge abgeschnitten sind vom Rest der Welt. Unten scheinbar endloses Meer und oben nichts – keine Mitteilungen über das Wetter, keine Staffelung von Flugzeugen durch eine Flugsicherung, keine Notams, keine Suche und Rettung.

Diesen Luftraum gibt es wirklich. Er liegt nördlich der Osterinsel und westlich der Galapagos-Inseln. Er ist der leere Fleck auf der Welt-FIR-Karte. FIR steht für Flight Information Region oder Fluginformationsgebiet. In diese Gebiete ist der Luftraum weltweit eingeteilt, überwacht von zugeordneten Bezirkskontrollstellen der Flugsicherung.

Die Nachbarn des leeren Flecks

Die Region über dem Ostpazifik, die kein Fluginformationsgebiet ist, liegt zwischen folgenden acht FIR: Oakland Oceanic, Mazatlan, Mexico, Central America, Guayaquil (darin die Galapagos-Inseln), Lima, Isla de Pascua (Osterinsel) und Tahiti.

Zuständig für die FIR ist die Internationale Zivilluftfahrtorganisation Icao. Bei ihr hat sich die Luftraum-Vereinigung Ops Group nach dem «No FIR»-Luftraum erkundigt, für den keine Flugsicherung zuständig ist. Denn bisher hatte die Gruppe selber keine Antworten, wenn sie Anfragen zum Durchfliegen dieses Luftraums erhielt. Daher wollte sie von der Icao Informationen über die dort vorgeschrieben Verfahren und Regeln erhalten.

Kein Staat, keine Regelungen

Das Ergebnis: «Das mag überraschen, aber es gibt keine», schreibt die OPS Group nach dem Austausch mit der Icao. «Da (noch) kein Staat für den ‘No FIR’-Luftraum verantwortlich ist, gibt es kein AIP, auf das verwiesen werden kann.» AIP ist die Abkürzung Aeronautical Information Publication, das Luftfahrthandbuch für einen einzelnen Staat.

Tatsächlich hat die Icao 2019 schon ein Projekt gestartet, um das unbeaufsichtigte Gebiet aufzuteilen zwischen Peru, Ecuador, Tahiti und den Staaten Zentralamerikas. Allerdings hat sich das Projekt durch die Covid-Pandemie verzögert. Und so umfliegen die meisten Betreiber die Zone weiterhin, auch wenn sie dies mehr Zeit und Treibstoff kostet.

Der «No FIR»-Luftraum. Bild: Ops Group

«Niemand ist dafür verantwortlich»

Die Icao hat der Ops Group daher nur Empfehlungen an die Hand gegeben – und eine Warnung für das Gebiet vorweggeschickt, welche die Gruppe wie folgt zusammenfasst: «Niemand ist dafür verantwortlich. Es ist wichtig, die Auswirkungen zu verstehen. Es wird keine Verkehrstrennung, Search-and-Rescue-Dienste, Wettervorhersagen oder Notams geben». Es sei viel Meer dort draußen, eine gründliche Notfallplanung sei daher nötig.

Fürs Durchfliegen des Luftraums empfiehlt die Icao: Cockpitcrews sollen sich zuvor an die Flugsicherung wenden und nach bekanntem oder beobachtetem Verkehr durch den «No FIR»-Luftraum fragen. Womöglich ist ein Flugzeug kurz zuvor in die dieselbe Richtung in den Luftraum hineingeflogen oder es wird eine herauskommende Maschine erwartet.

Was Cockpitcrews tun sollen

Die Crews sollen sogenannte TIBA-Verfahren nutzen. Das steht für Traffic Information Broadcasts by Aircraft und bezeichnet die Sendung von Verkehrsinformationen an Flugzeuge in der Nähe auf einer ausgewiesenen UKW-Funkfrequenz. Die Icao empfiehlt die Funkfrequenzen 123,45 und 121,5 Megahertz, genannt Chat und Guard. Das Prinzip: «Hören und gehört werden.» Auch Sehen hilft: Alle Antikollisions- und Navigationslichter des Flugzeuges sollen eingeschaltet sein, um Unglücke zu vermeiden.

Die Flugzeuge sollen weiterhin Transpondercodes aussenden und Kollisionswarnsystem TCAS (Traffic Alert and Collision Avoidance System) nutzen. Die Icao empfiehlt, leicht rechts versetzt von den Routen zu fliegen. Bei der Höhe sollen Crews Richtung Westen gerade Flugflächen wählen, Richtung Osten ungerade – von Wechseln wird abgeraten.

Vor Rückkehr Bescheid geben

Spätestens zehn Minuten vor Verlassen des «No FIR»-Luftraums sollen Crews sich bei der Flugsicherung des Fluginformationsgebiets melden, in das sie bald hineinfliegen werden. Sie sollen sich nicht darauf verlassen, dass sich ohnehin jemand um sie kümmert.