Oleksandr Shafiyev, Sky Up
«Wir verhandeln derzeit nicht über einen Wechsel zu Airbus»
Wie hält Sky Up die Moral des Personals im Krieg hoch, wie will sie im Wet-Lease-Geschäft wachsen, ist ein Wechsel zu Airbus ein Thema und wann kehrt sie zurück in die Ukraine? Vorstand Oleksandr Shafiyev im Interview.
Oleksandr Shafiyev: «Wir schließen die Möglichkeit von Langstreckenflügen nicht aus.»
Oleksandr Shafiyev: «Wir schließen die Möglichkeit von Langstreckenflügen nicht aus.»
Vor zwei Jahren hat Russland die Ukraine angegriffen. Seither herrscht Krieg. Wie können Sie die Moral bei Sky Up aufrechterhalten?
Oleksandr Shafiyev*: Sich Herausforderungen zu stellen und sie zu meistern, ist Teil der DNA unseres Unternehmens und von uns als Ukrainerinnen und Ukrainern. Von Beginn unserer Tätigkeit an waren wir mit verschiedenen Hindernissen konfrontiert, von Pandemie bis hin zur Invasion. Diese Erfahrungen haben uns gelehrt, wie wichtig es ist, flexibel zu sein und maximale Anstrengungen zu unternehmen, um unseren Betrieb aufrechtzuerhalten. Dennoch ist ein Krieg eine Katastrophe, auf die man sich nicht vorbereiten kann, weil man das Ausmaß nie kennt. Dennoch verfügt Sky Up über ein Team von Fachleuten, die sich anpassen und schnell und effektiv auf Herausforderungen reagieren können. Unsere Motivation als Management war und ist es, das Team und das Luftfahrtpotenzial unseres Landes zu erhalten und für den Sieg der Ukraine zu arbeiten.
Sie beschäftigen jetzt 1140 Mitarbeitende – fast so viel wie vor dem Krieg. Wie war das möglich?
Einige unserer Mitarbeitenden sind in den Krieg gezogen, aber wir haben keine Arbeitsplätze abgebaut. Wir haben eine starke Unternehmenskultur, die uns und unsere Angestellten dazu motiviert, trotz allem weiterzuarbeiten und sich weiterzuentwickeln. Im Gegenteil, wir haben uns bemüht, das Team zu halten und durch die Erschließung neuer Märkte für ausreichend Arbeit zu sorgen.
Wie viele Ihrer Angestellten sind noch in der Ukraine tätig?
Die Zeiten der Pandemie haben uns gelehrt, mobil zu sein und unter völlig anderen Bedingungen zu arbeiten. Der Krieg hat unsere Flexibilität nur noch verstärkt. Die Crew rotiert ständig, das Team geht auf Geschäftsreisen. Deshalb können wir die genaue Zahl der Mitarbeitenden, die dauerhaft in der Ukraine arbeiten, nicht bekannt geben.
Sie haben ins Wet-Lease-Geschäft expandiert. Wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen?
Sky Up verfügt nun über eine Flotte von zehn Boeing 737, um das Wet-Lease-Geschäft zu betreiben.Von Mai 2022 bis Dezember 2023 haben wir 14.132 Flüge durchgeführt und fast 2,2 Millionen Passagiere in 54 Ländern und auf 874 Strecken befördert. Und laut den Analysedaten von CH Aviation gehörte das Unternehmen im Juni 2023 zu den 20 größten Wet-Lease-Anbietern in Europa. Seit dem Start bis heute haben wir Flüge für 17 Fluggesellschaften durchgeführt. Dies macht derzeit 70 Prozent unseres Geschäfts aus, aber wir sehen noch Potenzial für Wachstum und Anfragen von Unternehmen.
Wir müssen uns den Märkten im Ausland zuwenden.
Im Jahr 2023 haben Sie mehr als 10.000 Flüge durchgeführt. Wie viele wollen Sie im Jahr 2024 erreichen?
Wir wollen so viele Flüge wie möglich durchführen und unsere Kapazität prozentual erhöhen. Allerdings hängt nicht alles von uns ab, denn im Moment konzentrieren wir uns darauf, nach dem Wet-Lease-Szenario zu fliegen. Deshalb machen wir einfach unsere Arbeit professionell und richten unsere Aktivitäten darauf aus, noch mehr Partner zu finden.
Für das Wet-Lease-Geschäft haben Sie auch eine Gesellschaft in Malta gegründet, die Ihnen hilft, Aufträge aus der EU zu erhalten. Dennoch ist die EU für Sky Up noch ein kleiner Markt. Warum?
Das Hauptmerkmal von Europa ist die Saisonabhängigkeit. Deshalb haben wir als Motor für die weitere Entwicklung den Erwerb von Lizenzen in Betracht gezogen, die eine Expansion auf eine größere Anzahl von Märkten ermöglichen. So haben wir 2023 die Genehmigungen der USA und Kanadas erhalten, was zur Diversifizierung der Märkte beitragen soll. Wir müssen uns den Märkten im Ausland zuwenden, denn es ist wichtig für uns, dass die Flugzeuge auch im Winter fliegen.
Sie wollen auch auf den nordamerikanischen Markt expandieren. Wann wird Sky Up dort Flüge durchführen?
Wir verhandeln derzeit mit mehreren Unternehmen, mit denen sich in Zukunft eine Zusammenarbeit ergeben könnte.
Das Wet-Lease-Geschäft ist hart umkämpft. Es gibt einige sehr große Anbieter in Europa und auch viele kleine – die Margen stehen unter Druck. Wie können Sie sich von der Konkurrenz abheben?
Wir bieten einen liebevollen Service, eine besondere Einstellung zu den Fluggästen, Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse und Wünsche unserer Partner. Wir haben eine zuverlässige Flotte, eine flexible Einstellung zu den Bedingungen der Zusammenarbeit, einen 24/7-Support für unsere Partner, eine einfache und bequeme Buchungsplattform, die Arbeit der Crews nach dem Prinzip der Freundlichkeit, Liebe und Höflichkeit, um das Flugerlebnis zu verbessern. Unsere Partner bemerken auch, dass wir aufgrund der Tatsache, dass wir nun mit ganz unterschiedlichen Regionen und Ländern zusammenarbeiten, über ein sehr starkes Fachwissen in der Interaktion mit den Bodendiensten verfügen und unsere Mitarbeitenden sehr mobil und schnell bei der Lösung von Problemen sind.
Boeing 737 von Sky Up: Bild: Sky Up
Haben einige Kunden Sky Up gewählt, weil Sie ukrainisch sind und Ihr Land unterstützen wollten?
Wir sind allen Partnern, den ukrainischen Luftfahrtbehörden sowie den Ländern, in denen wir fliegen und Genehmigungen erhalten, und den internationalen Luftfahrtorganisationen, mit denen wir die ganze Zeit zusammengearbeitet haben, sehr dankbar. Zu Beginn der Invasion begannen wir dank der gemeinsamen Aktionen vieler Partner, nicht die ukrainischen Flughäfen anzufliegen, sondern die Flughäfen, die unserem Land am nächsten liegen. Es handelte sich um humanitäre Hilfe und Zusammenarbeit mit Hilfsfonds, Evakuierungsflüge und so weiter. Dann begannen wir, unsere Flugzeuge für Wet-Lease-Aufträge anzubieten. Und wie Sie sehen können, haben wir diese Richtung seit zwei Jahren erfolgreich weiterentwickelt. Das Wichtigste für uns ist das Vertrauen unserer Partner. Als ukrainisches Unternehmen rechtfertigen wir es voll und ganz mit unseren hohen Sicherheitsstandards, unserem Qualitätsservice und unserer dynamischen Entwicklung.
Wie interessant sind Deutschland, die Schweiz und Österreich für Sky Up?
Wir sind wir sowohl an Fluggesellschaften als auch an Reiseveranstaltern dieser Länder interessiert. Wir sind auch auf Flüge spezialisiert, die von Fußballmannschaften, großen Unternehmen und so weiter in Auftrag gegeben werden. Zum Beispiel führen wir im Auftrag des großen deutschen Reiseveranstalters Express Travel International Flüge von Berlin und Frankfurt nach Hurghada durch. Die europäische Sky Up MT, die unter der Marke Sky Up arbeitet, führt diese Charterflüge durch.
Sie führen auch humanitäre Einsätze durch. Tun Sie das aus Pflichtgefühl gegenüber Ihrem Land oder ist es finanziell interessant?
Wir sind ein zuverlässiger Partner für unser Land. Jeder unserer Mitarbeitenden ist sozial verantwortlich und zuverlässig. Sie ergreifen selbst die Initiative. Vertrauen und Partnerschaft sind die Grundlagen, auf denen wir unsere Tätigkeit und unsere Beziehungen zu anderen aufbauen. Aus diesem Grund haben wir bereits wenige Wochen nach Beginn der Invasion mit humanitären Flügen begonnen. Insgesamt haben wir im Jahr 2022 32 Flüge durchgeführt, mit Zielen wie Tel Aviv, Lissabon und Frankfurt. Wir haben auch während der Pandemie und während des Krieges humanitäre Flüge durchgeführt und werden dies auch weiterhin tun, wenn unser Land und unsere Bevölkerung es brauchen. Ende letzten Jahres haben wir zum Beispiel gemeinsam mit unserem Staat ukrainische Bürgerinnen und Bürger aus dem Gazastreifen evakuiert.Und das sind nicht die einzigen Fälle. Es ist äußerst wichtig für uns, ein zuverlässiger Partner des Staates zu sein. Schließlich ist die Einigkeit die Stärke der Ukrainer und unserer Bewegung zum Sieg.
Sie haben einmal über Liniendienste innerhalb der EU gesprochen. Ist das immer noch in Planung? Und wo?
Nachdem wir den Markt eingehend analysiert, Trends untersucht und Geschäftsanalysen durchgeführt haben, haben wir beschlossen, unsere Haupttätigkeit auf Wet-Lease-Verträge zu konzentrieren, da wir diese Tätigkeit seit 2022 erfolgreich entwickelt haben und unsere Präsenz auf diesem Markt weiter ausbauen werden.
Sky Up ist bereit, in den ukrainischen Luftraum zurückzukehren, sobald dies möglich und sicher ist.
Es gab Gespräche über die Wiedereröffnung von Flughäfen in der Ukraine, zunächst Uzhorod und auch Kyiv-Boryspil. Ist das wirklich in naher Zukunft denkbar?
Die Eröffnung eines ukrainischen Flughafens ist ein langer und mehrstufiger Prozess. Denn russische Waffen und ihr Arsenal erreichen das gesamte Gebiet der Ukraine. Die Sicherheit hat für Sky Up oberste Priorität. Deshalb ist es wichtig, dass wir alle möglichen Risiken sorgfältig abwägen und dabei die Tatsache berücksichtigen, dass Russland in der Vergangenheit zivile Flüge angegriffen hat. Die wichtigste Frage ist daher heute, wer die Verantwortung für die Gewährleistung der Sicherheit der Flüge bis zum Ende der aktiven Feindseligkeiten übernehmen wird.
Und wenn sie wieder geöffnet würden, würde Sky Up dann von dort aus operieren?
Sky Up ist bereit, in den ukrainischen Luftraum zurückzukehren, sobald dies möglich und sicher ist.
Ryanair hat angekündigt, dass sie als erste Fluggesellschaft in die Ukraine zurückkehren will. Haben Sie Angst vor diesem Konkurrenten, wenn der Krieg vorbei ist? Immerhin sind sie sehr groß und auch finanziell gut ausgestattet, genauso Wizz Air.
Wir alle verstehen sehr gut, dass jede Fluggesellschaft überlegen wird, ob sie Flüge nach Kyiv anbieten soll. Es spielt keine Rolle, ob es profitabel ist oder nicht, es wird ein PR-Schachzug sein. Die Preise für solche Tickets könnten minimal sein, was die Wettbewerbsfähigkeit mit ukrainischen Fluggesellschaften beeinträchtigen könnte. Aus technischer Sicht ist es möglich, die Durchführung von Flügen innerhalb weniger Tage zu gewährleisten, aber ein vollwertiger Betrieb im Vorkriegsumfang ist erst nach einigen Monaten möglich, wenn der Luftraum für zivile Flugzeuge geöffnet ist.
Sky Up wurde 2016 gegründet. Bild: Sky Up.
Ihre Flotte besteht derzeit aus zehn Flugzeugen. Wie groß wird sie Ende 2024 und in drei Jahren sein?
Die Ausfälle und Verzögerungen bei der Auslieferung fabrikneuer Flugzeuge durch die Hersteller sowie Probleme mit neuen Triebwerken, die im vergangenen Jahr zu massenhaften Stilllegungen von Flugzeugen führten, haben Folgen. Daher verhandeln die Fluggesellschaften mit den Leasinggebern über die Verlängerung bestehender Leasingverträge. Aus diesem Grund werden keine Flugzeuge auf den Markt gebracht, und die Fluggesellschaften suchen nach einem Flottenwachstum durch gebrauchte Flugzeuge. Dieser Markttrend wird für mindestens weitere zwei Jahre anhalten. Für uns ist dies jedoch nicht kritisch, da wir bis 2028 keine geplanten Rückgaben von Flugzeugen haben. Im schlimmsten Fall werden wir also in den nächsten Jahren bei der aktuellen Flottengröße bleiben.
Wird Sky Up an der Boeing 737 festhalten oder ziehen Sie auch Airbus-Flugzeuge für eine Expansion in Betracht?
Bei unserer derzeitigen Größe ist eine einheitliche Flotte die optimale Betriebslösung. Denn der Übergang zu einem anderen Flugzeugmodell erfordert auch eine Reihe anderer betrieblicher Änderungen. Wir schließen diese Möglichkeit jedoch nicht aus. Wir verfolgen den Markt und seine Trends. Wir verhandeln derzeit jedoch nicht über einen Wechsel zu Airbus.
Derzeit laufen Gespräche über die mögliche Aufstockung der Flotte.
Sie betreiben derzeit Boeing 737-800 und -700. Ist die 737 Max etwas, das Sie ins Auge fassen?
Was die neue 737 Max betrifft, so ist nach den Prognosen des Herstellers die Auslieferung neuer Flugzeuge ab Werk frühestens ab ungefähr 2029 möglich, wenn ein Unternehmen heute einen neuen Festauftrag erteilt. Dennoch suchen wir Flugzeuge auf dem Markt und führen Verhandlungen. Derzeit laufen Gespräche über eine mögliche Aufstockung der Flotte mit ein bis zwei Boeing 737 NG bis Ende 2024, aber auch 2025.
Ukraine International ist nicht mehr im Geschäft. Sind Sie an einem der Vermögenswerte interessiert?
Wir waren an nichts von dem, was angeboten wurde, interessiert.
Ist die Langstrecke etwas, das Sky Up in Betracht zieht?
Bislang fliegen wir Langstrecken-Charterflüge zu den Inseln Sansibar und Sri Lanka mit Mittelstreckenflugzeugen im Auftrag des Reiseveranstalters Join Up. Die Entwicklung von Langstreckenflügen ist eng mit der Entwicklung der Flotte verbunden. Deshalb schließen wir diese Möglichkeit nicht aus, aber sie steht nicht in unserer unmittelbaren Planung.
* Oleksandr Shafiyev ist seit 2020 als Chief Operating Officer Mitglied des Vorstandes von Sky Up Airlines. Zuvor arbeitete er bei Ukraine International, Kharkiv Airlines und Aerosvit. Er studierte an der Ukrainian National Aviation University Instandhaltung von Flugzeugen und Triebwerken und schloss als Ingenieur ab.