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Schlechte Pisten

Der A320, den Airbus speziell für Indien baute

In Indien flogen Airbus A320, die man sonst nirgendwo auf der Welt zu sehen bekommt. Der Unterschied zu herkömmlichen A320 steckt im Detail.

Wie ein Airbus A320 aussieht, wissen viele Menschen. Zusammen mit der Boeing 737 als ihr amerikanisches Pendant gehört das europäische Modell zu den gängigsten Kurz- und Mittelstreckenfliegern. Tragen sie keine Sonderlackierung, transportieren hohen Staatsbesuch oder sind etwa als fliegende Labore unterwegs, sind A320 für Luftfahrtfans keine große Sensation mehr.

Doch auch unter den unscheinbaren A320 gibt es Exoten. Mit einem sogenannten Sharp-Rüstsatz modifiziert Airbus zum Beispiel einige A320 Neo zum Schnellstarter, die von kürzeren Pisten starten können. Die inzwischen insolvente brasilianische Fluglinie Avianca Brasil nutzte einige der Flieger etwa effizienter auf der kurzen Piste des Stadtflughafens von Rio de Janeiros. Einen weiteren speziellen A320 setzte bis vor wenigen Jahren auch Air India ein.

Zehn statt sechs Reifen

Normalerweise haben Fahrwerke von Airbus A320 sechs Räder: Eine Doppelbereifung am vorderen Fahrwerksbein sowie jeweils zwei Räder am linken und rechten Hauptfahrwerk unterhalb der Flügel. Bis zum Jahr 2018 setzte die Nationalfluglinie Indiens zuletzt drei A320 ein, die von dieser Norm abwichen.

Die Flieger mit sogenannten «Double Bogey» (zu Deutsch: Doppelachse) besaßen an den hinteren Hauptfahrwerken doppelt so viele Räder wie üblich. Anstatt zwei Reifen auf einer Achse pro Seite, besaßen sie jeweils vier Reifen auf zwei Achsen.

Vorgänger wählte Spezialversion

Insgesamt wurden 31 dieser Airbus A320 mit zehn Rädern produziert. Sie alle wurden an die ehemalige Indian Airlines ausgeliefert. 2011 fusionierte die Fluglinie mit Air India, welche auch einige der sogenannten«Double Bogey A320» übernahm.

Indian Airlines entschied sich Ende der 80er Jahre aus gutem Grund für das besondere Fahrwerk. Gewöhnliche A320 mit normalen Fahrwerken hätten innerhalb Indiens zu diesem Zeitpunkt nur auf wenigen Flughäfen starten und landen können.

Viele Pisten in Indien waren zu schwach

In den sogenannten «Pavement Classifications Numbers» teilt der internationale Zivilluftfahrtverband Icao Start- und Landebahnen in Klassen ein. Diese Klassifizierung regelt, ob die Beschaffenheit einer Piste Gewicht und Reifendrücke von Flugzeugen standhalten kann. In Indien durften viele Start- und Landebahnen einen A320 nach diesen Richtlinien nicht aufnehmen, da sie das Gewicht nicht tragen konnten.

Die großzügigere Bereifung der A320 von Indian Airlines löste dieses Problem relativ einfach. Die zusätzlichen vier Reifen entlasteten die üblichen sechs. Insgesamt drückte jeder Reifen mit weniger Gewicht auf den Boden. Also durften die A320 auch von Pisten operieren, die eigentlich zu schwach gewesen wären.

Heute kein Bedarf mehr

Inzwischen ist die allgemeine Beschaffenheit von Indiens Start- und Landebahnen auf normalem Niveau. Stärkere Bereifungen brauchen Airbus A320 in dem Land heute nirgendwo mehr. Mittlerweile hat Air India einen Großteil ihrer A320-Flotte modernisiert – die neuen A320 haben nur sechs Räder.